“Alarmstufe Rot”: Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt fordern Stopp des “kalten Strukurwandels” – jeden Monat verlieren die Kliniken im Land 17 Millionen Euro, Insolvenzen drohen
In einem offenen Brief schlagen Sachsen-Anhalts Krankenhäuser schlagen Alarm. Im Rahmen einer Mitgliederversammlung der Krankenhausträger des Landes Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) wurde das Schreiben an Sozialministerin Petra Grimm-Benne übergeben. Darin fordern die Kliniken des Landes, den kalten Strukturwandel sofort zu stoppen.
In dem Brief heißt es: „Die seit Beginn des Jahres 2022 in Sachsen-Anhalts Krankenhäusern aufgelaufene Deckungslücke beträgt trotz der Energiehilfen des Bundes mittlerweile rund 350 Millionen Euro. Die vom nächsten Jahr an wirksam werdenden hohen Tarifabschlüsse werden diese Krise weiter verschärfen. Es wird Kliniken geben, die schon das kommende Jahr nicht mehr erleben, weil die Geschäftsführungen wegen negativer Fortführungsprognosen in den Jahresabschlüssen gezwungen sind, einen Antrag auf Insolvenz zu stellen.“ Jeden Monat müssen die Kliniken in Sachsen-Anhalt 17 Millionen Euro aus eigenen Mitteln aufbringen, um die Patientenversorgung sicherzustellen.
“Wir sind in einer sehr problematischen Situation”, sagte Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte, Vorsitzender der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. Die Bundespolitik nehme das Sterben von Krankenhäusern bewusst in Kauf. Gegen die massiven Preissteigerungen habe man keine Chance als Kliniken. Zudem bekommen die Krankenhäuser keinen Inflations- und Tarifkostenausgleich, stattdessen gebe es eine Deckelung – und diese Regelung gehöre auf den “Müllhaufen der Vergangenheit.” Denn die derzeitigen Finanzierungssysteme seien nicht für Extremsituationen gemacht. “Die Zeiten sind aber alles andere als normal”, so Schütte. Man wolle und müsse sich wehren, das sei man den Bürgern und Patienten schuldig. “Die finanziell prekäre Lage der Kliniken wird auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen, die die hohen Belastungen nicht mehr auffangen können. Viele Beschäftigte wechseln auf Teilzeitstellen, manche sogar den Beruf. Und immer öfter werden wir gefragt, wie lange das Krankenhaus noch existiert. So geht das nicht weiter!”
Noch immer herrsche „Alarmstufe ROT“. Eine Einigung zwischen Bund und Länder zu einem Vorschaltgesetz zur Krankenhausreform, das den Kliniken wirtschaftliche Sicherheit geben könnte, ist gescheitert. „Das können und wollen wir nicht akzeptieren. Wir verlangen nichts weiter als die Einlösung des gesetzlich verbrieften Anspruchs der Krankenhäuser auf eine angemessene Refinanzierung der unabweisbaren Kosten im Zusammenhang mit der Patientenversorgung“, so Schütte. „Geschieht dies nicht, werden einige Krankenhäuser die Reform nicht mehr erleben. Die Insolvenz der Lungenklinik Ballenstedt ist ein Warnsignal dafür, dass das Kliniksterben auch in Sachsen-Anhalt bereits begonnen hat.“
Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne sprach sich auch gegen die vom Bund geplante Einteilung der Kliniken nach Leveln aus. Das gehe zulasten kleinerer Krankenhäuser. Bei den Patienten dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass sie bei Krankenhäusern mit niedrigerem Level eine schlechtere Versorgung bekommen. Dadurch werden die Menschen in große Häuser getrieben, so Grimm-Benne. “Die Einführung von Leveln nicht zielführend.” Es werde dadurch auch immer schwieriger, in kleinen Krankenhäusern noch Fachpersonal wie Ärzte und Pfleger zu halten. Die Krankenhausreform müsse man mit dem Krankenhausgutachten des Landes Sachsen-Anhalt kompatibel machen. Grimm-Benne stellte klar: “Ich stehe zu den Standorten im Land.” Diese seien für eine Gewährleistung der wohnortnahen Versorgung nötig. Wie auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist Grimm-Benne SPD-Ministerin. Doch ihren Widerstand gegen den Bund begründet sie damit, dass Landesinteressen höher zu werten seien als Parteiinteressen.
Da die Preissteigerungen der Kliniken für das Jahr 2023 bei 4,37 Prozent gesetzlich gedeckelt sind, haben die Krankenhäuser keine Möglichkeit, diese weiterzugeben. So wird die Schere zwischen Kosten und Erlösen der Kliniken im Land immer größer: von 2019 bis 2023 stiegen die Krankenhauskosten um 23 %, aber nur 13 % wurden über den Landesbasisfallwert refinanziert. 2024 beträgt das Verhältnis Kosten-Erlöse bereits 30 % zu 17 %. Zudem klafft in Sachsen-Anhalt immer noch eine Investitionslücke von ca. 1,5 Milliarden Euro (ohne Unikliniken), weil das Land seiner gesetzlichen Verpflichtung nach vollständiger Finanzierung der Krankenhausinvestitionen seit Jahrzehnten nicht nachkommt.
Jeden Tag verlieren die Kliniken in Sachsen-Anhalt 564.648 Euro. Zur Illustration dieser drastischen Zahl läuft auf der Homepage der KGSAN eine Defizituhr (www.kgsan.de ), die deutlich macht, wie verheerender die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser Tag für Tag wird.
Der Brief der Krankenhäuser ist indes mehr als ein Hilferuf. Er ist eine dringliche Aufforderung zum Handeln, damit die Zusicherung der Landesregierung, alle 54 Klinikstandorte erhalten zu wollen, nicht zu einem leeren Versprechen verkümmert. „Diese Sorge ist durchaus berechtigt“, konstatierte Schütte, „denn mit der Schließung der Lungenklinik Ballenstedt wird es ab Januar 2024 nur noch 53 Klinikstandorte in Sachsen-Anhalt geben.“
Vor der Übergabe ihres Briefes machte die KGSAN auf das bundesweite Krankenhaussterben mit einer Videoshow aufmerksam: Zur Mitte des Jahres 2023 mussten bereits dreimal so viele Krankenhausstandorte Insolvenz anmelden wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres und fünfmal so viele wie im gesamten Jahr 2021.
Unterschrieben haben den Brief unter anderem die Uniklinik Halle, das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara, das Krankenhaus Martha Maria in Dölau und das Diakoiekrankenhaus Halle.
Offener Brief:
Sehr geehrte Frau Ministerin,
wir, die Träger der Krankenhäuser Sachsen-Anhalts wenden uns heute an Sie in tiefer Sorge um die Aufrechterhaltung der flächendeckenden Krankenhausversorgung in unserem Bundesland.
Wir wenden uns nicht gegen die zwischen Bund und Ländern konsentierte Krankenhausreform. Wir sprechen uns ausdrücklich für eine qualitätsorientierte Weiterentwicklung der Krankenhauslandschaft aus und sind bereit, möglicherweise auch schmerzhafte Strukturanpassungsprozesse unterstützend zu begleiten. Spezialisierung, Netzwerkbildung und eine patientenverständliche Qualitätsberichterstattung sind für unsere Krankenhäuser gelebte Wirklichkeit und werden dies selbstverständlich auch zukünftig sein.
Unsere akute Sorge gilt dem kalten Strukturwandel der Krankenhauslandschaft und dem damit verbundenen Verlust an bedarfsnotwendigen Versorgungsstrukturen. Dabei geht es nicht nur um die Kapazitäten der stationären Patientenversorgung, sondern auch um die Notarztversorgung, um die ambulante Notfallversorgung, um regionale Pflegeschulen und um ärztliche Weiterbildungsstellen, die durch Insolvenzen der Krankenhäuser in ihrer Existenz bedroht sind.
Hintergrund für diese größte wirtschaftliche Krise der Krankenhauslandschaft in Deutschland sind die rasant gestiegenen Personal- und Sachkosten seit Jahresbeginn 2022 und die hierfür fehlende Refinanzierung im Krankenhaussystem. Aktuell müssen die Krankenhausträger jeden Monat rund 17 Millionen Euro an eigenen Mitteln aufbringen, um die Patientenversorgung in Sachsen-Anhalt aufrecht zu erhalten. Bei dieser Berechnung sind die vom Bund ausgezahlten bzw. noch auszuzahlenden Energiepreishilfen bereits berücksichtigt. Viele Krankenhausträger verfügen nicht mehr über ausreichend Liquidität, um Rechnungen sowie Löhne und Gehälter absehbar bezahlen zu können. Der Bundesgesundheitsminister nimmt das wissentlich in Kauf und die Länder schauen hilflos zu.
Wir wollen keine Rettungspakete und keine Almosen, wir fordern die Einlösung des gesetzlich verbrieften Anspruchs der Krankenhäuser auf eine angemessene Refinanzierung der unabweisbaren Kosten im Zusammenhang mit der Patientenversorgung. Unsere Kliniken versorgen im Auftrag und auf der Grundlage eines rechtsverbindlichen Feststellungsbescheids Ihrer Behörde die Versicherten der gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Die dafür erforderlichen finanziellen Mittel werden von den Krankenkassen aber nicht zur Verfügung gestellt, weil wir uns in einem politisch gedeckelten Preissystem bewegen.
Die seit Beginn des Jahres 2022 in Sachsen-Anhalts Krankenhäusern aufgelaufene Deckungslücke beträgt trotz der Energiehilfen des Bundes mittlerweile rund 350 Millionen Euro. Die vom nächsten Jahr an wirksam werdenden hohen Tarifabschlüsse werden diese Krise weiter verschärfen. Es wird Kliniken geben, die schon das kommende Jahr nicht mehr erleben, weil die Geschäftsführungen wegen negativer Fortführungsprognosen in den Jahresabschlüssen gezwungen sind, einen Antrag auf Insolvenz zu stellen.
Im Interesse der Patientinnen und Patienten sowie der Beschäftigten in den Krankenhäusern können wir nicht akzeptieren, dass der Staat seine gesetzliche Verpflichtung zur angemessenen Refinanzierung der von ihm beauftragten Krankenhausleistungen dauerhaft ignoriert und die Krankenhäuser damit zwingt, für die Patientenversorgung dringend benötigtes Personal abzubauen und Standorte zu schließen. Die Insolvenz der Lungenklinik Ballenstedt ist nicht zuletzt ein Warnsignal dafür, dass das Kliniksterben auch in Sachsen-Anhalt bereits begonnen hat.
Vor dem Hintergrund des gesetzlichen Sicherstellungsauftrags werden Städte und Landkreise zunehmend vor der Frage stehen, wie sie den Zusammenbruch bedarfsnotwendiger Krankenhausstrukturen in ihren Regionen verhindern können. Das wird angesichts der Finanzlage der Kommunen sicher nur in Einzelfällen und keinesfalls dauerhaft möglich sein. Wenn wir aber die Frage des Vorhandenseins bedarfsnotwendiger Gesundheitsversorgung von der Finanzausstattung der einzelnen Städte und Landkreise abhängig machen, wird es ohne Zweifel nicht möglich sein, in dieser für die Menschen existenziellen Frage gleichwertige Lebensbedingungen aufrecht zu erhalten.
Sehr geehrte Frau Ministerin,
wir bitten Sie dringend, sich im Namen aller Krankenhäuser Sachsen-Anhalts dafür einzusetzen, dass die bedrohliche Lage der Krankenhäuser politisch wertschätzend und verantwortungsbewusst zur Kenntnis genommen wird und die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen den fortschreitenden kalten Strukturwandel kraft ihrer gesetzgeberischen Befugnis endlich stoppen.
“Wir sind in einer sehr problematischen Situation”, sagte Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte, Vorsitzender der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. Die Bundespolitik nehme das Sterben von Krankenhäusern bewusst in Kauf.“
Dieser Satz stimmt!
Aber das ist halt der Preis der Solidarität!
Das muß man doch aushalten.
Sind es nicht diese Wehklager, die gegen das ‚böse‘ große Ostreich wettern?
Und den Gas-Lebensadernsprengern folgen!
Haben wir nicht 2015 ff. gelernt, dass Deutschland ein sagenhaft reiches Land ist. Und daß Deutschland die beste Regierung und die beste Kanzlerin aller Zeiten hat. Und daß es den Deutschen noch nie so gut ging wie heute!
Und jetzt? Arm wie die Kirchenmäuse?
Frage: Was ist seit 2015 passiert, daß das Land so vor die Hunde gegangen ist?
Das „Land“ geht nicht erst seit 2015 „vor die Hunde“. Ein großer Verdienst gebührt den Langzeitkanzler*in Kohl/Merkel, die alle Probleme nur ausgesessen haben und null Reformen auf den Weg gebraucht haben, um die dummen „bloß nichts ändern“ Wähler*in nicht zu vergraulen. Und das wird sich bei dem dummen Stimmvieh auch nicht ändern.
Der links-grüne Helmut lacht im Jenseits.
Das waren echte Koryphäen im Vergleich zu den heutigen Akteuren! Authentisch, berechenbar, unaufgeregt und die aktuellen Probleme haben mit den beiden 0,0 zutun. Wir können dabei noch froh sein, dass nicht die ganzen ungedienten „Militärexperten“ a la Baerbock, Lang, Nouripur, Strack-Zimmermann, Hofreiter, Habeck, so richtig am Ruder stehen.
Das darf man nicht laut sagen. Geschweige denn schreiben.
Zu wenig Kranke , sprich keine Nachfrage . So wird gesund geschrumpft .
Eben. Vor kurzem war in der MZ ein Artikel zu lesen, der aufzeigte, dass die Zahl der Krankenhauspatienten seit Jahren zurückgeht. Dem entsprechend muss eben auch die Zahl der Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt reduziert werden.
Aber wir müssen doch verstehen, dass sich der Gesundheitsminister nicht um solche Nebensächlichkeiten wie die Gesundheit der Bürger kümmern kann. Hitzetote, Coronaimpfung und Cannabisfreigabe hat schließlich Priorität. Und natürlich Talkshowauftritte, um seine Lügen zu verbreiten.
Wer anderes behauptet, muss räääächts sein.
Privatisierung Ahoi!
„kgsan“ Frauenquote ?
Grimm Benne stand doch neben Lauterbach auf der Bühne und
hat applaudiert wie dieser ungeimpftes Personal beschimpft hat.
Sie hätte sich lieber um die wirklichen Probleme kümmern sollen,
die Dame aus Wuppertal.
https://www.youtube.com/watch?v=6Wcd84SDDBo
Kaum soll es an das Eingemachte gehen, schon jammert die Lobby-Vertretung unter dem Deckmantel der Patientenschaft.
Es geht hier bei der Reform gerade um Patienten, damit diese möglichst keinen Pfuschern ausgesetzt sind, sondern ausschließlich spezialisierten Krankenhäusern.
„jeden Monat verlieren die Kliniken im Land 17 Millionen Euro, Insolvenzen drohen“
Ich verstehe nicht, warum man die defizitären Krankenhäuser nicht einfach schließt. Dann können auch die erfolgreichen Einrichtungen profitabler arbeiten.
Welche Einrichtungen sind das die profitabel sind?
Wo ist die Behandlung am teuersten wo kann man als Patient am meisten sparen? 🙂 🙂 🙂
Oder haben etwas alle Einrichtungen die selben „Preise“ und daher auch dieselben Probleme?
Denkst du auch nach bevor du auf Kommentar abschicken drückst?
Ein Aufschrei auf ein Stück Papier vortragen bringt nichts. Der Aufschrei muss laut und deutlich auf der Straße gezeigt werden.
„Der Aufschrei muss laut und deutlich auf der Straße gezeigt werden.“
Robert,
warum und was sollte das ändern? Es steht Ihnen frei, selbst ein Krankenhaus zu gründen.
Gäbe es weniger Abrechnungsbetrug oder völlig sinnfreie Behandlungen, wäre genug Geld da. Strafverfolgung und Gebührenregresse müssen gerade jetzt intensiviert werden! Villen und Yachten zu finanzieren ist nicht die Aufgabe von Beitragszahlern. Dazu sagt diese Interessenvertretung nur nichts. Das ist bezeichnend. Sie denkt tatächlich, alles lässt sich mit noch mehr Geld regeln.
So ist es. Jeder Patient sollte eine Rechnung zur Kontrolle bekommen und damit er weiß was seine Behandlung kostet.
Und wann sollen die Ärzte dich behandeln ,wenn die Ärzte nur noch am schreiben sind ?
Die KK werden auch immer geiziger.