Zukunftstag bei einer Fachanwältin für Verkehrsrecht: Der Weg, die Arbeit und eine ganze Menge Fallbeispiele
Seit fast zehn Jahren führt Dorothea Hänel-Lange ihre Rechtsanwaltskanzlei für Verkehrsrecht am Steintor. Von Beginn an engagiert sich die 42-jährige in der Nachwuchsförderung, indem sie Praktikantinnen und Praktikanten die Möglichkeit gibt, in die facettenreiche Welt des Rechtswesens hineinzuschnuppern bzw. einem ihrer Vorträge in den halleschen Schulen zu lauschen. Denn auch alle Bereiche der Rechtspflege haben mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. Doch nicht nur um den Nachwuchs bemüht sich Frau Hänel-Lange, sie bietet auch Unternehmen mit einer Fahrzeugflotte Präventionsveranstaltungen nach dem Motto „Wie verhalte ich mich nach einem Verkehrsunfall richtig!“ an.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass am vergangenen Donnerstag zum „Girls‘ und Boys‘ Day – Zukunftstag 2024“ über 30 Heranwachsende in den Räumen der ehemaligen Sparkassenfiliale am Steintor, in denen sich heute Holly‘s Big Bar befindet, zusammenkamen, um an zahlreichen Fallbeispielen aus dem Verkehrsrecht und entsprechenden Erläuterungen einen kleinen Einblick in die Arbeit einer Fachanwältin für Verkehrsrecht zu erlangen. „Ich konnte mich vor interessierten Jugendlichen kaum retten und musste die Anmeldung schließlich vorzeitig deaktivieren. Offenbar scheint das Angebot von Kolleginnen und Kollegen, an diesem tollen Projekt teilzunehmen, recht überschaubar zu sein“, so Hänel-Lange.
Anstatt einen Tag stumpf neben der Rechtsanwältin herzulaufen und zuzuschauen, erzählte Frau Hänel-Lange in entspannter Atmosphäre erst einmal vom Jurastudium und ließ dabei auch nicht aus, dass es durchaus trocken sein kann und dennoch sehr interessant und aufregend ist. Weiter ging es über die abzulegenden Prüfungen sowie das Referendariat nach dem ersten Staatsexamen bis hin zur abschließenden Prüfung, dem zweiten Staatsexamen, nach dem man Volljurist ist.
Welche Wege man danach beschreiten kann, ob man zum Beispiel das Richteramt anstrebt, als Staatsanwältin oder Staatsanwalt die Anklage vertreten möchte oder als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt die Mandanten vertritt/verteidigt, darum ging es im nächsten Teil. An dieser Stelle tauchte bei vielen Interessierten die Frage auf, ob man denn unbedingt studieren müsse, um in der Justiz zu arbeiten. Auch für diesen Themenkomplex war Frau Hänel-Lange vorbereitet und stellte diverse weitere Ausbildungs- und Tätigkeitsmöglichkeiten vor.
Weiter ging es mit der Schilderung eines typischen ersten Verhandlungstages. Wie sich Mandantin oder Mandant oft im Gerichtssaal fühlen, wenn die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt die Anklage verliest. Viele Menschen seien in dieser Ausnahmesituation nicht in der Lage, rational zu handeln. Hier muss der Rechtsbeistand die Angeklagten oder den Angeklagten oftmals ein wenig vor sich selbst schützen. Auf der anderen Seite müsste man als Rechtsbeistand erst einmal herausfinden, inwiefern zur Mandantschaft ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. „Verteidiger Anlügen ist schon nicht klug!“, so Hänel-Lange sehr deutlich. Dennoch sind Anwältinnen und Anwälte einzig und allein zum Verteidigen da. „Ich darf nicht lügen, aber ich muss nicht alles sagen, was ich weiß.“
Eine Schülerin fragt, ob es einen Fall gebe, der Hänel-Lange besonders im Gedächtnis geblieben ist. Hänel-Lange schildert einen Verkehrsunfall, der sich vor rund fünf Jahren zugetragen hat. Hierbei war eine junge Frau, die als Linksabbiegerin auf einer Landstraße stand um den Gegenverkehr passieren zu lassen, von hinten von einem LKW ungebremst mit mehr als 100 km/h gerammt worden und in den Gegenverkehr geraten. Die junge Frau leidet bis heute unter den Unfallfolgen und das Verfahren ist noch nicht endgültig abgeschlossen. An weiteren Einzelheiten zu diesem Fall, hier geht es unter anderem um eine völlig falsche Darstellung des Hergangs durch die Gegenseite, macht Hänel-Lange klar, wie wichtig es sein kann, sich einen Anwalt zu nehmen.
Als Nächstes kommt die Frage nach den auch in Deutschland immer weiter verbreiteten Dashcams. Hier käme es vor allem auf die Konformität mit den geltenden Datenschutzgesetzen an, so Hänel-Lange. Eine kontinuierliche Aufnahme des Straßenverkehrs sei unzulässig. Wenn die Dashcam also ihre Speicherkarte mit einem Video so lange beschreibt, bis diese voll ist, dann ist das unzulässig. Die Speicherung von einigen wenigen und dazu nur kurzen Videos, die nach einer sehr kurzen Zeit wieder überschrieben werden, sei hingegen erlaubt.
Ein weiteres Thema, was die Heranwachsenden interessiert, ist das Thema Alkohol und Drogen im Straßenverkehr. Viele der jungen Menschen sind der Meinung, dass die heute geltenden Grenzwerte viel zu hoch sind. Die Mehrheit äußert sich für ein absolutes Verbot im Straßenverkehr. Auf die möglichen Folgen geht Hänel-Lange wieder an einem praktischen Beispiel ein. Eine junge Frau wollte die letzten Meter nach Hause nicht mehr zu Fuß gehen und lieh sich daher ein E-Scooter. Leicht beschwipst geriet sie auf dem Fußweg fahrend, was natürlich verboten ist, in eine Polizeikontrolle. Diese Ordnungswidrigkeit brachte ihr eine Geldstrafe von 500 € und einen Monat Fahrverbot ein.
Zum Schluss interessieren sich die Jugendlichen für die Arbeitszeiten, wenn man als Anwältin oder Anwalt selbstständig ist und ob man selber entscheiden könne, wann und wie viel man arbeitet. „Natürlich kann ich selbst entscheiden, aber wenn ich mir heute frei, nehme, bleibt natürlich Arbeit liegen, die trotzdem erledigt werden muss“, so Hänel-Lange. Das gleiche gilt für den Urlaub oder Krankheit: Die Arbeit, die in dieser Zeit nicht geschafft wird, muss nachgeholt werden.
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