Kurswechsel in Halle-Tornau: Finanzausschuss öffnet Weg für neues Gewerbegebiet – hitzige Debatte um Flächenverbrauch, JVA-Pläne und Steuerkraft

Mit knapper Mehrheit hat der Finanzausschuss der Stadt Halle am Dienstag eine politische Kehrtwende eingeleitet. In der Sitzung stimmten fünf Ausschussmitglieder für die Aufhebung eines Stadtratsbeschlusses aus dem Jahr 2019, der ein Gewerbegebiet im Stadtteil Tornau ausgeschlossen hatte. Vier Stimmen lehnten die Aufhebung ab, zwei Mitglieder enthielten sich. Sollte der Stadtrat dem Votum folgen, könnte die Fläche nun erneut für eine gewerbliche Nutzung geprüft werden – trotz erheblicher Bedenken aus der Bevölkerung.
Der Beschluss aus dem Jahr 2019 hatte Tornau vorerst vor der Umwidmung in ein Gewerbegebiet bewahrt. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Stadt haben sich seither jedoch deutlich verschärft – so zumindest die Sicht der Befürworter einer Neubewertung. Nun soll eine erneute Prüfung folgen, bei der Fragen der Infrastruktur, der Umweltverträglichkeit sowie die Nähe zur geplanten Justizvollzugsanstalt (JVA) berücksichtigt werden.
Für und Wider der Stadtratsfraktionen
Eric Eigendorf (SPD) zeigte sich skeptisch angesichts des Vorstoßes. Er plädierte dafür, den Entscheidungsprozess auszusetzen, bis das Land Sachsen-Anhalt klar Stellung zur geplanten JVA beziehe. „Sonst senden wir womöglich ein falsches Signal in Richtung Land“, warnte Eigendorf.
Auch Tim Kehrwieder (FDP) hinterfragte die Abstimmung: Wurde das Land ausreichend in die Überlegungen eingebunden? Laut Achmed Großer, dem Referenten von Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt, sei das Land informiert. Man befinde sich jedoch noch in einer umfassenden Prüfung, insbesondere was Infrastruktur und Mindestabstände zur möglichen JVA betreffe. Auch das Land prüfe, wie kompatibel ein Gewerbegebiet mit der Strafanstalt wäre.
Die Unterstützer des neuen Gewerbegebietes argumentierten mit den finanziellen Nöten der Stadt. „Uns steht das Wasser am Hals“, sagte Christoph Bergner (CDU). Man müsse neue Wege zur Stärkung der Wirtschaftskraft finden, so auch Alexander Raue (AfD), der den Standort nahe der Autobahn als „gut geeignet“ bewertete. Raue: „Wir werden schon nicht verhungern, wenn wir dort ein Gewerbegebiet ausweisen.“
Bodo Meerheim (Linke) hingegen warnte vor einer zu einseitigen Fokussierung auf neue Flächenversiegelung. Die meisten Gewerbesteuereinnahmen stammten ohnehin nicht aus dem Star Park, sondern aus anderen Bereichen der Stadt. Tornau sei bereits geprüft worden – neue Pläne dürften frühere Erkenntnisse nicht einfach ignorieren. „Wir pflastern unsere Erde zu, nur weil wir glauben, mit anderen Regionen konkurrieren zu müssen.“
Widerstand aus der Bevölkerung – Sorgen um Umwelt und Landwirtschaft
Auch in der Einwohnerfragestunde wurde deutliche Kritik laut. Peter Wenzel warnte vor einem weiteren Verlust wertvoller Ackerflächen – Tornau umfasse rund zehn Prozent der überhaupt nutzbaren Agrarfläche in Halle. Er zitierte Albert Einstein: „Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
Prof. Dr. Holger Deising, Agrarwissenschaftler an der Martin-Luther-Universität, schlug in die gleiche Kerbe. Er erinnerte daran, dass Deutschland täglich rund 90 Fußballfelder Boden versiegelt – ein ökologischer Irrweg. Gerade der Norden Halles sei ein Hotspot der Biodiversität. Dass ausgerechnet hier erneut ein Gewerbegebiet geprüft werde, sei ein „Armutszeugnis“. Millionenförderungen des Bundes für Biodiversitätsforschung in Halle würden so konterkariert.
Deising kritisierte auch die politische Dynamik hinter dem Vorstoß: Es sei traurig zu sehen, dass ein neuer Oberbürgermeister sofort alte Beschlüsse kippen will, ohne dass sich die Ausgangslage wesentlich verändert hat. Die Auslastung vieler bestehender Gewerbegebiete in Deutschland sei ohnehin unzureichend.
OB-Referent Achmed Großer betonte in der Sitzung mehrfach, dass es sich noch nicht um eine Entscheidung für ein Gewerbegebiet handele, sondern lediglich um eine sachliche Prüfung. Auch andere Flächen – etwa in Trotha – würden derzeit analysiert. Ziel sei es, fundierte Entscheidungsgrundlagen für den Stadtrat zu schaffen. „Wir müssen schauen, wie wir mehr Gewerbe nach Halle holen, um die Einnahmesituation zu verbessern.“
Wie geht es weiter?
Der Ball liegt nun beim Stadtrat. Sollte auch dieser die Aufhebung des 2019er-Beschlusses absegnen, könnte die Stadt eine offizielle Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Erst danach würde eine Entscheidung über die tatsächliche Ausweisung als Gewerbegebiet fallen – ein Schritt, der zahlreiche Genehmigungen, Umweltprüfungen und politische Mehrheiten erfordert.
Ein guter Tag für die Stadt. „trotz erheblicher Bedenken aus der Bevölkerung“ – das ist eine Falschdarstellung: wahr ist, dass die große Masse der Bevölkerung Tornau als Entwicklungsgebiet für die Stadt betrachtet, um unser Überleben zu sichern.
Es gibt in und am Rand von Halle genügend Fläche die entweder schon vorbereitet ist ( siehe Bruckdorf) oder leersteht ( siehe altes Metro Gelände, Gewerbegebiet Neustadt) und auch in der Innenstadt ist es so. Warum also wieder fleißig etwas zu betonieren und Gewerbe ansiedeln wenn es nicht notwendig ist, man auch nicht weiß ob überhaupt jemand dort über Jahre oder Jahrzehnte hinweg dies nutzt. Auch in Bruckdorf oder Neustadt ist eine Autobahnanschluss in der Nähe. Der Standort ist also egal wenn es der Stadt nur um neue “ Einnahmen“ geht. Hier sollten Stadtrat einfach einmal logisch aber auch Umwelt bezogen denken und entscheiden.
Also in Bruckdorf sind die Flächen zu klein für viele größere Ansiedlungen, zumal die gerne Reserven für Expansion haben.
Und das Erdbeerfeld in Bruckdorf soll wegen mangelnder Nachfrage in eine Einfamilienhaussiedlung umgewandelt werden.
Sagen Sie bitte auch, wer der Rechtsträger der von Ihnen benannten Flächen ist. Machen Sie mal die rechnung auf über Größe und Kosten, um dieser für die Stadt erwerben zu können. Sind die von Ihnen benannten Flächen größer als die Nutzfläche von Tornau? Wären sie mit weniger Kapitaleinsatz zu erschließen? Bitte um Antworten, keine Polemik.
Wie sieht es mit unserem Überleben aus mit kunftig noch mehr Hitze, Trockenheit, Starkregen und allen Folgen? Hilft das Gewerbegebiet dagegen?
Man muss jetzt endlich anfangen wirklich klimaschützend zu planen und zu handeln. Das sehe ich in Tornau nicht.
Wer A sagt, muss auch B sagen.
Wenn Sie weniger Wirtschaftkraft durch Gewerbe und Unternehmen vor Ort haben wollen, müssen Sie aber auch weniger Ausgagen für dem Klimaschutz akzeptieren.
Wollen Sie das? Wollen Sie die brutalsmögliche Zerstörung der Zukunft unser Kinder? Ist das Ihre Absicht?
Die Fläche hat überhaupt keinen Einfluss auf die Hitze in der Stadt, weil die dort entstehende Kaltluft am Ende nur der Saale folgt.
Und bei Starkregen müssen entsprechende Maßnahmen wie Regenrückhaltebecken geschaffen werden, welche dann eine Überforderung der Reide verhindern. (Acker kann auch nicht immer Wasser aufnehmen, man denke an die Überflutung der A14 bei Könnern im Sommer/Herbst 2011)
Wer den Kriegs- und Krisenkurs mitmachen und dabei gesetzmäßig unsere Lebensgrundlagen beschleunigt zerstören will, gefährdet unser Überleben erst recht. AfD und CDU, wahre Patriot*innen…
Warum werden die kommunalen Finanzen denn immer schlechter? Wohin gehen denn die ganzen Massensteuern?
Die meisten sind ohnehin Bundessteuern. Also ist Ihre Polemik hier fehl am Platz.
Alexander Raue (AfD): „Wir werden schon nicht verhungern, wenn wir dort ein Gewerbegebiet ausweisen.“ – Es geht doch nichts über braunen Sachverstand.
Gewerbegebiete fallen nicht kostenfrei vom Himmel. Wurde Tornau nicht „abgesagt“, weil die Erschließungskosten unverhältnismäßig hoch und nicht refinanzierbar waren?
Der Stadtrat hat 2019 beschlossen, dass in Tornau Prüfungen zu einem Gewerbegebiet gänzlich untersagt sind. Die Verwaltung möchte mit der Aufhebung des Beschlusses zumindest Prüfungen dort durchführen dürfen. Es sind wohl noch weitere Standorte in der Prüfung. Wenn der Stadtrat nächste Woche der Empfehlung des Finanzausschusses folgen sollte ist erstmal nur der Weg frei dort Prüfungen durchzuführen. Um ein Gewerbegebiet dann auch wirklich umzusetzen bräuchte es einen komplett neuen Gremienlauf, das dauert Jahre.
Wer hat sich denn bei der Abstimmung im Finanzausschuss enthalten? Und warum?
Der „Kurswechsel“ ist ein Unding und muss mit allen gesellschaftlichen Mögichkeiten für die Menschen in Halle und Tornau verhindert werden. Besonders erschreckend ist die fehlende wirtschaftliche und soziale Kompetenz und die förmlich zur Schau gestellte Verantwortungslosigkeit gegenüber den hier lebenden Menschen, die von Herrn Bergner (CDU) und von Herrn Raue (AFD) praktiziert wird. Als bräuchten wir noch ein unausgelastetes Gewerbegebiet mit einer Hand voll schlecht bezahlten Arbeitskräften, das unsere Zukunft verbaut.
Sie haben doch auch keine Idee. Sie nicht, die Linken nicht und die SPD auch nicht. Keiner hat eine realistisch umsetzbare Gegenstategie. Der Wähler hat das schon längst begriffen.
Also tönen Sie doch nicht rum, als ob nur Sie alles besser wissen.
Die Frage ist wirklich, wer hat wie entschieden?
Der FA besteht aus 11 Personen (Raue, Nistripke, Sehrndt (alle AfD), Bergner, Wünscher (beide CDU), Meerheim (Linke), Eigendorf (SPD), Lochmann (Grüne), Raabe (Volt/Mitbürger), Schachtschneider (Hautsache Halle), Kehrwieder (FDP/FW).
2 (wer?) haben sich enthalten, dem Bericht zur Folge war die Entscheidung eine „knappe Mehrheit), dem zur Folge 5:4. Bei Raue und Bergner wurde geschrieben, dass sie pro waren. Wer waren die anderen 3?
AFD/CDU vermutlich dafür, Linke, Grüne,MB/Volt + einer aus den Reihen HH, SPD, FDP dagegen.
„Wir werden schon nicht verhungern, wenn wir dort ein Gewerbegebiet ausweisen.“
Wir würden auch bei einer Vermögenssteuer nicht verhungern.