Arme Stadtteile – reiche Stadtteile: in Halle ist die Segregation bundesweit am Dritthöchsten

Heftige Kritik an der vorherrschenden Wohnungspolitik in Halle hat der Uni-Professor und Soziologe Reinhold Sackmann am Donnerstag im Jugendhilfeausschuss geübt. So habe sich in den vergangenen 15 Jahren das Problem der Segregation verstärkt, also die fehlende soziale Durchmischung.
Zwar ist insgesamt über das Stadtgebiet die Kinderarmutsquote zurückgegangen. In bestimmten ärmeren Stadtteilen sei sie aber weiter angestiegen. Demnach gibt es im Südpark in Halle-Neustadt eine Kinderarmutsquote von fast 73 Prozent, ein Anstieg innerhalb von 6 Jahren um mehr als 10 Prozent. Auch in der Silberhöhe liegt die Kinderarmutsquote mit 62 Prozent deutlich über dem stadtweiten Durchschnitt, während sie beispielsweise in der Frohen Zukunft bei 3,1 Prozent liegt. Denn Familien ohne viel Geld werden in bestimmten Stadtteilen konzentriert. „Die bisherige Wohnungspolitik der Stadt hat das Problem verstärkt“, so Sackmann.
Dabei könnte die Stadt mit einfachen Mitteln entgegenwirken. Dazu zählen beispielsweise die „Kosten der Unterkunft“. Sackmann schlägt deshalb vor, dass die Stadt hierzu ein Konzept erarbeitet. Bei den Transferleistungsempfängern übernimmt der Staat die Mietkosten, aber eben nur bis zu einer bestimmten Höhe. Und das hat zur Folge, dass die Menschen ohne viel Geld in günstigen Wohnungen in bestimmten Stadtteilen wie dem Südpark oder der Silberhöhe untergebracht werden, während die Mietkosten in anderen Stadtteilen nicht in der dort anfallenden Höhe übernommen werden. „Es ist nicht einleuchtend, warum die Konzentration zugelassen wird“, so Sackmann. „Wir zwingen die Leute dort zu wohnen.“ Sackmann empfiehlt deshalb, dass im Rahmen der Kosten der Unterkunft keine Familie im SGBII-Bezug mehr gezwungen wird, in Stadtteile mit einer Kinderarmutsquote von mehr als 50 Prozent zu ziehen. Außerdem soll dort lebenden Familien erlaubt werden, in andere Stadtteile zu ziehen, wenn die Miete dort nicht mehr als 15 Prozent über der Angemessenheitsgrenze liegt.
Die sogenannte „Flüchtlingskrise“ habe das Problem noch einmal verstärkt. „Fast alle Ausländer sind in den ärmeren Stadtteilen angekommen“, so Sackmann. Je höher die bestehende Hartz IV-Quote im Stadtviertel ist, desto höher ist auch der Ausländeranteil. Der Anstieg zwischen den Jahren 2014 und 2017 liegt in Stadtteilen mit fast keinen Hartz IV-Empfängern in Halle bei 0,03 Prozent, während er in Hartz-IV-Gegenden bei mehr als 8 Prozent liegt. Mit dieser Verteilquote erreicht Halle bei den Großstädten nach Gelsenkirchen den zweithöchsten Wert. Insgesamt erreicht die Saalestadt bei der Segregation, also der „Trennung“ der Bevölkerung in ärmere und gutsituierte Stadtteile, nach Rostock und Erfurt den dritten Rang. Das liege laut Sackmann auch daran, dass es in Ostdeutschland so gut wie keinen sozialen Wohnungsbau gibt. Westdeutschen Kommunen ist es in der Vergangenheit durch die Schaffung von Sozialwohnungen gelungen, eine bessere soziale Durchmischung zu schaffen.
Und Sackmann warnt vor den Folgen der Segregation. So gebe es eine schlechtere kognitive Entwicklung beim Lesen und der Mathematik, eine höhere Jugendkriminalität, eine höhere Zahl von Schulabbrüchen und eine größere Gefahr, später selbst einmal zum Empfänger von Transferleistungen zu werden.
Eine Entwicklung, die Beate Gellert (Hauptsache Halle) als Chefin des Kinder- und Jugendhauses bestätigen kann. „Wir haben dort oft schon die dritte Generation von Transferleistungsempfängern.“ Und Carsten Heym (AfD) sieht hier die Gesamtschulen als einen guten Punkt, für eine bessere soziale Durchmischung zu sorgen. Er regte deshalb an, für nachmittägliche Programme und Aktivitäten an den Gesamtschulen mehr Mittel bereit zu stellen.
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