Ausbildungsmarkt in Halle (Saale) zwischen Chancen und Herausforderungen im Strukturwandel – viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt

Sachsen-Anhalt Süd befindet sich mitten im Strukturwandel. Digitalisierung, Energiewende und der demografische Wandel verändern das wirtschaftliche und gesellschaftliche Gefüge der Region grundlegend. Im Rahmen eines Pressegesprächs informierten Vertreterinnen und Vertreter der Agentur für Arbeit, der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer über die aktuelle Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt – mit einem besonderen Fokus auf die Ausbildungssituation.
Bevölkerungsrückgang mit weitreichenden Folgen
Dr. Simone Meißner, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Sachsen-Anhalt Süd, zeichnete ein deutliches Bild: „Sachsen-Anhalt steht vor einem massiven Rückgang der Bevölkerung.“ Bis 2040 wird ein Minus von 10,3 Prozent erwartet, bei der erwerbsfähigen Bevölkerung sind es sogar 15,8 Prozent. Halle kommt dabei noch vergleichsweise glimpflich davon – hier liegt der Rückgang bei 4 bzw. 5 Prozent. Deutlich dramatischer ist die Lage im Landkreis Mansfeld-Südharz mit einem Bevölkerungsrückgang von 16 Prozent, bei den Erwerbsfähigen sogar 20 Prozent.
Angesichts dieser Entwicklung richtet Meißner einen dringenden Appell an die Unternehmen in der Region: „Denken Sie an Ihre Ausbildungsbereitschaft. Wer Fachkräfte braucht, muss heute für den eigenen Nachwuchs sorgen.“
Jugendliche ohne Ausbildung – eine stille Reserve
Birgit Ruhland, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit, zeigte sich besorgt über die Situation junger Menschen: „80 Prozent der Jugendlichen, die wir betreuen, haben keine abgeschlossene Ausbildung – viele haben sie abgebrochen oder gar nicht erst begonnen.“ Allein in Halle gebe es 1.279 arbeitslose junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren. Gemeldet sind in Halle 920 Ausbildungsstellen auf 826 Bewerber.
Ruhland betonte die Bedeutung frühzeitiger Berufsberatung – insbesondere in Schulen: „Wir müssen Jugendlichen das breite Spektrum von über 340 Ausbildungsberufen nahebringen.“ Praktika seien hierfür ein zentrales Mittel. Auch wenn die wirtschaftliche Lage angespannt sei, herrsche in Sachsen-Anhalt nach wie vor ein Bewerbermarkt – es gibt also mehr Ausbildungsstellen als Bewerberinnen und Bewerber.
Hohe Ausbildungsbereitschaft – aber unbesetzte Stellen
Julia Wünsch von der IHK Halle-Dessau sieht trotz aller Herausforderungen positive Signale: „Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist nach wie vor hoch. Sie wollen Fachkräfte von morgen ausbilden und binden.“ Dennoch konnten 51 Prozent der Betriebe nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Der Fachkräftemangel zwingt viele Unternehmen zur Öffnung gegenüber internationalen Bewerbern: Bereits zehn Prozent der Ausbildungsstellen sind durch ausländische Lehrlinge besetzt – besonders häufig aus Vietnam und Indonesien, vor allem in Gastronomie und Lebensmitteltechnik.
Um die Berufsorientierung zu stärken, setzt die IHK auf Elterntage: „Eltern haben oft großen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder,“ erklärt Wünsch. Sie appellierte: „Es ist nicht zu spät, sich zu bewerben. Und auch wenn der Wunschberuf nicht erreichbar ist – verwandte Berufe bieten oft ähnliche Perspektiven.“
Handwerk vor dem Umbruch: Azubis gesucht – Nachfolger fehlen
Auch das Handwerk steht vor großen Veränderungen. Jens Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle (Saale), sprach von einem deutlichen Trend: „Mehr als die Hälfte unserer Unternehmer sind Alleinunternehmer.“ Aktuell seien 1.134 Betriebe in der Ausbildung aktiv – mit einem spürbaren Druck, frühzeitig geeignete Lehrlinge zu finden.
Internationale Azubis spielen auch im Handwerk eine zunehmende Rolle. Besonders Syrer und Vietnamesen würden hier Fuß fassen. Ein gravierendes Problem sieht Schumann jedoch bei der Betriebsnachfolge: „Nur fünf Prozent der Betriebe suchen Helfer – 35 Prozent suchen bereits Meister.“ Inzwischen seien 60 Prozent der Handwerksmeister in der Region älter als 60 Jahre. Ein Grund für den mangelnden Nachwuchs liege in der hohen Bürokratie, die viele potenzielle Nachfolger abschrecke – sogar die eigenen Kinder.
Strukturelle Hürden: Erreichbarkeit und Wohnraum
Beide Kammervertreter, Wünsch und Schumann, erneuerten die Forderung nach einer wohnortnahen Beschulung. Ein Beispiel: Für bestimmte Berufe müssen Auszubildende aus Sangerhausen bis nach Weißenfels pendeln – ohne Direktverbindung. Stattdessen müssen sie über Halle fahren, obwohl es dort geeignete Schulen gäbe.
Auch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Auszubildende stellt ein wachsendes Problem dar – insbesondere in ländlichen Regionen.
Ausbildungsinteressen der Jugendlichen – zwischen Tradition und Wandel
Die beliebtesten Ausbildungsberufe in Halle unterscheiden sich nach Geschlecht deutlich:
Männer: Kfz-Mechatroniker, Fachinformatiker, Verkäufer
Frauen: Kauffrau für Büromanagement, Medizinische Fachangestellte, Verkäuferin
Top-Angebote an Ausbildungsstellen im südlichen Sachsen-Anhalt sind Verkäufer/-in, Kaufmann/-frau im Einzelhandel und Kfz-Mechatroniker.
Wie sieht denn die Bezahlung aus. Auch der Arbeitsmarkt ist ein Markt. Wenn es zu viel Nachfrage nach azubis gibt steigt der Preis. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit