Mit „Klartext.“ gegen Jugendkriminalität: Hallesche Jugendwerkstatt stärkt Rechtsbewusstsein junger Menschen mit Schülerrichtern in Halle (Saale)

Das Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt weitet sein Engagement zur Stärkung des Rechtsbewusstseins junger Menschen aus. Im Fokus steht dabei das Projekt „Schülergremium“, auch bekannt als „Schülergerichte“ oder „Teen Courts“. Die Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH, die mit ihrem kriminalpädagogischen Jugendprojekt „Klartext.“ antritt, erhält für den Aufbau eines Schülergerichts in der Saalestadt eine Förderung von über 21.000 Euro.
Den Zuwendungsbescheid übergab Franziska Weidinger, Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt, persönlich vor Ort, unter anderem in Anwesenheit von Marc Melzer, Vorstand der Investitionsbank Sachsen-Anhalt. Die Fördermittel dienen der Finanzierung einer erforderlichen Personalstelle bei der 1991 gegründeten Halleschen Jugendwerkstatt.
Verantwortung statt Verurteilung
Die Ministerin zeigte sich erfreut über den Start des Projekts: „Ich freue mich sehr, dass nun auch in Halle an der Saale ein Schülergericht aufgebaut wird. Mit der Förderung des Schülergerichts leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Rechtsbewusstseins junger Menschen.” Sie hob den pädagogischen Wert der Schülergerichte hervor: „Hier lernen Schülerinnen und Schüler auf beeindruckende Weise, Verantwortung zu übernehmen, fair miteinander umzugehen und Konflikte auf rechtstaatliche Weise zu lösen.”
Die Förderung in Halle ist Teil einer landesweiten Initiative, für die das Land in diesem Jahr mehr als 120.000 Euro aus dem Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) bereitstellt. Das Geld fließt neben der Halleschen Jugendwerkstatt gGmbH auch an den koordinierenden Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt e. V. sowie an weitere Träger in Mansfeld-Südharz, Gardelegen und im Burgenlandkreis. Die Ausreichung von Fördermitteln ist durch das Land auch in den Jahren 2026 und 2027 vorgesehen.
Ein wichtiges Puzzlestück
Die Schülergremien bieten jungen Menschen die Möglichkeit, Verantwortung für ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Speziell geschulte Jugendliche sprechen an einem neutralen Ort mit gleichaltrigen über deren Straftaten, zu denen Diebstahl, Beleidigung, Missbrauch von Notrufen oder Körperverletzung gehören. Gemeinsam werden Sanktionen festgelegt – beispielsweise die Teilnahme an gemeinnütziger Arbeit oder eine schriftliche Auseinandersetzung mit dem Geschehen. Die Arbeit erfolgt stets in enger Abstimmung mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Das erste Schülergremium in Sachsen-Anhalt wurde 2007 im Harz gegründet und hat seither Hunderte von Fällen bearbeitet.
Hans Goldenbaum, Bereichsleiter Delinquenz und Resilienz bei der Halleschen Jugendwerkstatt gGmbH, betonte die präventive Zielsetzung des Trägers: „Mit unseren Projekten und Maßnahmen wollen wir insbesondere Kriminalitätskarrieren vorbeugen oder diese unterbrechen.” Die neue Förderung für „Klartext.” ermögliche es, „mit diesen Maßnahmen und Ansätzen ein weiteres zentrales Puzzlestück einzufügen.” Für den Erfolg des Projektes sei die enge Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und dem Polizeirevier Halle essenziell.
Prävention zahlt sich aus – Kompetenzen und kulturelle Hürden
Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt hob die ökonomische und soziale Bedeutung des Projektes hervor: Er betonte, dass Prävention günstiger für uns als später die Folgen sei. Die Arbeit der Schülergremien ist für die Justizministerin Franziska Weidinger eine Herzensangelegenheit: Sie bekräftigte, es “liegt uns ganz doll am Herzen”, dass junge Menschen echte Fälle der Jugendkriminalität eigenständig behandeln und mit Tätern über die Tat sprechen. Die Jugendlichen werden in die Lage versetzt, Fälle untereinander, in der eigenen Peer-Group, zu beraten. Die Initiatoren sind überzeugt geringe Rückfallquote zu erreichen und jungen Menschen die Chance zu geben, ihr Leben in den Griff zu bekommen, während sie gleichzeitig Kompetenzen für Schülerrichter schaffen.

Wenn der Feuerlöscher kommt
Hans Goldenbaum, der Projektleiter, beschreibt die dringliche Arbeit des Trägers an den Schulen oft bildhaft: „In Schulen brennt es häufig schon und wir kommen als Feuerlöscher.” Er schilderte einen konkreten Fall an einer Halleschen Brennpunktschule, bei dem sich nach Streitereien 40 Jugendliche mit Gürteln bewaffnet am Riebeckplatz getroffen hatten. Die Intervention der Jugendwerkstatt zielte auf eine Werteverschiebung ab, indem sie mit den Jugendlichen über die Bedeutung von Ehre sprach: ob es die Mutter eher ehre, wenn ihr Kind von der Polizei nach Hause gebracht wird, oder wenn es gute Noten in der Schule erzielt. „Seit den diesbezüglichen Gesprächen habe man dort keine Probleme mehr,” berichtete Goldenbaum.
Die Arbeit wird jedoch oft durch kulturelle und sprachliche Barrieren erschwert. Gerade bei ausländischen Eltern sei zwar der Wille zur Kooperation vorhanden, aber häufig mangele es an den Sprachkenntnissen. Goldenbaum berichtete von einem Fall, in dem ein betroffener Jugendlicher seinen Eltern einen Brief der Justiz mit der Begründung vorlegte, es ginge um die Klassenfahrt, um so die Unterschrift zu bekommen. Um solche Manipulationen zu verhindern, bietet die Jugendwerkstatt konkrete Hilfe: „Wir bieten auch Übersetzung an, damit die Kinder ihre Eltern nicht verarschen können.”
Anna Manser, Geschäftsführerin der Jugendwerkstatt gGmbH, bekräftigte die Notwendigkeit der sprachlichen Kompetenz: Sozialarbeiter kommen in die Familien rein, weil sie die Muttersprache sprechen. Sie betonte, dass dies wichtig sei.
Die schwindenden Plätze für Sozialstunden
Die Möglichkeit für Jugendliche, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen, stößt jedoch an eine Kapazitätsgrenze: die Verfügbarkeit von Plätzen für Sozialstunden.
Oberstaatsanwältin Susanne Helbig berichtete von einem positiven Fall eines Jugendlichen aus Somalia, der seine auferlegten Sozialstunden nicht nur als toll empfand, sondern sogar noch 50 Stunden draufsetzen wollte. Das Problem sei jedoch, so Helbig, ausreichend Plätze für die Ableistung von Sozialstunden zu finden. Die Situation verschärfe sich, da Schulverweigerer mittlerweile auch als Ordnungswidrigkeit zu Sozialstunden verpflichtet werden können. Dadurch stünden immer weniger Plätze zur Verfügung.
Diese Beobachtung bestätigt auch Anna Manser, Geschäftsführerin der Jugendwerkstatt gGmbH. Sie konstatierte: Sozialstunden werden immer weniger. Der Grund dafür liege im schwindenden Engagement von Firmen und Vereinen, die immer seltener bereit seien, Plätze anzubieten. Dies liege am Aufwand den sie im Vorfeld und der Betreuung betreiben müssen, so Manser.
Das neue Projekt des Schülergerichts in Halle stellt in dieser Gemengelage einen wichtigen Schritt dar, um die Jugendkriminalität mit pädagogischen Mitteln und einer direkten Einbeziehung der Jugendlichen selbst zu bekämpfen. Die Förderung des Justizministeriums stellt sicher, dass dieses „zentrale Puzzlestück” der Präventionskette in der Saalestadt implementiert werden kann – allerdings bleibt die Herausforderung der Sozialstundenplätze eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Sehr gutes und wichtiges Projekt, solche Maßnahmen sparen später viel Geld!
Ich arbeite mit deutschen und ausländischen Jugendlichen zusammen, egal wo die Menschen herkommen man merkt das früh handeln sich auszahlt und nicht warten bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Weiter so. Schön auch mal was positives zu lesen
Mega gutes Projekt, Halle soll ein Ort sein indem Jugendliche aller Nationen gefördert und gehört werden. Die Jugend ist die Zukunft.