265.942 Opfer häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr in Deutschland – Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt fordert Abbau „patriarchaler Denkmuster“
Am Freitag haben das Bundeskriminalamt und das Bundesjustizministerium ihre Lagebilder zu häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt vorgestellt. Die aktuellen Zahlen offenbaren eine bedrückende und weiter zunehmende Gewaltrealität, die erneut deutlich macht, dass Deutschland beim Schutz von Frauen* und Mädchen* weit von einem ausreichenden Niveau entfernt ist. Für das Jahr 2024 verzeichnen die Behörden 265.942 Opfer häuslicher Gewalt, was einen erneuten Anstieg gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Ein besonders gravierender Teilbereich bleibt die Partnerschaftsgewalt, von der 171.069 Personen betroffen waren. Dieser Anstieg um 1,9 Prozent trifft überwiegend Frauen*, die mit 80 Prozent den weitaus größten Anteil der Betroffenen ausmachen. Gewalt in familiären und partnerschaftlichen Beziehungen ist damit weiterhin eines der größten Sicherheitsrisiken für Frauen* und Mädchen* in Deutschland.
Auch im Bereich der Tötungsdelikte zeigt sich ein alarmierendes Bild, selbst wenn die Zahl der getöteten Frauen* und Mädchen* im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken ist. Mit 308 Opfern bleibt das Niveau dennoch erschütternd hoch. Problematisch bleibt zudem, dass nach wie vor keine bundeseinheitliche Definition des Begriffs „Femizid“ existiert und dadurch geschlechtsbezogene Tötungen nicht systematisch als solche erfasst werden. Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt ordnet auf Grundlage der verfügbaren Daten mindestens 132 durch Partnerschaftsgewalt getötete Frauen* und Mädchen* als Femizide ein. Diese Bewertung zeigt, dass Deutschland sowohl in der Erfassung als auch in der Prävention geschlechtsbezogener Gewalt weiterhin erhebliche Defizite aufweist.
Digitale Gewalt, politisch motivierte Frauenfeindlichkeit und neue Formen der Radikalisierung
Ein weiterer zentraler Befund des Lagebildes ist der deutliche Anstieg digitaler Gewalt. Im Jahr 2024 waren 18.224 Frauen* und Mädchen* davon betroffen, was einer Zunahme von 6,0 Prozent entspricht. Digitale Gewalt hat sich damit zu einem festen Bestandteil von (Ex-)Partnerschaftsgewalt entwickelt und dient zunehmend als Mittel der Kontrolle, Überwachung und Einschüchterung. Diese Form der Gewalt wirkt oft ununterbrochen und entzieht Betroffenen selbst in vermeintlich geschützten Räumen ein Gefühl der Sicherheit, da digitale Angriffe jederzeit und überall stattfinden können. Besonders besorgniserregend ist darüber hinaus die starke Zunahme frauenfeindlicher Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität. Das Lagebild dokumentiert hier einen Anstieg um 73,3 Prozent auf 558 Delikte. Diese Entwicklung zeigt, dass Frauenfeindlichkeit längst nicht mehr als reines gesellschaftliches Problem betrachtet werden kann, sondern zunehmend ein politisches und extremistisches Risiko darstellt. Misogynie fungiert als Radikalisierungsbeschleuniger und verbindet extrem rechte, religiös-fundamentalistische und ideologisch motivierte Tätergruppen. Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt warnt daher nachdrücklich vor der wachsenden Gefahr, die von dieser Entwicklung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ausgeht.
Politische Konsequenzen, neue Maßnahmen und Forderungen für echten Schutz
Die Vorsitzende des Landesfrauenrates, Michelle Angeli, macht im Hinblick auf den bevorstehenden Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen deutlich, dass die persistierend hohen Gewaltraten ein unübersehbares Signal darstellen. Sie verweist darauf, dass Gewaltprävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei und umfassende Aufklärungs- und Präventionsarbeit ab der Kita notwendig mache. „Diese Zahlen müssen ein Weckruf sein.“ Studien zeigten, dass Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, im Erwachsenenalter ein besonders hohes Risiko haben, erneut Opfer oder selbst Täter zu werden. Um diese Gewaltspirale zu durchbrechen, sei es unerlässlich, Rollenklischees und patriarchale Denkmuster abzubauen sowie bestehende Machtstrukturen kritisch zu hinterfragen. Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt begrüßt die von der Bundesregierung beschlossene Reform des Gewaltschutzgesetzes sowie die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung in Fällen häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die elektronische Fußfessel könne im Idealfall dazu beitragen, Betroffene besser zu schützen und Annäherungen durch Täter frühzeitig zu verhindern. Gleichzeitig weist der Landesfrauenrat darauf hin, dass eine solche Maßnahme nur dann echte Wirkung entfalten kann, wenn sie in ein umfassendes und strukturell abgesichertes Schutzsystem eingebettet ist. Ohne begleitende und tragfähige Strukturen bleibe die elektronische Überwachung vor allem ein politisches Symbol und könne reale Sicherheitsrisiken nicht ausreichend mindern. Insgesamt macht der Landesfrauenrat deutlich, dass ein effektiver Gewaltschutz nur dann erreichbar ist, wenn Prävention und Intervention konsequent zusammengedacht und dauerhaft finanziert werden. Dazu gehören verbesserte Risikobewertungen gefährlicher Täter, verpflichtende Angebote der Täterarbeit, spezialisierte Schulungen für Polizei und Justiz sowie ein starkes, flächendeckendes Hilfesystem. Ebenso notwendig ist die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention, eine klare Anerkennung digitaler Gewaltformen im Strafrecht und breit angelegte Aufklärungsarbeit bereits im frühen Kindesalter. Der Landesfrauenrat betont darüber hinaus die Bedeutung von Zivilcourage, Verantwortung im sozialen Umfeld und gesellschaftlicher Solidarität mit Betroffenen.
Eva von Angern, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt, erklärt dazu: „Alle 2,8 Minuten wird ein Mädchen oder eine Frau Opfer häuslicher Gewalt. Nahezu täglich wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist kein statistischer Zufall, sondern struktureller Frauenhass und eine enorm großes Gesellschaftsproblem. Die Regierung antwortet auf diese Zahlen mit der Einführung der Fußfessel. Elektronische Aufenthaltsüberwachung gegen Täter kann ein Instrument sein. Aber ein Instrument ist keine Strategie! Das sehen wir gerade in Sachsen-Anhalt: Die derzeit im Landtag behandelte Novelle des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes soll die rechtliche Grundlage für Fußfesseln schaffen. Das allein reicht nicht aus. Wir brauchen weitere präventive Aspekte und rechtsverbindliche Fallkonferenzen. Es fehlt der gesetzlich verankerte Präventionsrahmen, der systematisch Hochrisikofälle im Vorfeld erkennt. Die heute veröffentlichen Zahlen machen zudem zwei große Herausforderungen der Zukunft sichtbar: Fast die Hälfte der Opfer von Sexualstraftaten sind unter 18 Jahre alt. Dieses Problem wird nicht mit Fußfesseln gelöst werden können. Dafür braucht es mehr präventive Arbeit in Kitas und Schulen. Hinzu kommt die Gewalt im digitalen Raum. Die Fußfessel hilft da nicht – da braucht es mehr Aufmerksamkeit der zuständigen Behörden und eine Spezialisierung zur Verfolgung von Gewalt im digitalen Raum. Deshalb hat die Fraktion Die Linke am 25.11. hierzu ein eigenes Fachgespräch initiiert. Die beschlossene, aber nicht in Gänze umgesetzte Istanbul-Konvention, die Deutschland ratifiziert hat, sieht genau solche Fallkonferenzen vor. Die Linke wird im Landtag dafür kämpfen, dass es künftig präventive Fallkonferenzen und mehr Täterarbeit gibt. Die Frauen in Sachsen-Anhalt verdienen ein System, das sie schützt – bevor die Gewalt eskaliert.“
Das Lagebild des BKA bestätigt erneut, wie tief verwurzelt geschlechtsspezifische Gewalt in gesellschaftlichen Strukturen ist. Die dargestellten Entwicklungen verdeutlichen, dass es politischer Entschlossenheit, ausreichender Ressourcen und eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels bedarf, um den Schutz von Frauen* und Mädchen* nachhaltig zu verbessern. Gewalt gegen Frauen* bleibt ein gesamtgesellschaftliches Problem, das entschlossene und langfristige Maßnahmen erfordert.









schon krass, wie diese Argumentation es hinbekommt, den Elefanten im Raum in einen Tarnumhang zu stecken und die Gefahren für Frauen pflichtgemäß in der rechten Ecke zu finden.
Die allermeisten Rechtsextremisten sind Männer.
Nicht?
Kommt da jetzt noch irgendwo eine Fußnote oder was sollen die Sterne?
Ach, jeh, die überhebliche Weiblichkeit, die immer und überall weit vor der Männlichkeit stehen möchte, auf einmal auf dem Opfertrip.
Nichts greifbares. Nur Gesabbel.
Dann fass bitte auch nicht hin.