„Völkermord in Gaza“: Wie eine Lesung die Universität Halle in Erklärungsnot bringt – Rektorin spricht von Fehler und kündigt Aufarbeitung an
 
            Eine Lesung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) sorgt derzeit für heftige Diskussionen in Wissenschaft und Stadtgesellschaft. Unter dem Titel „Völkermord in Gaza“ fand am 27. Oktober 2025 eine Veranstaltung mit der Politikwissenschaftlerin Helga Baumgarten statt – genehmigt von der Universität, aber offenbar unter Bedingungen, die später nicht eingehalten wurden. Inzwischen spricht die Universitätsleitung von einem „Fehler“. Auch aus der Landespolitik und der Zivilgesellschaft kommt scharfe Kritik.
Unter Auflagen genehmigt – und doch entglitten
Ursprünglich sollte es sich um eine wissenschaftliche Lesung mit anschließender Diskussion handeln. Veranstaltet wurde sie von Dr. Claudia Wittig, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität und Mitglied im Kreisvorstand des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Eingeladen war Baumgarten, die als Nahostexpertin gilt, aber auch immer wieder wegen israelkritischer Positionen in der Kritik steht.
Rektorin Claudia Becker erklärte, die Veranstaltung habe nur unter klaren Auflagen stattfinden dürfen. Dazu zählten unter anderem, dass es keine Zusammenarbeit mit der Gruppe „Students for Palestine“ geben dürfe, dass das Existenzrecht Israels nicht infrage gestellt werde und keine antisemitischen Äußerungen fallen. Außerdem habe eine wissenschaftliche Einordnung des Konflikts erfolgen sollen.
Doch genau diese Vorgaben, so Becker, seien missachtet worden. „Die Veranstaltung, die stattgefunden hat, war eine andere als die, die beantragt und genehmigt worden war“, erklärte die Rektorin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Im Vertrauen auf die Redlichkeit der Mitarbeiterin habe sie die Lesung zugelassen – „das war falsch“.
Die MLU selbst trat formal als Veranstalterin auf. Nach Angaben der Universitätsleitung sollen nun die Abläufe intern überprüft und Konsequenzen geprüft werden.
FDP fordert Aufklärung
Auch aus der Politik kommt deutliche Kritik. Konstantin Pott, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, forderte eine transparente Aufarbeitung der Vorgänge. „Ich habe Respekt davor, dass die Rektorin Verantwortung übernimmt und klar benennt, dass die Auflagen verletzt wurden“, sagte Pott. „Antisemitismus, Einseitigkeit und die Relativierung terroristischer Gewalt dürfen an unseren Hochschulen keinen Platz haben.“
Die FDP hatte bereits im Vorfeld der Veranstaltung gewarnt und von einer möglichen „Verharmlosung des Terrors“ gesprochen. Nun drängt die Partei auf klare Konsequenzen: Die Universität müsse untersuchen, wie es zu den Verstößen kommen konnte und wie künftig derartige Vorfälle verhindert werden können.
Kritik aus der Zivilgesellschaft: „Einseitig und gefährlich“
Besonders empört zeigte sich das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Halle (Saale). In einer ausführlichen Stellungnahme erklärte der Vorstand, die Veranstaltung habe „israelfeindliche Darstellungen“ transportiert und Fragen nach wissenschaftlicher Verantwortung und politischer Neutralität aufgeworfen.
„Gerade in Halle, einer Stadt, die 2019 Ziel eines antisemitischen Terroranschlags wurde, trägt die Universität eine besondere Verantwortung“, sagte Niklas David Gießler, Vorstand des Jungen Forums. Wer an dieser Universität über den Nahostkonflikt spreche, dürfe keine Bühne bieten, „auf der Israel pauschal dämonisiert und historische Begriffe wie Völkermord inflationär missbraucht werden“.
Nach Berichten des Jungen Forums wurde die Lesung von Mitgliedern der „Students for Palestine Halle“ (SfP) organisatorisch unterstützt – trotz der expliziten Auflage, dass diese Gruppe ausgeschlossen bleibt.
Ein Sprecher der SfP sei vor Ort in die technische Umsetzung eingebunden gewesen. Zudem seien Baumgartens Bücher gegen eine Spendenempfehlung verteilt und Flyer der BDS-Kampagne sowie anderer aktivistischer Gruppen im Hörsaal ausgelegt worden.
Inhaltliche Entgleisung statt wissenschaftlicher Analyse
Auch inhaltlich wich die Lesung offenbar weit von der genehmigten Form ab. Nach übereinstimmenden Beobachtungen habe Baumgarten kaum wissenschaftliche Analyse geboten, sondern Positionen vertreten, die an die Argumentationsmuster des sogenannten „Gaza-Tribunals“ erinnern. Israel sei als alleiniger Aggressor dargestellt worden, während die Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 relativiert worden seien.
Zitate aus der Veranstaltung belegen die Einseitigkeit: Baumgarten sprach etwa davon, der Angriff der Hamas sei ein „Ausbruch aus dem Gefängnis“ und eine „vom internationalen Recht abgedeckte Widerstandsaktion“. Zudem behauptete sie, es gebe „bis dato keinen einzigen bestätigten Fall einer Vergewaltigung“ vom 7. Oktober und erklärte, man könne „die Hamas spätestens seit 2017 nicht mehr als antisemitisch bezeichnen“, berichtet das Junge Forum.
Für viele Zuhörer war das der Moment, in dem aus einer universitären Lesung eine politisch-ideologische Veranstaltung wurde. „Gerade vor dem Hintergrund der Massaker vom 7. Oktober, bei denen die Hamas gezielt Zivilisten ermordete, ist es unanständig, von einem ‚Völkermord‘ durch Israel zu sprechen, während man das Morden einer Terrororganisation verharmlost“, sagte Marcel Funk, Vorsitzender der Jungen Union Halle (Saale).
Zwischen Wissenschaftsfreiheit und Verantwortung
Die Debatte um die Lesung hat eine größere Grundsatzfrage entfacht: Wie weit darf akademische Freiheit gehen, wenn sie in Bereiche politischer Agitation übertritt?
Das Junge Forum der DIG fordert die Universität auf, ihre Richtlinien zu überarbeiten. „Akademische Freiheit ist ein hohes Gut – aber sie darf nicht zur Rechtfertigung einseitiger Schuldzuweisungen oder gefährlicher Rhetorik missbraucht werden“, heißt es in der Stellungnahme.
Rektorin Becker kündigte an, den Fall intern aufzuarbeiten. Es müsse geprüft werden, wie universitäre Räume künftig vor ideologischer Vereinnahmung geschützt werden können.
In Halle bleibt der Fall nicht ohne Nachhall: Die Diskussion um die Lesung zeigt, wie sensibel der öffentliche Umgang mit dem Nahostkonflikt geworden ist – und wie dünn die Linie zwischen Meinungsfreiheit und Verantwortung im akademischen Raum sein kann.
 
																			 
																			 
																			












Diese marginalen Speichellecker sollen sich mal nicht so aufspielen. 🙄
Nö, wieso sollte die Verantwortung hier besonderer sein als irgendwo anders? So eine dämliche Totschlagargumentation mal wieder.
Es melden sich selbstverständlich mal wieder nur solche Organisationen, die selbst politisch einseitig agitieren. Ich will nicht relativieren, dass fragwürdige Aussagen bei der Veranstaltung getätigt wurden, aber man kann ja wohl mal ein bisschen den Ball flach halten und muss keinen Elefanten aus einer Mücke machen. So wichtig und weltbewegend war die Veranstaltung nun auch wieder nicht. Die nehmen sich alle durch die Bank weg selbst viel zu wichtig.
„So wichtig und weltbewegend war die Veranstaltung nun auch wieder nicht.“
Die Veranstaltung war nicht nur „nicht wichtig“, sondern überflüssig wie ein Kropf.
Deutschland hat im Nahen Osten ohnehin nichts zu melden, daher sollte man sich mit Meinungsäußerungen zu diesem Konflikt vornehm zurückhalten. Aber einige Leute können das nicht.
Es ist offensichtlich, dass bei der MLU die Mäuse auf dem Tisch tanzen – das wäre mir noch egal.
Aber dass dieser ganze Apparat – und auch diese Veranstaltung – mit 180 Mio. € des Steuerzahlers finanziert wird, ist der eigentliche Skandal.
Daher gehört die MLU im eigenen Interesse verschlankt und zukunftssicher aufgestellt.
Die theologischen und philosophischen Fakultäten tragen ohnehin nicht zur Wertschöpfung bei und sind daher aus der öffentlichen Förderung herauszunehmen und privat zu finanzieren.
„einige Leute können das nicht“
Konstantin Pott zum Beispiel. Was bzw. an welcher Fakultät hat der eigentlich studiert?
Was ist denn an der Aussage “ Völkermord in Gaza“ falsch? Gab es keine zehntausende von unschuldigen Toten? War es verhältnismäßig? Wurden die Menschen mit Geschenken vertrieben oder mit Gewalt?! Und scharfe Kritik aus der Zivilgesellschaft kommt auch nur von einer kleinen Minderheit ( siehe hier das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ) die sich im sicheren Deutschland als Opfer darstellen. Der große Teil der Zivilgesellschaft hat hier nämlich einen anderen , neutralen Blick auf die Situation. Und dieser sieht Israel nicht als den Nachbarn der nur die Hamas auslöschen möchte…
@Beobachter ,wenn man ihrer Argumentation folgt ,
dann war die Auslöschung von deutschen
Städten im zweiten Weltkrieg auch Völkermord .
Oder war das richtig ,denn dabei kamen auch
Unschuldige ums Leben .
Israel begeht unstrittig Völkermord und dafür gibt es absolut KEINE Rechtfertigung.
Die Veranstaltung, die stattgefunden hat, war eine andere als die, die beantragt und genehmigt worden war“, das war doch zu erwarten
Was zu erwarten war, ist passiert. Die alte Frau hat ihre Propaganda-Show durchgezogen. Schlimmer noch, dass die MLU das geduldet und keinen Abbruch der Veranstaltung veranlasst hat.
Demokratie muss sowas aushalten
„… aber auch immer wieder wegen israelkritischer Positionen in der Kritik steht.“
Und? Das liegt in der Natur der Meinungsvielfalt. Nur zu gern wird Israelkritik als Antisemitismus oder Antizionismus abgestempelt. Die rechte Schublade steht weit offen.
Ich stand einst wegen system- und sowjetkritischer Äußerungen in der Kritik und bin deswegen von der Schule geflogen.
Das müssen beide Seiten aushalten können.
Die bequeme Lösung lautet hier: Auch die Nachfrage, was an Israelkritik antisemitisch ist, wird einfach Antisemitismus genannt und muss, ja darf deshalb nicht diskutiert und beantwortet werden.
Das nennt man -hier tatsächlich mal zutreffend- eine rhetorische Keule, ein Totschlagargument (bzw. „Argument“). Ein weltweit zu beobachtendes Phänomen, jedenfalls in der „westlichen“ Welt.
Leider wird legitime Kritik zu schnell und zu oft von echtem Antisemitismus flankiert. Aber die Differenzierung benötigt nur etwas Mühe. Dass die FDP diese kleine Mühe nicht auf sich nimmt, mag am intellektuellen Unvermögen liegen oder an Direktiven, wie es bei der DIG definititv der Fall ist. Die MLU steht dabei ungeschützt da und muss Schadensbegrenzung betreiben und irgendwie beide Seiten möglichst nicht gegen sich aufbringen. Vielleicht gelingt es so.
– Auflagen für eine wissenschaftliche Veranstaltung
Und dann immer von Wissenschaftfreiheit schwatzen!
– Räume müssten vor ideologioscher Vereinnahmung geschützt werden
Ich habe den Eindruck, hier soll gerade eine ideologische Vereinnahmung durchgesetzt werden.
Man muß einfach akzeptieren, dass es verschiedene Meinungen zum Thema gibt. Und die müssen auch diskutiert werden dürfen. Einige Staaten auf der Welt stufen das Vorgehen Israels als Völlkermord ein. Das Thema ist also nicht soweit hergeholt. Und wenn schon der Verdacht im Raume steht, täte unsere Regierung gut daran, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Sonst ist man schnell wegen Beihilfe mit im Boot.
„Das Thema ist also nicht soweit hergeholt.“
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat den über 2 Jahre bearbeiteten Bericht der eigens gestellten ‚Faktfindungsmission der Vereinten Nationen zum Israel-Palästina-Konflikt‘ veröffentlicht und der betitelt Israels Vorgehen ganz klar als Genozid:
https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/sessions-regular/session60/advance-version/a-hrc-60-crp-3.pdf
Das sind nicht irgendwelche Politiker mit Machtanspruch, die Floskel auf Floskel am Stammtisch der Gesellschaft festnageln, und sich von Staatsaffirmativen Experten beraten lassen. ÜBER JAHRE haben diverse Genozidexperten mit diversen religös- und ethnischen Hintergründen sich mit diesem Konflikt beschäftigt. Die Konklusion beinhaltet auch nicht nur die Einschätzung zu diesem Konflikt in Gaza selber, sondern zieht in Betracht, die Haltung und Handlung Israels bezüglich der Palästinenser in anderen Besetzten Gebieten. Das sind keine Geheimnisse oder verschiedene Meinungen mehr, hier gehts um Knallharte Fakten.
Rausschmeißen.
Wer von der Landespolitik Haue bekommt ,der muss Fehler einräumen .
Schön wäre es ja ,wenn die Landespolitik und vor allem die Bundespolitik ihre Fehler einräumen würde .
Es ist echt erschreckend mit welcher Routine und Arroganz der 7. Oktober 2023 relativiert wird – so als seien Menschen in Israel weniger wert. Für mich macht das keinen Unterschied mehr zu den Holocaustleugnungen und Relativierungen des 2. Weltkrieges der AfD und mittlerweile können sich israelische Bürger nichtmal mehr in den sog. „zivilisierten“ Staaten sicher fühlen. Das ist echt ein Armutszeugnis.