Bundesweite Ausstellung: Universitätsklinika lassen Patienten ihre Geschichten erzählen
Mit elf Monaten hört die kleine Emmi das erste Mal die Stimme ihrer Mutter. Bernd kann nach 15 Jahren völliger Dunkelheit wieder das Licht sehen. Fynn ist heute ein aufgeweckter kleiner Junge, obwohl er bei seiner Geburt nur 350 Gramm wog. Judith bekam zwei Stammzell-Transplantationen. 33 Geschichten direkt aus den 33 deutschen Universitätsklinika. Stellvertretend für Millionen Menschen in Deutschland, die Tag für Tag auf die Leistungsfähigkeit der Deutschen Hochschulmedizin vertrauen. „Die Geschichten bewegen, weil diese 33 kleinen und großen Patienten uns einen ganz privaten Einblick in ihr Leben gestatten. Gleichzeitig verdeutlichen diese Einzelschicksale, wie wichtig die Hochschulmedizin für das deutsche Gesundheitssystem ist und was die Mitarbeiter dort täglich leisten“, berichtet Professor Dr. D. Michael Albrecht, 1. Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands e.V.
In einer Ausstellung im Universitätsklinikum Halle (Saale) „erzählen“ Patientinnen und Patienten auf lebensgroßen Fotoaufstellern ihre großen und kleinen Geschichten. Die Ausstellung ist vom 19. bis 30. Juni 2017 im UKH, Hauptstandort Ernst-Grube-Straße 40, auf der Hauptmagistrale und im Foyer des Lehrgebäudes zu sehen. Mit dabei ist die Geschichte von Judith Raczynski, die an einer Leukämie erkrankt war und am halleschen Universitätsklinikum zwei Stammzelltransplantationen erhalten hat. „Die Ausstellung zeigt, welche medizinischen Ergebnisse nach entsprechender Forschung und technischen Innovationen und deren Übertragung in die Krankenversorgung möglich sind“, sagt PD Dr. Thomas Klöss, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Halle (Saale).
Die deutschen Universitätsklinika verbinden Forschung, Lehre sowie Krankenversorgung. Sie entwickeln Innovationen von denen pro Jahr fast zwei Millionen stationär behandelte Patienten profitieren. Sie sind Vorreiter bei neuen Behandlungsverfahren und bei der Entwicklung zukunftsweisender Strukturen im Gesundheitswesen. Weitere Informationen, auch über die Ausstellung, finden Sie unter: www.deutsche-uniklinika.de.
Die Geschichte von Judith Raczynski – Stammzellen für ein neues Leben
Judith Raczynski hatte 2011 ihre Ausbildung zur Krankenschwester in Berlin beendet und angefangen in Ihrem Beruf zu arbeiten. Bei einem Ausflug mit Freundinnen stieß sie sich den Fuß an einem Stuhl im Eiscafé. Es entstand ein blauer Fleck, den sie zunächst nicht weiter beachtete. Als er nicht abheilte und anschwoll, machte sie sich Sorgen und kam schließlich – mit Zwischenstationen in anderen Krankenhäusern – ins Universitätsklinikum Halle. „2011 war noch alles soweit normal. Ich war gern mit meinen Freunden unterwegs und fühlte mich nicht krank. Dann stieß ich mir eines Tages den Fuß und alles wurde anders“, erinnert sich Judith Raczynski. Sie litt zwar an einer „Thrombozytopenie“, einer Erkrankung bei der die Blutgerinnung beeinträchtigt ist, und hatte deshalb ohnehin viele blaue Flecken. Aber als der blaue Fleck anschwillt und nicht abheilt, wendete sich die junge Frau an ein Berliner Krankenhaus. Man vermutete eine Fraktur und gipste den Fuß zur Ruhigstellung ein. Da Judith Raczynski in der vierten Etage wohnte und Hilfe benötigte, beschloss sie die Zeit der Immobilität bei ihren Eltern in Merseburg zu verbringen.
Als sich der Zustand des Beines rapide verschlechterte, stellte sich die Patientin im Krankenhaus Merseburg vor. Dort wurde der Gips geöffnet und die Wunde mit einem Vollhauttransplantat aus der linken Leiste behandelt. Der Bereich, aus dem die Haut entnommen wurde, infizierte sich und musste zusätzlich behandelt werden. Judith Raczynski entwickelte einen septischen Schock. Als sich der Gesundheitszustand der jungen Frau dramatisch verschlechtert hatte, wurde sie vom Krankenhaus Merseburg auf die anästhesiologische Intensivstation des Universitätsklinikums Halle überwiesen.
Es folgte eine monatelange intensivmedizinische Betreuung mit Beatmung. Die junge Frau litt an Wundinfektionen im Bereich beider Unterarme, Abszessen und zwischenzeitlich an hohem Fieber. „Die Schmerzen waren unerträglich“, so Judith Raczynski. „Es gab Phasen, da wollte ich einfach nicht mehr.“ Und doch kämpfte sie weiter. Bald wurde es Gewissheit. Die junge Frau litt an Akuter Myeloischer Leukämie (AML), einer bösartigen Erkrankung, des blutbildenden Systems. Dabei kommt es zu einer massiven Vermehrung von funktionslosen weißen Blutkörperchen. Bei gesunden Menschen ist dieser Prozess strikt reguliert. „Das war für mich zunächst ein Schock“, erinnert sich Judith Raczynski. „Doch die Ärzte in Halle sagten, dass es reelle Heilungschancen gibt“. „Die AML ist die häufigste Form akuter Leukämien bei Erwachsenen“, erklärt Privatdozent Dr. Lutz P. Müller vom Transplantationszentrum des Universitätsklinikum Halle. „Dank der intensiven Forschungsarbeit der vergangenen Jahrzehnte haben sich die Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen deutlich verbessert.“
Eine Transplantation von Stammzellen stellte die einzige Heilungsmöglichkeit dar. Der Wettlauf mit der Zeit begann, ein Spender musste gefunden werden. Und tatsächlich, ein passender Kandidat wurde identifiziert. Im Juni 2012 wurde Judith Raczynski transplantiert. Die Behandlung, die einer lange andauernden Bluttransfusion ähnelt, verlief gut. Ein Jahr später der nächste Tiefschlag: Die Krankheit war wieder da. Doch Judith kämpfte weiter. Gemeinsam mit dem Ärzteteam entschied man sich für einen weiteren Versuch. Und wieder galt es, einen geeigneten Stammzellspender zu finden. Auch diesmal gelang es, die Krankenkasse übernahm die Kosten und Judith Raczynski wurde im September 2013 erneut transplantiert. Seitdem ist ihr Zustand stabil. „Es ist, als sei mir zweimal eine Chance gegeben worden, für die ich sehr dankbar bin“, so die junge Frau, die heute studiert. „Meine erste Spenderin wohnt zufällig nur drei Kilometer Luftlinie entfernt. Wir haben uns getroffen und sind seitdem eng befreundet.“
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