Rettungsdienst: wie sich die Stadt die Situation schön redet

Seit Monaten ist die Zukunft des Rettungsdienstes in Halle (Saale) in der Diskussion. In dieser Woche nun trat eine weitere Stufe in Kraft. Denn die Stadt hat zwei zehn Jahre alte und eigentlich schon ausgemusterte Rettungswagen wieder in Betrieb genommen, weil die Einsatzzahlen beim Rettungsdienst steigen.
Mehrfach bereits hatten sich die Rettungsdienstmitarbeiter insbesondere über die Bezahlung beklagt, unter anderem in einem offenen Brief. Es könne nicht angehen, dass ein Lidl-Mitarbeiter mehr verdiene als Menschen im Rettungsdienst, heißt es in dem Brief. Durch den seit 2005 bestehenden Ausschreibungsdruck habe es seitdem für die Beschäftigten kaum oder keine Lohnerhöhungen gegeben. Noch schlimmer treffe es neueingestellte junge Leute, die noch weniger verdienen. „Ansporn diesen Beruf zu erlernen und auszuüben sieht anders aus”, schreiben die Rettungsdienst-Mitarbeiter in ihrem Brief. In den vergangenen Jahren hätten deshalb schon 40 Kollegen die Stadt verlassen und seien zu Dienstleistern gewechselt, die besser bezahlen. Und durch die anstehende europaweite Ausschreibung befürchten die Mitarbeiter weiteres Lohndumping.
Doch vorerst gibt es ohnehin keine Ausschreibung. Die erste war durch die Stadt gestoppt worden, weil es innerhalb des Stadtrats Diskussionen gibt, möglicherweise einen Eigenbetrieb zu bilden. Den jedoch lehnt die Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Bernd Wiegand aus rechtlichen Gründen ab. Diese Situation bedeutet eine weitere Hängepartie für die Mitarbeiter. Ende Oktober laufen die jetzigen Verträge aus. Mit den bisherigen Dienstleistern Ambulance, DRK und ASB werden Interimsverträge für die Zeit danach vorbereitet, bis es zu einer Neuausschreibung kommt. Für die Rettungsgesellschaften bedeutet das eine schwierige Situation. Sie haben bereits jetzt steigenden Personalbedarf. Mit Blick auf altersbedingte Abgänge sind weitere Mitarbeiter nötig. Und durch die derzeit unklaren Zukunftsaussichten können die Gesellschaften nur schwer neues Personal akquirieren. Obendrauf arbeiten viele Mitarbeiter schon jetzt länger als im Arbeitsvertrag vorgesehen.
Die Situation wurde nun am Freitag noch einmal in einem Zeitungsartikel aufbereitet. Doch der Stadtverwaltung scheint das nicht zu schmecken. „Entgegen der Berichterstattung der Mitteldeutschen Zeitung vom heutigen Tag ist der Rettungsdienst der Stadt Halle (Saale) und des Nördlichen Saalekreises vollumfänglich einsatzfähig. Die zum 1. August 2016 zusätzlich in Betrieb genommenen Einsatzfahrzeuge sind technisch einwandfrei und befanden sich bereits fortlaufend im Einsatz“, informiert die Pressestelle. Damit soll offenbar die Glaubwürdigkeit des Berichts in Zweifel gezogen werden. Verkannt wird dabei, dass die Einsatzfähigkeit in dem Artikel überhaupt gar nicht in Zweifel gezogen wurde. Und auch zur europaweiten Ausschreibung als Konzessionsmodell verteidigt sich die Stadt. Die habe der der Stadtrat einstimmig beschlossen, „qualitative und soziale Kriterien, wie die Beteiligung am Katastrophenschutz und die Bindung an angemessene Tarife“, sollen dabei beachtet werden.
Laut Ratsbeschluss wird das Konzessionsmodell testweise für drei Jahre eingeführt, um Erfahrungen zu sammeln. Bei diesem Modell erhalten die Ausschreibungsgewinner eine Konzession und rechnen ihre Leistungen direkt mit den Krankenkassen ab. Bisher erfolgt der Umweg über die Stadt als Leistungsträger. In diesen drei Jahren soll alternativ die Einführungen einen Eigenbetriebs Rettungsdienst geprüft werden. Denn nicht wenige Stadträte favorisieren dieses Modell, das im Kreis Mansfeld-Südharz bereits seit langem praktiziert wird. Für die engagierten Mitarbeiter im Rettungsdienst hätte es den Vorteil, dass sie nicht alle drei Jahre bei einer Neuausschreibung um ihre Jobs zittern müssen. Und auch die Bezahlung wäre besser, würden die Beschäftigten doch in den Öffentlichen Dienst wechseln.
Artikel:
– Steigende Einsatzzahlen beim Rettungsdienst: Reservefahrzeuge gehen in Dauerbetrieb
– Rettungsdienst: vorerst kein Eigenbetrieb
– Halle stoppt Ausschreibung zur Neuvergabe des Rettungsdienstes
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