Steintor wohl größer als bisher gedacht – Neue Erkenntnisse durch weitere Ausgrabungen
Seit knapp einem Jahr wird in der Großen Steinstraße in der halleschen Innenstadt im Rahmen des Programms STADTBAHN Halle gebaut. Wie bei solchen Großprojekten üblich werden die Bauarbeiten vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) begleitet. Schon kurz nach Beginn der Arbeiten wurden im Frühjahr 2018 Teile des historischen Steintors am Joliot-Curie-Platz entdeckt. Im Bereich der Ostfahrbahn des Platzes wurden nun im Zuge der voranschreitenden Baumaßnahmen Abschnitte der mittelalterlichen Stadtmauer freigelegt. Eine kleine Auswahl der Fundstücke präsentierten die Stadtwerke und das LDA am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
„Wir haben ja auch zur Stadtgeschichte Halles eine ganze Menge beizutragen. Natürlich kannte man Etliches schon aus historischen Quellen, aber dass wir das jetzt unterfüttern können freut uns natürlich ganz besonders.“, so Dr. Alfred Reichenberger, Pressesprecher des LDA. Er bedankte sich für die gute Zusammenarbeit zwischen den am Bau beteiligten Unternehmen und Firmen und den Mitarbeitern des LDA, denn eine Ausgrabung mitten in der Stadt sei schließlich immer etwas anderes als auf dem freien Feld.
Gleichzeitig blutet den Denkmalpflegern aber auch ein wenig das Herz, dass die Funde zumindest teilweise abgerissen werden müssten, denn der oberste Auftrag der Denkmalpflege sei nun einmal die Erhaltung von Funden, so Reichenberger. Da im vorliegenden Fall jedoch höherstehende Interessen dem Erhalt entgegenstünden, konzentriere man sich somit auf die Dokumentation.
Durch die unerwartete Menge und das Ausmaß der archäologischen Funde musste der Bauablauf immer wieder umgeplant und angepasst werden, um den Archäologen die Arbeit an den Funden zu ermöglichen. „Trotz dieser Herausforderungen kann der Termin zur Fertigstellung der Bauarbeiten und Freigabe für den Verkehr Ende April 2019 gehalten werden.“, so Erhard Krüger, Bereichsleiter Infrastruktur der HAVAG. Auch er dankte den am Bau beteiligten Firmen, die mit einem höheren Personalaufwand und ihrer Leistung dazu beitrügen den Termin zu halten.
Die Funde – Steintor, Stadtmauer, Wasserleitungen, Pfeifenköpfe
„Mit der sogenannten Stadterweiterung im 12. Jahrhundert hat die Stadt Halle bereits die Stadtmauerlinie erreicht, wie sie bis ins 19. Jahrhundert bestand.“, so Dr. Caroline Schulz, Projektleiterin und Referentin für Mittelalter und Stadtarchäologie vom LDA. Der Umfang und die Art der jetzt vorgefundenen Überreste der Stadtmauer stellten jedoch nicht den ursprünglichen Stand dar. „Das war nicht gleich eine feste, steinerne Mauer und schon gar nicht so weit ausgebaut wie das jetzt der Fall ist.“, erläutert Schulz. Zu Beginn seien einfache Holz-Erde-Konstruktionen errichtet worden. Die jetzt ausgegrabenen Überreste stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, also aus der späten Ausbauphase. Die finale Ausbaustufe der Stadtmauer lässt sich immer noch auf einem modernen Stadtplan anhand von Straßenverläufen und -namen nachvollziehen.
Durch die Weiterentwicklung der Waffentechnik wurden Stadtmauern, trotz immer wieder erfolgter Anpassungen und Erweiterungen, im 19. Jahrhundert obsolet, da sie ihre Schutzwirkung nicht mehr entfalten konnten. So wurden in allen europäischen Städten, auch in Halle, die Stadtmauern bis kurz unter die Oberfläche abgebrochen und der freigewordene Platz für Grünflächen und Infrastruktur genutzt. „Uns ermöglichen die Ausgrabungen, das was an alten Plänen, Schriftstücken und Quellen vorhanden ist zu verifizieren und modifizieren.“ Eine sich durch die Funde ergebende Vermutung ist die, dass das Steintor, als eines der wichtigsten Stadttore der Stadt, größer war als bisher angenommen.
Das Spektrum der Funde umfasst Stücke, die helfen die jeweiligen Ausgrabungsstücke zu datieren, aber auch Funde, die das Leben zur damaligen Zeit widerspiegeln. So zeigt die große Anzahl von gefundenen Tonpfeifen sehr deutlich, dass es sich beim Steintor auch um eine Zollstation gehandelt hat. „Während die Händler am Steintor warten mussten, dass sie mit ihren Waren durchkönnen, haben sie eben erstmal gepflegt eine geraucht.“, so Schulz.
Die Bäume aus denen die ältesten Wasserleitungen gefertigt wurden, inzwischen mit Hilfe der Dendrochronologie datiert, sind 1502 geschlagen worden. Letzte Ausbesserungen fanden im Jahre 1819 statt. Somit ergibt sich ein Spektrum von mehr als 300 Jahren welches jetzt verfolgt werden kann. Viele dieser Fundstücke befinden sich zurzeit bereits in der Restaurierung oder werden noch beprobt.
Bis Jahresende soll es eine Auswertung und Aufarbeitung der Funde geben und es ist nicht auszuschließen, dass das Modell der Stadt im Stadtmuseum durch die neuen Erkenntnisse hier und da korrigiert werden muss.
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