Therapieroboter rollt durch das Bergmannstrost-Krankenhaus in Halle (Saale) und begleitet Patienten auf ihrem Weg zurück ins Gehen
Im BG Klinikums Bergmannstrost in Halle (Saale) gehen hochspezialisierte Rehabilitation und technische Innovation Hand in Hand. Speziell in der Lauftherapie, einem therapeutischen Bereich, in dem Patientinnen und Patienten nach schweren Verletzungen, Operationen oder Gelenkersatz das Gehen neu erlernen, setzt die Klinik nun ein Zeichen, das weit über die Region hinausstrahlt. Als erstes Krankenhaus in Deutschland testet das Bergmannstrost dort einen mobilen Therapieroboter, der den Namen „Thery“ trägt und den therapeutischen Alltag nachhaltig verändern könnte.
Ein Roboter als Entwicklungsprojekt
Thery ist eine Entwicklung des mehrfach ausgezeichneten Technologie-Startups TEDIRO aus Leipzig und Ilmenau. Das Unternehmen hat das Bergmannstrost direkt angesprochen – ein Schritt, der laut Therapiedirektor Dr. Daniel Kuhn vor allem deshalb erfolgte, weil sich im Umfeld des Startups herumgesprochen habe, dass die Klinik innovationsfreudig sei. Seit Mai wird das System in der Lauftherapie erprobt und kontinuierlich weiterentwickelt. Kuhn beschreibt diesen Prozess als Evaluation und Entwicklung in einem: Die Technik wird während des laufenden Betriebs getestet, analysiert und verbessert, begleitet von Rückmeldungen des therapeutischen Teams und der Patientinnen und Patienten. Der Roboter kostet rund 100.000 Euro und soll die Therapeutinnen und Therapeuten in der Lauftherapie gezielt unterstützen. Besonders zu Zeiten, in denen weniger Personal im Haus ist, etwa abends oder am Wochenende, kann Thery Trainings begleiten. Dabei betont Kuhn, dass die Maschine niemals Ersatz für den menschlichen Kontakt sei, denn dieser bleibe im Heilungsprozess unverzichtbar. Vielmehr gehe es darum, zusätzliche Therapieoptionen zu schaffen und die verfügbare Zeit effizienter zu nutzen.
Wie Thery in der Lauftherapie arbeitet
Bevor Patientinnen und Patienten mit dem Roboter trainieren können, wird ihnen das System sorgfältig erklärt. Der Umgang mit Thery soll klar und verständlich sein, unabhängig vom Alter oder technischen Vorwissen. Zuvor hatten zwei Therapeuten der Lauftherapie eine detaillierte Schulung erhalten, sodass sie den Roboter kompetent begleiten und einschätzen können, für welche Patientinnen und Patienten er sinnvoll eingesetzt werden kann. Während des Trainings übernimmt Thery eine Rolle, die bislang ausschließlich menschlichen Therapeutinnen vorbehalten war: Er beobachtet das Gangbild und gibt unmittelbares Feedback. Über eine Kamera erkennt das Gerät Körperhaltung, Schrittsetzung und Bewegungsabläufe. Es analysiert die Bewegungen in Echtzeit und gibt verbale Hinweise, wie der Gehprozess verbessert werden kann. Kuhn beschreibt es als Unterstützung bei der Frage: „Wie laufe ich richtig.“ Die Anweisungen kommen aus einer freundlichen, klaren Computerstimme, die sich nach Einschätzung mehrerer Patienten erstaunlich natürlich anhört. Die Patientinnen und Patienten aktivieren den Roboter mit einem RFID-Chip, sodass sie selbstständig mit dem Training beginnen können. Am Ende jedes Durchgangs stellt das System Fragen zum Empfinden und zur Belastung und erstellt eine detaillierte Auswertung, die in die digitale Patientenakte einfließt. Dadurch entsteht eine kontinuierliche Dokumentation, die den Therapieverlauf sichtbar macht und auch den menschlichen Therapeutinnen und Therapeuten wertvolle Informationen liefert. Ein weiterer Vorteil liegt in der Anpassungsfähigkeit des Systems. Mittlerweile kann Thery nicht nur das Gehen mit Unterarmgehstützen begleiten, sondern auch Trainings mit Rollator oder Achselstützen. Der Roboter weiß anhand des hinterlegten Patientendatensatzes, mit welchem Hilfsmittel gearbeitet wird, und passt seine Hinweise entsprechend an. Für Kuhn ist außerdem entscheidend, dass Thery als Medizinprodukt zugelassen ist, was höhere gesetzliche Anforderungen bedeutet und die Sicherheit im klinischen Alltag stärkt.

Patientenerfahrungen zwischen Technikneugier und Alltagstest
Zu den rund 20 Patientinnen und Patienten, die bisher mit Thery trainiert haben, zählt auch Jan Häßler aus Höhnstedt. Der Mann, der während der Weinlese von einem Traktor überrollt wurde und dabei einen Beckenbruch erlitt, absolviert in der Lauftherapie seine Reha-Schritte zurück in den Alltag. Häßler ist beruflich beim Pumpenbauer KSB tätig und dadurch regelmäßig mit technischen Neuerungen verschiedener Firmen in Kontakt. Entsprechend aufgeschlossen begegnet er neuen Entwicklungen – und Thery hat ihn überzeugt. Er findet das Gerät „bedienerfreundlich und recht chic“ und betont, dass selbst ältere Menschen erstaunlich gut klarkämen. Besonders lobt er die Sensorik, die präzise und verlässlich arbeite. Mit einem Schmunzeln erzählt Häßler, dass die Computerstimme kaum anders klinge als die seiner Therapeuten. Die Anweisung „Rück gerade, Bauch rein“, die er vom Roboter hörte, hätte ihn sofort an die menschliche Betreuung erinnert. Insgesamt sei die Ausgestaltung „auf einem sehr hohen Niveau“, was seine Zufriedenheit mit dem System unterstreicht.
Der Nutzen für das Team der Lauftherapie
Auch für die Therapeutinnen und Therapeuten hat der Einsatz des Roboters positive Effekte. Während Thery mit einer Patientin oder einem Patienten trainiert, entsteht für das Personal ein Moment der Entlastung. Es muss niemand sofort zum nächsten Termin eilen, und dennoch geht die Therapie inhaltlich weiter. Die gelassene Arbeitsweise des Roboters sorgt dafür, dass das Training ohne Hektik abläuft und gleichzeitig wertvolle Zeitfenster geschaffen werden. Zu Beginn wurde Thery ausschließlich in Anwesenheit von Therapeuten eingesetzt. Das diente dazu, das Gerät kennenzulernen, seine Arbeitsweise zu verstehen und einzuschätzen, welche Patientengruppen besonders profitieren. In dieser frühen Phase sammelte das Team viele Eindrücke, die in die Weiterentwicklung einflossen. TEDIRO berichtet, dass durch kontinuierliche Rückmeldungen kleine Anpassungen vorgenommen wurden und wichtige Erkenntnisse entstanden, die für die spätere Einführung in anderen Einrichtungen relevant sein werden. Der digitale Feedback-Button im Therapiesystem erleichtert diesen Austausch zusätzlich. Mit einem einfachen Klick können Lob, Kritik oder technische Hinweise an die Entwickler übermittelt werden – ganz ohne E-Mails oder Telefonate. Diese direkte Form der Kommunikation beschleunigt den Verbesserungsprozess spürbar.
Ausblick auf eine verlängerte Testphase
Der ursprüngliche Plan sah vor, Thery bis zum Jahresende zu testen. Doch schon jetzt deutet vieles darauf hin, dass die Lauftherapie im Bergmannstrost die Zusammenarbeit mit dem Roboter verlängern wird. Kuhn erklärt, man wolle die Phase ausweiten, denn technische Innovation müsse Akzeptanz finden. Die Entwicklung sei kein Sprint, sondern ein Lernprozess, der gemeinsam gestaltet werde. Das übergeordnete Ziel der Lauftherapie deckt sich dabei mit dem Leitbild des Hauses: Patientinnen und Patienten sollen von der Aufnahme bis zur Rückkehr in ihren Alltag begleitet werden – ein Anspruch, der auch durch den Einsatz moderner Technik gestützt wird. Neben Thery nutzt die Klinik schon seit längerem VR-Brillen und Exoskelette, die in verschiedenen Bereichen der Rehabilitation zum Einsatz kommen. Der Therapieroboter fügt sich damit in eine Grundhaltung ein, die auf Fortschritt und Offenheit gegenüber neuen digitalen Werkzeugen setzt. Thery verändert den Alltag der Lauftherapie in Halle auf eine Weise, die sowohl technologisch als auch menschlich bemerkenswert ist. Der Roboter ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, das Trainingseinheiten präzisiert, dokumentiert und jederzeit verfügbar macht. Gleichzeitig baut er auf die Stärke des therapeutischen Teams auf und ergänzt dessen Arbeit sinnvoll.












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