Fragen an die Direktkandidierenden zur #ltwlsa21: die Antworten von Katja Raab, FDP


- Stellen Sie sich bitte in drei Sätzen kurz vor.
Mein Name ist Katja Raab, ich bin in Halle geboren und bin von Beruf Diplom Sozialpädagogin. Liberale Politik beschäftigt mich seit 2002 wechselnd beruflich und ehrenamtlich. Privat gehört meine Aufmerksamkeit dem Pferdesport und halleschem Eishockey.
- Nennen Sie bitte jeweils drei Ihrer Stärken und Schwächen.
Stärken: Verantwortungsbewusstsein, Durchsetzungsfähigkeit, Empathie
Schwächen: Ungeduld, Verbissenheit, Direktheit - Warum soll man Sie wählen?
Mit mir bekommt man eine Kämpferin für die Sachen, von denen ich überzeugt bin oder werde. Ich bin nicht opportunistisch und wechsle nicht die Meinung je nach äußeren Umständen. Ich komme frisch von außen und habe somit noch einen objektiven Blick auf den Landtagsbetrieb ohne in gewachsenen Strukturen abhängig zu sein. Dabei bin ich aber nicht unerfahren, weil ich beruflich in einer politischen Stiftung in den letzten Jahren zum Politikbeobachter geworden bin. Außerdem konnte ich den Magdeburger Politikbetrieb durch meine Arbeit im Ministerbüro des Sozialministeriums Anfang der 2000er Jahre live miterleben.
- Verkehr
a. Wie muss sich der ÖPNV in Halle und dem Umland entwickeln? (Weiterer Ausbau, Taktverdichtung, ÖPNV kostenlos / 365€-Ticket, bessere Anbindung ländlicher Gebiete)
Das Angebot muss für den Nutzer attraktiv sein. Um Autofahrer zu überzeugen, muss die Nutzung unkompliziert sein, Tarife leichter überschaubar und die Kombination mit anderen Verkehrsmitteln leichter möglich sein. Derzeit gibt es noch zu viele Informationserfordernisse, wenn man selten oder erstmalig den ÖPNV nutzen will. Lösung wäre hier eine App, in der man nicht nur die Fahrt bezahlt, sondern auch noch Fahrzeit- oder Routeninformationen bekommt, den Parkplatz fürs Auto bezahlen kann, um mit der Bahn weiter zu fahren und Leihfahrräder oder Mietwagen/Carsharing-Autos nutzen kann. Alles aus einer Hand. HAVAG, OBS und MDV sollten enger zusammenarbeiten und sich sinnvoll ergänzen. Die Nutzung des ÖPNV muss deutlich preiswerter werden, um Autofahrer zu gewinnen. Das kann nur ganz oder teilweise steuerfinanziert sein. Eine Verteuerung des Autos durch mehr Steuern oder Benzinpreise lehne ich ab. Die Kosten befinden sich bereits an der Grenze des Verträglichen für Menschen, die darauf angewiesen sind. Damit der ÖPNV eine Lösung auf Klimafragen wird, muss die Flotte umweltfreundlich werden.
b. Wie stehen Sie zum Konzept einer autoarmen Altstadt?
Das aktuell Im Stadtrat beschlossene Konzept lehne ich ab. Es würde zu einer schlechteren Erreichbarkeit der Altstadt (und somit der Geschäfte, Dienstleister und Ärzte) für Auswärtige führen, zu noch mehr Parkdruck für Anwohner und zu klimaschädlichem Ausweichverkehr durch Parkplatzsuche und die geplante Einbahnstraßenregelung um den Ring. Die Innenstadt ist zu unattraktiv, um noch mehr Kundenverluste kompensieren zu können. Der Vergleich mit Leipzig hinkt. Dort gibt es rund um die Autofreie Zone deutlich mehr Parkmöglichkeiten als es in Halle baulich jemals möglich wären. Auswärtige Autofahrer haben dort trotzdem kurze Wege.
- Wirtschaft
a. Wie stehen Sie zu einer stärkeren Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle und der damit einhergehenden Zunahme von Flugbewegungen?
Der Flughafen Leipzig/Halle ist ein Segen für die Region. Zahlreiche Ansiedlungen mit hochwertigen Arbeitsplätzen gibt es in der Region nur wegen des Flughafens. Hier muss ein Ausgleich mit den betroffenen Anwohnern gefunden werden, um Lärmbelästigung möglichst nicht auszuweiten, aber auch die Entwicklung des Flughafens und der Umgebung nicht behindern. Letztlich muss eine Interessenabwägung erfolgen zwischen berechtigten Anwohnerinteressen und dem Interesse der Region Halle-Leipzig, sich wirtschaftlich zu entwickeln und den Menschen darin eine Perspektive zu geben.
b. Die Erweiterung des Star-Park ist beschlossen. Wie soll sich Halle, in Bezug auf weitere Gewerbeansiedlungen, entwickeln?
Ansiedlung von Gewerbe ist wichtig für Steuereinnahmen für die Stadt, sowohl über die Gewerbesteuer als auch durch Lohnsteuer der Beschäftigten. Halle ist eines von ganz wenigen Oberzentren im Land und infrastrukturell geeignet, attraktiver Standort für Ansiedlungen zu sein. Hier sollte Halle Ermöglicher und nicht Verhinderer sein. Die vielen attraktiven Angebote für Hallenser sowohl kulturell, als auch sozial und infrastrukturell (ÖPNV etc.) müssen bezahlt werden. Je mehr Wirtschaftsansiedlungen in Halle realisiert werden, umso besser ist es für das Leben der Hallenser und den Gestaltungsspielraum der Stadt gerade auch in sozialen und gesellschaftlichen Angeboten. Frühzeitige Informations- und Aufklärungsarbeit für Anwohner verhindert möglicherweise den Widerstand aus der Bevölkerung bei Ansiedlungsvorhaben.
- Bildung
a. Die Klassenstärken und Raumkapazitäten kommen vielerorts an die Grenze. Was muss sich hier verbessern und wie kann dies finanziert werden?
Die Kinderzahlen in Halle steigen, entgegen früherer Bevölkerungsprognosen. Das ist zunächst positiv. Hier müssen natürlich die Kapazitäten der Schulen folgen. Was nicht da ist, muss gebaut werden, da führt kein Weg dran vorbei. Investitionen können über eine stärkere Einbeziehung des Bundes erfolgen, aber auch über Landesprogramme. Das Recht auf Bildung bedingt die Pflicht zur Kostenübernahme.
b. Die Corona-Pandemie hat es schonungslos gezeigt: Für die allermeisten Schulen und den Großteil der Lehrenden ist das Internet noch Neuland. Was muss sich hier ändern und wie kann hier eine Verbesserung schnell herbeigeführt werden?
Der Bund hat Gelder zur Verfügung gestellt, die nicht abgerufen werden. Hier muss das Kooperationsverbot fallen. Die Schulen müssen mit Internet, Endgeräten und personellen Ressourcen für die Administration ausgestattet werden. In diesem Bereich muss es eine Fortbildungspflicht für Lehrer geben. Im Studium muss der Einsatz digitaler Lernwerkzeuge Bestandteil der Ausbildung werden, aber dann auch an Schulen durch deren Ausstattung umsetzbar sein. Das ist derzeit nicht der Fall. Theorie und Wirklichkeit gehen hier weit auseinander.
c. Wie stehen Sie zur Gemeinschaftsschule als Schulform: Soll diese gestärkt werden und weitere dieser Schulen errichtet werden?
Studien in Baden-Württemberg (dem Stammland der Gemeinschaftsschulen) haben gezeigt, dass Gemeinschaftsschulen in der Breite Lernergebnisse verbessern, jedoch besonders gute Schüler und besonders schlechte Schüler unter ihren Möglichkeiten bleiben. Sie erzeugen also eine Masse an Durchschnittserfolgen, verlieren jedoch die besonders schlechten Schüler und fördern nicht genug die besonders begabten Schüler. Damit kommen wir als Land nicht weiter, wenn unsere Zukunft in den Köpfen stecken soll. Ich bin vom gegliederten Schulsystem überzeugt. Dieses braucht aber eine größere Durchlässigkeit, um einen späteren Wechsel in einen anderen Bildungsgang leichter zu ermöglichen. In den Genuss eines solchen kam ich übrigens selbst zu DDR-Zeiten. Ich kam ab Klasse drei als Auswahl aus besseren Schülern an eine Russisch-Schule und lernte fortan gemeinsam mit ausschließlich besseren Schülern. In der Wendezeit wurde meine Schule Gymnasium und in unsere Klasse kamen meine früheren Klassenkameraden aus der Nachbarschule dazu. Das Leistungsniveau war deutlich unterschiedlich. Mir persönlich hat die frühe Trennung leistungsstarker Schüler von den leistungsschwächeren geholfen. Wir brauchen eine Elitenförderung im Land, um den Anschluss nicht zu verpassen. Und wir dürfen die Schwächsten nicht verlieren, indem wir die Förderschulen abschaffen. Letztlich hat eine Gemeinschaftsschule ihre Berechtigung, solange sie von Eltern nachgefragt wird. Das Wahlrecht der Eltern ist ein hohes Gut.
d. Immer mehr Kita-Plätze werden benötigt. Wie kann der Ausbau hier vorangetrieben werden und wie stehen sie zur Idee von kostenlosen Kita-Plätzen?
Sachsen-Anhalt steht schon sehr gut da im bundesweiten Vergleich. Steigende Kinderzahlen sind erfreulich, führen natürlich auch hier zu einem größeren Platzbedarf. Der Bund hat hier gute Programme, die genutzt werden können und müssen. Auch das Land muss hier den wachsenden Kommunen unter die Arme greifen. Wenn man sich ehrlich macht, sind bereits fast die Hälfte der Kitaplätze kostenlos, da hier die Stadt Halle die Elternbeiträge über Hilfen zur Erziehung übernimmt. Im Moment zahlen die berufstätigen Eltern die Elternbeiträge für die anderen solidarisch unfreiwillig teilweise mit. Kitas sind nicht nur ein Ort der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch ein Bildungsort. Bildung sollte im Elementarbereich bis einschließlich der Schule kostenlos sein für die Eltern. In dem Sinne wäre es folgerichtig, hier die Kitazeit zumindest zu einem größeren Anteil kostenfrei zu machen, und das für alle. Nämlich für den Zeitanteil, in dem tatsächlich Bildungsangebote gemacht werden und nicht nur in der Zeit betreut wird, bis die Eltern zur Abholung kommen.
- Klimaschutz
a. Das Land Sachsen-Anhalt erhält in nicht unerheblichem Maße Fördergelder durch dem Kohleausstieg, auch Halle will hiervon profitieren. In welcher Form kann dies geschehen?
Halle ist hierbei als Großraum zu betrachten, der nicht an der Stadtgrenze endet. Hier sehe ich zwei „Projekte“, nämlich die Wissenschaftseinrichtungen in Merseburg und Halle und das Kraftwerk vor den Toren der Stadt. Die innovativen Lösungen zur Energiegewinnung, die mit Hilfe der Fördermittel an der Hochschule und der Universität entwickelt werden, können im Kraftwerk Schkopau, das ja unmittelbar vom Kohleausstiegt betroffen ist, ausprobiert und zur Marktreife gebracht werden. Ich halte nichts davon, Behörden als Kompensation anzusiedeln oder Straßen zu bauen. Hier würde der unmittelbare Bezug zum Kohleausstieg und den dort beschäftigten Menschen fehlen. Diese Jobs würden den Menschen nichts nützen.
b. Welche Optionen sehen Sie für unser Bundesland, beim Thema Klimaschutz seinen Beitrag zu leisten? Was konkret muss in den nächsten 10 Jahren geschehen?
Der Wald als natürlich CO2-Speicher ist in einem schlechten Zustand. Sinnvoller Waldumbau mit widerstandsfähigen Baumarten ggü. der zunehmenden Trockenheit und Schädlingen muss finanziell mehr gefördert werden. Mehr Aufforstung statt noch mehr Windräder. Kommunen in waldreichen Gegenden müssen eigenständig Strukturen der Energieversorgung durch nachwachsende Rohstoffe (Holz) aufbauen können und so auch durch Einnahmen an der Energiewende partizipieren können. Die Akzeptanz für Windräder würde steigen, wenn die Kommunen und Bürger vor Ort ebenfalls von den Einnahmen profitieren könnten. Die Selbstversorgung mit erneuerbaren Energien für private Hauseigentümer muss kräftig entbürokratisiert und von unnötigen Abgaben befreit werden, damit es sich für Eigenheimbesitzer auch lohnt. Neben der Elektromobilität müssen auch weitere Technologien in den Fokus genommen werden. Ausschließlich Ladestationbasierte Elektromobilität würde unser derzeitiges Stromnetz nicht verkraften. In Ballungsräumen muss der Radverkehr als Teil des Individualverkehrs attraktiver werden durch Radwegenetze, die auch die großen Städte mit dem umliegenden ländlichen Raum verbinden. Solaranlagen müssen zuvorderst auf öffentliche Gebäude und nicht als „Parks“ in die Landschaft gebaut und so noch weitere Flächen versiegelt werden.
- Finanzen
a. Mehr als 30 Jahre nach der Deutschen Einheit gibt es in vielen Bereichen immer noch, teils gravierende, Unterschiede. Wie kann zum Beispiel das Lohngefälle endlich ausgeräumt werden?
Die Lohnunterschiede verlaufen nicht ausschließlich an der Grenze zwischen Ost und West. Auch im Westen gibt es Regionen mit relativ geringen Löhnen, ebenso wie im Osten mit hohen Löhnen. Gesamt betrachtet gibt es das Gefälle jedoch ggü. dem Westen. Das liegt jedoch an der Wirtschaftskraft der Regionen und der Qualität der angebotenen Jobs. Hier hat der Osten noch immer Aufholbedarf. Das wird noch eine Zeit in Anspruch nehmen. Strukturell festgesetzte Lohnunterschiede wie seinerzeit im öffentlichen Dienst durch den Tarif Ost sind ja bereits abgeschafft. Wirtschaftsförderung der Zukunft darf nicht wie bisher mit der Gießkanne erfolgen, sondern muss gezielt Ansiedlungen mit hochwertigen zukunftsfähigen Jobs in den Fokus nehmen. Der Fachkräftemangel, der auch unser Land mit Wucht erreicht hat, wird es künftig nicht mehr erlauben, hier deutlich weniger Lohn zu zahlen und somit die Abwanderung von ausgebildeten Fachkräften in andere Regionen zu befördern.
b. Auch in Ballungsgebieten in unserem Land steigen die Mieten kontinuierlich. Was kann hiergegen unternommen werden?
Die Nachfrage und das Angebot bestimmen den Preis. Wohnungsknappheit in nachgefragten Städten lässt die Mieten explodieren. Dagegen hilft Bauen, Bauen, Bauen. Zahlreiche Vorschriften fürs Bauen und Sanieren von Wohnraum verteuern jedoch unnötig die Baukosten und somit dann auch die Mieten. Hier muss dringend eine Überprüfung her. Um trotz hoher Baukosten auch preiswerteren Wohnraum für sozial schwache Familien anzubieten, eignen sich Förderprogramme mit anschließender Mietpreisbindung wie das KfW-Kombiprogramm Anfang der 90er Jahre. Mietpreisbremsen führen nicht zum erhofften Erfolg. Im Gegenteil. Sie bremsen den Investitionswillen der Eigentümer und im Ergebnis wird nicht gebaut und auch nicht saniert/erhalten.
- Asyl / Migration
a. Durch die räumlich konzentrierte Unterbringung von Schutzsuchenden und Migranten entstehen über Jahrzehnte oft Parallelgesellschaften. Wie kann dies in Halle (Saale) / Sachsen-Anhalt verhindert werden?
Es liegt in der Natur des Menschen, dass er dorthin möchte, wo schon Landsleute/ Familienmitglieder wohnen. Das kann und sollte man diesen Menschen auch nicht verbieten. Hier kann man nur Angebote machen, um auch Anreize zu setzen, dass sich Migranten beispielsweise auch im ländlichen Raum ansiedeln. Das stellt hohe Anforderungen an die Aufnahmebereitschaft und Willkommenskultur der Nachbarn. Die ist in den Städten und erst Recht im ländlichen Raum noch nicht genügend entwickelt. Auch dadurch erfolgt der Rückzug in die eigenen Communitys. Der Hauptschlüssel zur Integration ist das Erlernen der Deutschen Sprache. Hier müssten Angebote gemacht werden, die von allen Familienmitgliedern genutzt werden müssen, auch von den Frauen. Ein schneller Zugang zum Arbeitsmarkt/Ausbildungsmarkt erleichtern zusätzlich die Integration.
b. Wo setzen Sie die Priorität: Integration von Schutzsuchenden in die Gesellschaft oder die Rückführung in die Heimatländer wo diese möglich und zumutbar ist?
Der Systemfehler zeigt sich schon in der Fragestellung, in der es scheinbar nur diese beiden Alternativen gibt. Wir brauchen ein qualifiziertes Einwanderungsgesetz, dass eine legale Zuwanderung ermöglicht. Im Moment kommen auch normale Arbeitsmigranten über die Tür Asylsuche zu uns. Deren Verfahren dauern zu lange und führen zu Missbrauch dieses unstrittigen Rechts. Auch wenn jemand über einen Asylgesuchen zu uns kommt, sich dann aber gut integriert, die Kinder einen Schulabschluss und eine Lehrstelle haben, darf es nicht sein, dass diese Menschen dann nach abgelehntem Asylverfahren wieder nach Hause geschickt werden. Hier müssen beide Säulen durchlässiger werden, so dass man wie durch eine Drehtür auch das Asylverfahren verlassen kann und auf dem anderen weg hier ein Bleiberecht erhalten kann. Wir brauchen Zuwanderung, sonst haben wir irgendwann keine Fachkräfte mehr. Wir brauchen jedoch keine Zuwanderung in die Sozialsysteme. Wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann und ein Gericht festgestellt hat, dass keine Asylgründe oder ein Schutzbedürfnis aufgrund von Krieg vorliegen, der muss wieder in seine Heimat zurückkehren.
- Corona-Pandemie
a. Wie beurteilen Sie den bisherigen Umgang der Landesregierung mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie?
Die Landesregierung bemühte sich, die Bevölkerung zu schützen. Jedoch waren genau wie in allen anderen Bundesländern die Maßnahmen nicht immer logisch und nachvollziehbar für die Menschen. Warum man in den Supermarkt ohne Test und zum großen Teil ohne Platzregulierung durfte, in den restlichen Einzelhandel jedoch nicht, können die Menschen nicht nachvollziehen. Warum man im Freien Masken tragen soll und auch Aktivitäten im Freien wie Sport, Außengastronomie etc. teilweise verboten wurden, können die Menschen nicht nachvollziehen. Wieso zur Oma nicht die Tochter mit Mann und Kindern kommen darf, umgekehrt die Oma zum Haushalt der Tochter, deren Mann und Kinder aber schon, kann auch keiner nachvollziehen. Die jahrelang verschleppten Modernisierungen in Verwaltungen und Schulen waren verheerend in der Pandemie. Digitalisierung hätte hier viel abmildern können. Homeoffice für die Verwaltung, wie von den Unternehmen gefordert, war ebenso Fehlanzeige wie funktionierende digitale Möglichkeiten für Schüler, im Distanzunterricht nicht verloren zu gehen. Oftmals stimmten Worte und Handeln nicht überein. Haseloff kritisierte einerseits die Bundesnotbremse, stimmte aber nicht dagegen im Bundesrat. Das ist wenig glaubhaft.
b. Was hätten Sie anders gemacht?
Ich hätte mit erprobten Hygienekonzepten nicht so viel vom öffentlichen Leben geschlossen. Ich hätte der Kultur eine Chance gegeben, ihre wichtige Funktion gerade in der Pandemie zu erfüllen. Ich hätte die Fitnessstudios und Sportvereine nicht geschlossen, sondern mit Hygieneauflagen weiter tätig sein lassen. Ich hätte Außengastronomie mit strengen Auflagen zugelassen. Ich hätte Zugangskontrollen mit Hilfe digitaler Registrierungstools schneller und missbrauchssicherer gemacht. Ich hätte nicht so leichtfertig die Schulen geschlossen, wenn es für einen Großteil der Schüler gar keinen Zugang zu digitalen Lernplattformen gibt. Hier hätte ich auf Luftfilter, Hygienekonzepte und Wechselunterricht in kleinen Gruppen gesetzt. Gerade in Halle gab es täglich eine Differenzierung der Ansteckungsorte. Das private Umfeld war hier immer der mit Abstand größte Anteil. Ziel hätte sein müssen, die Menschen nicht in den unkontrollierbaren privaten Bereich zu drängen, sondern das soziale Leben im besser kontrollierbaren öffentlichen Raum zu kanalisieren.
- Ihr persönliches Statement: Was ist Ihnen besonders wichtig, welches Thema möchten Sie noch ansprechen?
Unsere repräsentative parlamentarische Demokratie ist ein hohes Gut. Sie hat sich bewährt und erhält die Vielfalt der Meinungsspektren in der Politik. Uns hilft weder ein starker Führer wie im letzten Jahrhundert noch eine Art Räterepublik wie in der Fantasie einiger linker Ideologen. Unsere Gewaltenteilung funktioniert, sonst hätten Gerichte nicht so viele Maßnahmen der Regierung wieder aufheben können. Wer das Gegenteil behauptet, will nur Angst und Verwirrung schüren. Aber unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich. Wie müssen sie jeden Tag aufs Neue beschützen. Dafür brauchen wir selbstbewusste und gut informierte Menschen. Und diese Menschen müssen aktiv werden und sich einbringen. Der geringste Aufwand hierbei ist zur Wahl zu gehen. Hier zählt jede Stimme. Und es macht einen Unterschied, ob Parteien aus dem demokratischen Spektrum mehrere Handlungsspielräume haben, sich Koalitionspartner zu suchen oder ob nur eine Zwangsehe mit dem Rest zwischen den extremen Rändern übrig bleibt. Und wer sich noch mehr einbringen will, kann sich in einer der Parteien engagieren, selbst für Mandate kandidieren und so Einfluss auf Programm und Politik der Parteien nehmen. Nur eins ist indiskutabel: Schimpfen von der Seitenlinie ohne selbst was beizutragen. Darum: Gehen Sie zur Wahl! Und wählen Sie klug!
Immer dieses unkonkrete Gefasel von „Angebote machen“. Mit Angeboten allein kommt man nicht weit, das führt nur zu mehr Ressourcenverschwendung und zu immer ungleicheren Verhältnissen; es kann nicht immer nur alles auf Freiwilligkeit und dem naiven Vertrauen beruhen, dass die Leute schon das richtige tun werden, weil sich dann einige mehr Rechte herausnehmen als andere und ein Verdrängungswettbewerb stattfindet, der sich in einer zunehmenden Ellenbogengesellschaft widerspiegelt.
Die Ergebnisse einer Politik, wie sie die FDP verfolgt, kann man in den USA sehen. Wollen wir hier wirklich amerikanische Verhältnisse?
Amerikanische Verhältnisse will überhaupt keiner