170.000 Unterschriften gegen den Lehrermangel werden gesammelt

Gewerkschaften, Eltern, Schülern und Parteien reicht der ständige Unterrichtsausfall in Sachsen-Anhalt. Aus diesem Grund sammelt die Volksinitiative „Den Mangel beenden – Unseren Kindern Zukunft geben“ ab Mittwoch 170.000 Unterschriften. Ziel ist es, ein eigenes Gesetz durchzuboxen und damit die Landesregierung zum Handeln zu zwingen.
In Halle sollen am Donnerstag Unterschriften persönlich gesammelt werden. Der Infostand steht von 10 bis 12 Uhr vor Deichmann am Markt, ebenfalls 10 bis 12 Uhr vor Edeka in der Diesterwegstraße und von 15 bis 17 Uhr an der Straßenbahn-Endstation in Trotha.
„Der Start der Unterschriftensammlung der Volksinitiative ist ein Ausdruck gelebter Demokratie und Bürgerbeteiligung in unserem Land. Uns eint das Ziel, möglichst besten Bedingungen für die beste Bildung in Sachsen-Anhalt zu ermöglichen“, sagt Bildungsminister Marco Tullner. „Dieses Ziel wird aber nicht mit der Brechstange zu erreichen sein. Das Land hat in den vergangenen Jahren mehr als 3.200 Lehrkräfte eingestellt. Die Ausbildungskapazitäten wurden in allen Bereichen spürbar erhöht. Darüber hinaus wurden die Einstellungsvoraussetzungen erheblich flexibilisiert sowie Möglichkeiten des Seiten- und Quereinstiegs in den Lehrerberuf geschaffen. Auch derzeit stehen Einstellungskapazitäten zur Verfügung, die kontinuierlich ausgeschrieben werden.“ Es mangele nicht an Ressourcen, sondern an geeigneten Bewerbern, meint Tullner. Das werde sich auch mit einem festen Betreuungsschlüssel nicht ändern. Außerdem würde der Gesetzentwurf der Initiative erhebliche zusätzliche Einstellungsbedarfe zu einem festen Stichtag nach sich ziehen. „Zusätzlich zu den jährlich notwendigen ca. 1.000 Stellen müssten nach unseren aktuellsten Berechnungen etwa 2.700* Stellen für pädagogische Fachkräfte besetzt werden. Wie diese Bedarfe gedeckt werden sollen, lassen die Initiatoren offen“, so Tullner.
Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt und Sprecherin im Bündnis, unterstrich die Bedeutung eines erfolgreichen Volksbegehrens für eine positive Entwicklung an den Schulen: „Überall im Land stöhnen die Schulen über großen Personalmangel. Natürlich liegt das auch daran, dass es keine verlässlich vorgegebenen Zahlen für die Ausstattung des Schulsystems bei einer bestimmten Schülerzahl gibt. Das ermöglicht dem Bildungsminister und der Landesregierung, die Bedarfe willkürlich zu kürzen, den Mangel umzuverteilen sowie zukünftige Ausbildungs- und Einstellungszahlen kleinzurechnen. Unser Gesetzentwurf macht mit diesen unverantwortlichen Spielereien Schluss. Er schreibt feste Größen für das so dringend benötigte Personal vor. Davon werden zukünftige Schülergenerationen deutlich profitieren.“Annette Kirstein, Mitinitiatorin der Elternrat-Initiative „Bildung in Not“ und Vertreterin des Bündnisses, ergänzte: „Seit zehn Jahren steigen in Sachsen-Anhalt die Schülerzahlen. Seit fünf Jahren stehen immer weniger Lehrer vor immer mehr Schülern.“ Verbindliche Personalschlüssel im Schulgesetz hätten diesen gravierenden Lehrermangel rechtzeitig verhindert. Die im Volksbegehren angestrebten Personalschlüssel gälten landesweit und schulformbezogen. „Keine Schule muss aufgrund des Personalschlüssels geschlossen werden“, so Kirstein. Entscheidend sei lediglich, wie viele Pädagogen für alle Schüler in einer Schulform zur Verfügung stehen. „Die Anzahl an Schulen pro Schulform ist für das Erreichen des landesweiten Personalschlüssels vollkommen irrelevant.“Thomas Jaeger als Sprecher des Bündnisses für den Landeselternrat Sachsen-Anhalt formulierte die Sicht vieler Eltern: „Turnhallenpädagogik, Zusammenlegungs- und Beaufsichtigungsmanagement in unseren Schulen sowie durch Unterrichtsausfall durchlöcherte Stundenpläne müssen wieder ein Tabu werden.“Der frisch wiedergewählte Vorsitzende des Landeselternrates, Matthias Rose, ergänzte: „Wir stehen an den Schulen vor einer Situation des Personalmangels, die man sich noch vor wenigen Jahren so nicht hätte vorstellen können. Insofern sehe ich zumindest auf die Zahl der erforderlichen Unterschriften voller Optimismus. Die Eltern und Großeltern unserer Schüler, aber auch die Wirtschaft unseres Landes wollen diese Situation so nicht länger hinnehmen. Dennoch betrachten wir die Sammlung der Unterschriften mit ihren Formalien und dem engen Zeitfenster mit dem nötigen Ernst.“Bei der Durchführung eines Volksbegehrens sind bürokratische Hürden zu beachten. So werden etwa mehrere Unterschriften auf einem Bogen nur dann zugelassen und gezählt, wenn die Unterschreibenden in derselben Meldebehörde registriert sind. Auf jedem Unterschriftsbogen muss also genau eine Meldebehörde eingetragen werden. Die Meldebehörden sind die Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Entsprechende Hinweise und eine Übersicht über alle Meldebehörden befinden sich in dem Unterschriftsmaterial.
„Dem freien Fall bei der Lehrkräfteversorgung der Schulen und dem drohenden Ende der Schulsozialarbeit muss endlich ein klares Stopp-Zeichen entgegengesetzt werden. Mit der Initiative zu einem Volksbegehren beschreitet das Bündnis „Den Mangel beenden! Unseren Kindern Zukunft geben!“ den richtigen und einen erfolgversprechenden Weg“, erklären der Landesvorsitzende der LINKEN, Stefan Gebhardt und der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Landtag, Thomas Lippmann. Man setze sich schon seit vielen Jahren für eine bessere Personalausstattung der Schulen mit Lehrkräften, pädagogischen Mitarbeiter und Schulsozialarbeiter ein. Man habe auch in einer Vielzahl von Anträgen im Landtag immer wieder die Erweiterung der Ausbildung und der Finanzierung gefordert. „Die Landesregierung hat bisher alle Warnungen und Forderungen ignoriert und sehenden Auges den bisher beispiellosen Niedergang des Schulsystems zugelassen.“
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