Terroranschlag von Halle: Überlebende, Helfer und Angehörige sprechen bei der offiziellen Gedenkstunde
Fünf Jahre nach dem Terroranschlag von Halle (Saale) mit zwei Toten hat die Saalestadt mit einer offiziellen Gedenkveranstaltung in der Konzerthalle Ulrichskirche an die Opfer gedacht. Dabei kamen nicht nur Politiker zu Wort, sondern auch Menschen, die das Geschehen direkt miterlebt haben. Die Staatskapelle sorgte für musikalische Umrahmung.
Einer der Überlebenden ist Conrad Rößler. Er hatte sich damals im Kiez-Döner auf der Toilette versteckt. “Ich war mir sicher, dort sterben zu müssen.” Er habe Todesangst verspürt und auch schon Abschiedsnachrichten an seine Familie geschrieben. Rößler hat unverletzt überlebt. “Als ich meinen ersten Atemzug vor dem Kiez-Döner tat, hatte ich ein Gefühl der Erleichterung.” Fünf Jahre nach dem Attentat seien in ihm noch die Gefühle Dankbarkeit und Wut. Er sei dankbar für die viele erhaltene Hilfe. “Ich bin wütend, dass ein Einzelner andere Menschen so sehr verachtet, dass er sie töten will.” Wütend sei er aber auch, dass Teile der Gesellschaft Rassismus, Antisemitismus und Homophobie nicht nur ignorieren, sondern auch tolerieren. Rößler beklagte aber auch, dass sich Politiker zwar über rassistische Angriffe empören, aber zu wenig tun, um diese zu verhindern. Seine Wut werde nicht vergehen, “bis unsere Synagogen, Moscheen und Tempel keinen Polizeischutz mehr benötigen, bis alle Menschen angstfrei im dunkeln spazierengehen können, bis alle Mitbürger mit Migrationshintergrund nicht nur auf dem Papier gleichberechtigt sind.”
Karsten Lissau, der Vater des ermordeten Kevin, dankte für die Unterstützung durch die Opferbeauftragten von Bund und Land, aber auch von Ministerpräsident Haseloff. “Herr Haseloff war immer für mich ansprechbar.”
Der 9. Oktober 2019 sei die tiefste Zäsur in der Geschichte des Landes Sachsen-Anhalt gewesen, sagte Haseloff in seiner Rede. Auch für ihn seien die Ereignisse die dunkelsten Zeiten in seinem Leben. Er warnte davor, mit Blick auf die Aktivitäten des Verurteilten in verschiedenen Gefängnissen (Beispielsweise Geiselnahme) zu Hassen. Stattdessen müsse man den Hass auch im Sinne der nachwachsenden Generationen überwinden. Haseloff berichtete auch von persönlichen Erlebnissen am damaligen Tag. Während er Tat sei er im Flugzeug nach Brüssel gewesen. Nach der Landung habe er dann sein Handy wieder eingeschaltet. Zunächst öffnete er die WhatsApp seiner Familie. Diese feierte Jom Kippur in Jerusalem. Und als nächstes las er dann die Nachricht seines Büros. Es gebe nichts Schlimmeres in der Gesellschaft, als so etwas ertragen zu müssen.
Es erfülle ihn mit Freude und Zuversicht, im Rahmen der Gedenkveranstaltung in viele Gesichter zu blicken, die Solidarität und Zuversicht ausstrahlen, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden. “Der Anschlag von Halle scheiterte und wurde doch nicht verhindert.” Der tödlichste antisemitische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik sei nicht gelungen, durch Glück. “Glück, dass Jana Lange und Kevin Schwarze nicht hatten.” Der Angriff habe aber auch das Leben und Sicherheitsgefühl der Überlebenden für immer verändert. Verbunden sei das teilweise mit Misstrauen gegenüber dem Staat. Jetzt seien Politik und Gesellschaft in der Pflicht, dieses Vertrauen Stück für Stück wieder zurückzugewinnen.
Am Ende der Veranstaltung konnten zudem noch Vertreter vom “Tagebuch der Gefühle” ein Exemplar an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier überreichen. Das TbdG ist ein Projekt mit Jugendlichen zu Geschichte der Juden in Halle.
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