Bürgermeister ernennt fünf Stadt-Carilloneure für Halle – im Jahreskonzert wurden die 76 Glocken des Roten Turms zum Klingen gebracht
Der Rote Turm in Halle (Saale) verfügt über eine Besonderheit: installiert ist hier das mit 76 Glocken größte Carillon Europas. Vor allem durch die eingebaute Automatik wurde das Glockenspiel angetrieben, ab und zu spielten Gast-Carilloneure das Instrument. Doch dank der Hilfe eines Fördervereins konnte die Stadt fünf eigene Musiker (4 Männer, eine Frau) für das Carillon ausbilden, allesamt ehrenamtlich tätig. Und am Sonntag erhielten sie den Ehrentitel “Stadt-Carilloneur” verliehen.
Gäste und Touristen seien regelmäßig erstaunt und positiv überrascht, wenn sie hochschauen “zu diesem bezaubernden, wohlklingenden Glockenspiel”, sagte Bürgermeister Egbert Geier. Doch ohne die entsprechenden Fachleute – eben die Carilloneure – bringt ein solches Glockenspiel nichts. Deshalb wurden seit 2017 Musiker ausgebildet. Und von Belgien hat sich die Saalestadt inspirieren lassen. Dort haben mehrere Orte Stadt-Carilloneure ernannt. Geehrt wurden Maik Gruchenberg, Johannes Langenhagen, Davit Drambyan, Maximilian Metz und Uta Gräber. Letztere konnte aber aus Termingründen nicht teilnehmen.
Direkt nach dem die Musiker ihre Urkunden erhalten hatten, ging es die engen Stufen des Roten Turms hinauf. Denn das Jahreskonzert stand an. Ein ganz besonderes: denn das Glockenspiel wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Natürlich durfte da die Hymne der Stadt nicht fehlen, “An der Saale hellem Strand” erklang, ebenso wie Händels Sarabande, “Über 7 Brücken musst du gehn” von Karat oder das Herbstlied “Bunt sind schon die Wälder”. Übrigens werden von drei weitere Musik ausgebildet, der Glockenspiel-Nachwuchs ist also gesichert. Im nächsten Jahr sind Caroline Krauße, Henrike Ritz und Phillipp Steinau vom Turm zu hören.
Als zu den Händel-Festspielen 1993 erstmals das Carillon im Roten Turm erklang, wurde für unsere Stadt eine neue musikalische Ära eingeläutet. Eines der größten Musikinstrumente der Welt konnte von nun an Einheimische und Gäste mit seinen Tönen begeistern.
Das hallische Carillon ist mit seinen 76 Glocken und 6 Oktaven das Größte in Europa. Es wird weltweit nur von zwei Glockenspielen mit jeweils 77 Glocken übertroffen: (Michigan, USA/ Daejon, Südkorea).
Die Idee für ein Glockenspiel im Roten Turm in seiner Funktion als freistehender Glockenturm bestand schon lange. Die Bemühungen vor dem Ersten Weltkrieg und in den 1930er Jahren scheiterten jedoch. Die Zerstörung des Roten Turmes im Jahr 1945 ließ die Hoffnung auf die Umsetzung sinken. Erst die Restaurierung des Roten Turmes 1975/76 hatte konkrete Entwicklungen in Form der Zusammenarbeit mit der Glockengießerei Schilling aus Apolda zur Folge. Obwohl die Firma die Produktion 1986 einstellte und nur ein Teil der Glocken fertig war, gelang erfolgreicher Abschluss der Arbeiten. Nach der Rückübereignung der Firma an die Familie Schilling und durch die Ausführung bei der Carl Metz GmbH in Karlsruhe wurde das Glockenspiel bis 1993 fertiggestellt. Die logistische Meisterleistung die Glocken mithilfe eines Krans in das Oktogon des Roten Turmes einzubringen, verfolgten viele Hallenserinnen und Hallenser.
Die halleschen Carilloneure
In den letzten Jahren hat das Carillon als Konzertinstrument durch das Stadtmuseum Halle und den Förderverein Stadtmuseum Halle e.V. eine Renaissance erlebt. Der Rote Turm wurde wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Carillon wurde jedoch bis 2017 ausschließlich von Gastmusikern oder mittels Automatik gespielt. Es fehlte an halleschen Musikern, die das Instrument beherrschten. Interessenten gab es, doch das Üben als öffentliche Beschallung vom Turm herab erwies sich als Hindernis. Mit der Anschaffung eines spendenfinanzierten Übungsmanuals und der Zusage des Kasseler Carillonneurs Wilhelm Ritter als Dozenten stand der Ausbildung hallescher Carillonneure nichts mehr im Weg. Um die Einwerbung von Spenden kümmerten sich damals neben dem Förderverein der Lions-Club und die City-Gemeinschaft.
Der Übungsspieltisch mit den typischen runden Holzstäben, die mit den Fäusten angeschlagen werden, steht im Verwaltungsgebäude der Ulrichskirche. Dank dessen spielen seit sechs Jahren vor allem in Halle ausgebildete Carillonneure auf dem Glockenspiel im Roten Turm. Auf den 2018 verstorbenen Wilhelm Ritter folgte als Ausbilder der Erfurter Stadtcarillonneur Ulrich Seidel nach. Gemeinsam eröffnen und beenden nun hallesche Musiker die Glockenspielsaison im April und Oktober mit einem großen Konzert. Dazwischen liegen die jeden Sonntag stattfindenden Carillonanspiele. Mehrmals jährlich bringen Musiker und Musikerinnen aus verschiedenen Ländern Europas und der Welt das Glockenspiel zum Klingen.
Dann tragt doch bitte auch diese Kultur nach außen. Damit Halle nicht nur durch den 9.10. in Erinnerung bleibt. Die Stadt hat so viele schöne Sehenswürdigkeiten und sie werden zu wenig genutzt