150 Seiten, 75 Empfehlungen: Kommission legt Abschlussbericht zur Corona-Pandemie vor

Die Regierungskommission „Pandemievorsorge“ des Landes Sachsen-Anhalt hat heute dem Kabinett ihren 150-seitigen Abschlussbericht vorgelegt. 75 fachbezogene Handlungsempfehlungen zielen darauf ab, dass Sachsen-Anhalt bei einer zukünftigen Pandemie besser vorbereitet ist und auf notwendige Strukturen sofort zugreifen kann. Die vom Kabinett eingesetzte unabhängige Expertenkommission hatte seit April 2024 die Corona-Maßnahmen des Landes zwischen 2020 und 2023 bewertet. Ihr Bericht wird jetzt dem Landtag zugeleitet. Zudem sind Dialogveranstaltungen unter anderem mit Jugendlichen, aber auch mit Vertretern aus Kultur, Wirtschaft und Recht in Halle, Magdeburg und Berlin geplant.
Der Bericht ist mit dem Titel „Für eine weitsichtige Pandemievorsorge in Sachsen-Anhalt“ überschrieben. Zentrale Forderungen sind:
· Entscheidungsstrukturen optimieren,
· eine Pandemie-Datenplattform schaffen,
· gesetzliche Regelungen anpassen und
· eine Kommunikationsstrategie für einen künftigen Pandemiefall entwickeln.
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff dankte den 16 Kommissionsmitgliedern um den Hallenser Jura-Professor Winfried Kluth für ihre engagierte Arbeit. Sie hätten einen faktenbasierten Bericht mit klugen Schlussfolgerungen vorgelegt.
Sachsen-Anhalt sei in der Pandemie für „Maß und Mitte“ eingetreten und sei einen differenzierten Weg gegangen, mit regional angepassten Maßnahmen und Lockerungen. Haseloff: „Es hat für das Handeln in der Pandemie keine Blaupausen gegeben. Die Entscheidungen der Politik im Rückblick von unabhängigen Experten bewerten zu lassen und Fehler offen zu benennen, ist für die Aufarbeitung wichtig, auch um sich gut für die Zukunft aufzustellen.“
Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne: „Der Bericht liefert wertvolle Impulse, um aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie zu lernen. Um besser auf zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein, investieren wir Mittel aus dem Corona-Sondervermögen in den Infektionsschutz von Pflege- und Behinderteneinrichtungen und stärken den Öffentlichen Gesundheitsdienst durch zusätzliches Personal und eine verbesserte Digitalisierung.“
„Sachsen-Anhalt hat mit der Regierungskommission Lernbereitschaft bewiesen. Eine unabhängige Aufarbeitung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie waren wir den Menschen schuldig. Ich bin froh, dass dies gelungen ist. Nun muss es darum gehen, die richtigen politischen Maßnahmen einleiten, um künftig derart weitreichende Eingriffe in die persönliche Freiheit verhindern zu können“, so Dr. Lydia Hüskens.
Der Vorsitzende Professor Winfried Kluth betonte: „Der Ansatz der Regierungskommission Pandemievorsorge in Sachsen-Anhalt hat sich von den Evaluationen der anderen Bundesländer unterschieden. Die Kommission arbeitete regierungsunabhängig sowie ohne direkten parteipolitischen Einfluss. Das habe eine offene und ruhige Sacharbeit gefördert und einen unvoreingenommenen Blick auf alle Akteure und Maßnahmen ermöglicht. Zugleich habe man sich bei der Ausarbeitung der Empfehlungen an den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren können.“
In den vier Arbeitsgruppen Daten, Kommunikation, Recht und Maßnahmen hatten Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis in zehn Kommissions- und über 60 Arbeitsgruppensitzungen die Qualität und Wirkung der von der Landesregierung umgesetzten Corona-Maßnahmen analysiert und Schlussfolgerungen erarbeitet. Zur Wahrung der unabhängigen Arbeitsfähigkeit und Begleitung der Kommission wurde ein externer Dienstleister, die PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH, beauftragt.
Die Regierungskommission habe auf allen staatlichen Ebenen und in der Zivilgesellschaft ein sehr hohes Engagement und Verantwortungsbewusstsein festgestellt, das auch die Bereitschaft zu Korrekturen umfasst habe, heißt es im Bericht. Die politische Leitungsebene habe Maßnahmen ergriffen, die nach dem jeweiligen Informationsstand angemessen und zielführend erschienen, und bei der Bevölkerung um Verständnis und Mitwirkung geworben.
Wie mit wachsendem Kenntnisstand und zeitlicher Distanz deutlich geworden sei, seien auch Fehler gemacht worden. Obwohl es den Pandemierahmenplan gegeben habe, sei die Pandemie auf einen Staat und eine Gesellschaft getroffen, die für eine solche Ausnahmesituation nicht ausreichend vorbereitet waren. Das habe dazu geführt, dass bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung Unterschiede gemacht worden seien, die schwer nachzuvollziehen gewesen seien. Insgesamt sei bei vielen Menschen Misstrauen in die staatliche Handlungsfähigkeit und das Gefühl entstanden, ungleich behandelt und nicht hinreichend wertgeschätzt zu werden.
Eine zentrale Erkenntnis des Berichts ist, dass relevante Daten verlässlich verfügbar sein und transparent dargestellt werden müssen, damit Maßnahmen akzeptiert werden. Die Kommission empfiehlt der öffentlichen Hand, sich künftig bei der Entscheidungsfindung von einem Beratungsnetzwerk aus Wissenschaft und Betroffenen unterstützen zu lassen.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst soll gestärkt werden. Die Kommission setzt zudem auf Anreize zur Vorsorge auch in der Wirtschaft und auf eine systematische, altersgerechte Information der Bevölkerung zu den Themen Eigenschutz und Hygiene.
Zudem sei der Rechtsrahmen weiterzuentwickeln. Konkret wird eine Reform des Infektionsschutzgesetzes eingefordert, und auch für eine systematische Aufarbeitung der Corona-Pandemie und der ergriffenen Maßnahmen auf Bundesebene spricht sich die Kommission aus.
Der Bericht kann hier heruntergeladen werden: https://stk.sachsen-anhalt.de/themen/pandemiekommission
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Ulrich Siegmund, erklärt dazu: „Das Eingeständnis der Regierungskommission bestätigt, wie richtig die AfD mit ihrer Kritik an der überzogenen Corona-Eindämmungspolitik lag. In öffentlichen Debatten auf Bundes- und Landesebene hatten wir die unverhältnismäßigen Grundrechtseinschränkungen immer wieder scharf kritisiert und insbesondere auch auf das Schicksal vieler Pflegeheimbewohner aufmerksam gemacht. Zur umfassenden Aufarbeitung der Corona-Politik bedarf es endlich auch einer intensiven parlamentarischen Auseinandersetzung. Die eingesetzte Regierungskommission durch die Landesregierung ist – ohne Beteiligung der breiten Öffentlichkeit und der Opposition – kein geeignetes Instrument, um eine ehrliche Aufarbeitung der Verfehlungen zu gewährleisten. In Sachsen-Anhalt werden wir nach den Landtagswahlen 2026 die notwendige Mehrheit haben, um einen Corona-Untersuchungsausschuss eigenständig einzusetzen. Das erlittene Unrecht der Betroffenen kann so zwar nicht ungeschehen gemacht werden, aber es können Verantwortlichkeiten offengelegt und Lehren gezogen werden, um derartige Grundrechtseingriffe in der Zukunft zu verhindern.“
Zum heute vorgestellten Abschlussbericht der Regierungskommission zur Aufarbeitung der Corona-Politik in Sachsen-Anhalt sehen die Freien Demokraten im Landtag weiteren Diskussionsbedarf im Parlament. Der gesundheitspolitische Sprecher der Liberalen Konstantin Pott kündigte eine aktuelle Debatte zur nächsten Landtagssitzung an. Auch im Sozialausschuss will die FDP-Fraktion das Thema auf die Tagesordnung setzen.
Zum Kommissionsbericht erklärt Pott: „Wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die massiv in Grundrechte eingreifen, muss er auch belegen können, dass sie wirken – das ist die Grundlage jeder Verhältnismäßigkeit. Die Expertenkommission kommt hier zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit einzelner Corona-Maßnahmen letztlich eben nicht zuverlässig ermittelt werden konnte. Dieser Punkt ist nicht nur für Sachsen-Anhalt bedeutsam, sondern sollte auch auf Bundesebene aufgegriffen werden. Eine fundierte Bewertung der Maßnahmen ist essenziell, um in künftigen Krisen verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können.“
So dürfen etwa Schulschließungen aus Sicht der Freien Demokraten nur als ultima ratio in Betracht gezogen werden. Pott dazu: „Es ist durchaus berechtigt, die Frage zu stellen, ob der Schaden durch den Wegfall von Präsenzunterricht nicht in vielen Fällen größer war als der Nutzen. Kinder und Jugendliche müssen künftig besser geschützt werden – auch vor den sozialen und bildungspolitischen Folgen solcher Maßnahmen. So sehen Experten auch für die gestiegene Zahl der Schulschwänzer im Land die Nachwirkungen der Pandemie als eine der Ursachen.“
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft aus Sicht des FDP-Gesundheitspolitikers die Datenlage und die Standards der Erhebung: „Während der Pandemie herrschte oft große Unsicherheit darüber, wie Zahlen – etwa zu Todesfällen „an“ oder „mit“ Corona – zustande kamen. Einheitliche und transparente Datenstandards sind unerlässlich, um Vertrauen zu schaffen und Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Der Bericht bestätigt, wie wichtig dieser Aspekt ist.“
Als ebenso zentral sieht Pott die Krisenkommunikation: „Maßnahmen müssen zielgruppengerecht und verständlich vermittelt werden. Ebenso müssen Unsicherheiten offen kommuniziert werden – sei es in Bezug auf den Stand der Wissenschaft oder auf bevorstehende Entscheidungen. Transparenz bei der politischen Entscheidungsfindung ist ein demokratisches Gebot. Bürgerinnen und Bürger müssen verstehen können, warum welche Maßnahme getroffen wurde – auch dann, wenn sie Einschränkungen mit sich bringt. Wir haben beispielsweise stets kritisiert, dass das Virus sich nicht an Uhrzeiten hält – unterschiedliche Regeln für Hort und Schule oder nächtliche Ausgangssperren, als wäre das Virus nachts aktiver als am Tage, sorgten eher für Verwirrung als für Akzeptanz.“
Pott betont: „Der Bericht zeigt klar, wo die Defizite lagen. Jetzt geht es darum, daraus zu lernen. Die vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen müssen aufgegriffen, diskutiert und umgesetzt werden, um Sachsen-Anhalt künftig robuster und flexibler auf epidemische Ausbrüche vorzubereiten. Ein „Weiter so“ darf es nach den Erfahrungen der Corona-Zeit nicht geben.“
Zur Vorstellung des Expertenberichts der Regierungskommission zur Aufarbeitung der Maßnahmen während der Corona-Pandemie betont Eva von Angern, Vorsitzende der Fraktion Die Linke: „Die Aufarbeitung der politischen Maßnahmen in der Corona-Pandemie ist ein längst überfälliger Schritt, welchem wir mit dem heutigen Expertenbericht ein Stück nähergekommen sind. Die Forderung nach Einrichtung eines Pandemierats auf Landesebene war in der Corona-Zeit die Hauptforderung der Linken. Die Einbindung von gesellschaftlichen Akteuren aus der Wissenschaft, dem Gesundheitswesen, den Gewerkschaften, dem Kinder- und Jugendbereich und den Seniorenverbänden wäre zwingend notwendig gewesen. Nur so hätten wir zentrale Ziel erreichen können, keine unnötigen Grundrechtseinschränkungen zu beschließen. Dieses Ziel hat die Landesregierung deutlich verfehlt – das beweist der heute vorgelegte Expertenbericht, der ganz klare Fehlstellen im Pandemiemanagement der Landesregierung festgestellt hat. Das Krisenmanagement der Landesregierung hat bei der Corona-Pandemie versagt, die Regierung war nur mangelhaft auf diese Notlage vorbereitet. Die Kitas zu schließen, war ein Fehler. Aus der Not heraus wurden zwielichtige Maskendeals am Magdeburger Universitätsklinikum ausgehandelt. Generell wurden in den Gesundheitsberufen viele Missstände durch die Pandemie offenbar, die sonst eher unter der Oberfläche gären. Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte leisteten schier Unglaubliches unter widrigen Bedingungen auf den zum Teil überfüllten Stationen. Gedankt wurde ihnen nicht, im Gegenteil: Nach der Pandemie schließen Krankenhäuser, weil sie dem künstlich aufrechterhaltenen Wettbewerbsdruck nicht standhalten. Ein Gesundheitssystem, das für die Menschen da ist, hätte eine Lehre aus der Pandemie sein müssen. Die Ergebnisse der Regierungskommission sind ein Pfund, ihnen muss jetzt Rechnung getragen werden. Diese Ergebnisse müssen jetzt in Verordnungen und Gesetzesentwürfe übergehen, damit sie im Ernstfall umsetzbar sind.“ Nicole Anger, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, betont zudem: „Die Ergebnisse der Pandemiekommission bestätigen, was Die Linke seit Langem kritisiert: Während der Corona-Pandemie wurden grundlegende Rechte verletzt, insbesondere in Pflegeeinrichtungen. Die Kommission stellt fest, dass viele Bewohner:innen ihre letzten Lebenswochen isoliert verbringen mussten – ein untragbarer Zustand, der die Menschenwürde missachtet hat. Es ist beschämend, dass erst jetzt offiziell anerkannt wird, wie sehr insbesondere Alte, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen unter den Maßnahmen gelitten haben. Die Kommission kommt spät – und ihre Zusammensetzung lässt Zweifel aufkommen. Wichtige Akteure aus Pflege, Kita, Eingliederungshilfe und Krankenhauswesen wurden nicht einbezogen. Die Kommission spricht von einer ‚gesellschaftlichen Traumatisierung‘ – doch ohne echte politische Konsequenzen bleibt die bloße Rhetorik. Wir brauchen verbindliche Lehren: keine pauschalen Kita- und Schulschließungen mehr, eine menschenwürdige Pflege in Krisenzeiten und eine transparente, demokratisch kontrollierte Krisenpolitik. Eine echte Aufarbeitung muss auch die politische Verantwortung benennen – nicht nur die administrativen Abläufe.“
Foto Staatskanzlei
Gab es zum Abschluss ein Fledermausragout? Wann wird die Rechnung nach China gesendet?
Was für eine Farce, aber nicht anders zu erwarten, wenn die Täter über ihre eigenen Taten urteilen sollen.
Ich weiß z.B. aus persönlicher Kommunikation mit einem der für die Coronaverordnung verantwortlichen Staatssekretäre, dass das Sportverbot für Kinder und Jugendliche durch einen simplen Copy/Paste-Fehler über Wochen bestehen blieb, obwohl es längst aufgehoben sein sollte. Ich habe ihn persönlich auf den Fehler hinweisen müssen. Aber es geht ja nur um Kinder und ihre Grundrechte. Wurde jemand zur Verantwortung gezogen? Nein. Hat sich wenigstens jemand entschuldigt? Nein.
Darf der normale Bürger auch die 150 Seiten lesen und sich seine eigene Meinung bilden ?
Ich habe hier noch nichts gefunden,außer wer an der Corona Kommission teilnahm.
Vermutlich hat Dubisthalle die 150 Seiten gar nicht geschrieben.
Grimm Benne hat Lauterbach noch Beifall gezollt wo es um ungeimpftes Klinikpersonal
ging.
https://www.youtube.com/watch?v=qokyT27tRuI