Ohne bezahlbare Mieten kein sozialer Friede in unserer Stadt

Halle wächst wieder. Dies ist erfreulich und Verdienst einer klugen Stadtentwicklungspolitik der letzten drei Jahrzehnte. Nachdem die Stadt zwischen 1990 und 2010 rund ein Viertel seiner Einwohner verloren hatte, hat sie seitdem in kleinen Schritten wieder zulegen können. Sie wächst zwar dabei beispielsweise nicht in dem Tempo von Leipzig, dennoch sind die Herausforderungen vergleichbar. Mittlerweile findet eine Ausdifferenzierung innerhalb der Stadtgrenzen statt – vor allem in sozialer und demografischer Hinsicht. Insbesondere die Altstadt und die meisten gründerzeitlichen Stadterweiterungsgebiete haben eine überdurchschnittliche Preisentwicklung vollzogen. Die Kaltmieten im Geschosswohnungsbau liegen in der Altstadt, der nördlichen Innenstadt sowie Paulus- und Giebichensteinviertel mit den Angebotsmieten im Schnitt zwischen 6,51-8,00 Euro/m² über dem städtischen Durchschnitt von 6,07 Euro/m². (https://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Halle-Saale/7771). Die Erstvermietung liegt dort nach Sanierung oder Neubau sogar noch weit höher. Zum Vergleich: Für die angemessenen Unterkunftskosten (KdU) bezahlt die Stadt für einen 1-Personen-Haushalt aber nur 6,05 Euro/m² (bis 50 m²).
Eine Entwicklung, die bereits seit einigen Jahren verläuft. Diese Stadtteile sind somit für die Leistungsbeziehenden in der Grundsicherung bzw. von Personen mit kleinen Einkommen zu teuer geworden. Gleichzeitig ist die Sanierungstätigkeit in den innenstädtischen Lagen am stärksten. Die mittlerweile hohen energetischen Standards in der Gebäudesanierung und im Neubau treiben in Halle die Angebots- bzw. Neumieten in schwindelerregende Höhen. Meines Erachtens muss es um die Dämpfung von Sanierungskosten gehen und eine Verpflichtung der kommunalen Wohnungsgesellschaften erreicht werden, einen bestimmten Prozentsatz der Wohnungen in den nachgefragten Stadtteilen innerhalb der KdU-Grenzen zu halten. Und zwar über alle KdU-Grenzen hinweg (1-6 Personen). Möglicherweise auch durch eine Reduzierung der Gewinnabführungen der städtischen Wohnungsgesellschaften an den Stadthaushalt, um der sozialen Dimension in der Stadtentwicklung gerecht zu werden. Bei der Dämpfung der Sanierungskosten ist der Gesetzgeber gefragt!
Ohne sozialen Wohnungsbau und bezahlbaren Mieten für alle Teile der Stadtgesellschaft wird kein dauerhafter sozialer Friede in unserer Stadt gelingen. Eine Stadtentwicklungspolitik, die auf der Logik maximaler Immobilienverwertungsstrategien basiert, ist zwar aus kapitalistischer Sicht richtig, aber die langfristigen sozialen Folgekosten werden die kurzfristigen Gewinne übersteigen. Eine solche Politik ist zum Scheitern verurteilt.
Die Stadt Halle ist gefordert mittels einer eigenen Wohnungs- und Immobilienpolitik der Mietpreisverschärfung und den Tendenzen der Ausgrenzung von Milieus in den angespannten Teilwohnungsmärkten eine Gegenstrategie zu betreiben: Dem Verkauf von bebauten und unbebauten Grundstücken aus städtischem Eigentum nach Höchstgebot fehlt zurzeit eine soziale Komponente. Die Stadt muss stärker das Instrument der Konzeptvergabe nutzen und einen Teil der Wohnfläche mit einer Sozialmietbindung koppeln. Eine solche soziale Komponente kann auch mit der Kommunalaufsicht vereinbart werden.
Der Stadt bleibt zurzeit nur die Möglichkeit eigene kommunale Maßnahmen zu ergreifen, die die gegenwärtig stattfindende Entkopplung der Angebots- von den Bestandsmieten bremsen können. Dazu zählt kein weiterer Abriss von im Stadtumbau Ost ursprünglich vorgesehenen Wohnungsbeständen. Ebenso konsequente Lückenschließungen und Nachverdichtungen im geschlossenen Innenbereich – bei strikter Einpassung in ihre Umgebungsbebauung. Zusätzlich muss in Halle weiteres Bauland ausgewiesen und ein öffentlich einsehbares Baulandkataster für Bauwillige nach jenaer Vorbild geschaffen werden.
(Gastbeitrag von Roland Hildebrandt)
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