CarbonCycleCultureClub (C4) mit dem Thema „Ist Lithium der neue Kohlenstoff? – Chancen und Herausforderungen der Lithiumwirtschaft“

Beim CarbonCycleCultureClub (C4), einem Veranstaltungsformat des Forum Rathenau e.V., waren am Donnerstag, 25. April 2024, zum Thema „Ist Lithium der neue Kohlenstoff? – Chancen und Herausforderungen der Lithiumwirtschaft“ vier Podiumsgäste und zahlreiche interessierte Zuhörer:innen zu Gast bei Professor Ralf Wehrspohn, Moderator des C4 und Vorstandsvorsitzender des Forum Rathenau. Im Industrie- und Filmmuseum Wolfen diskutieren der Geschäftsführer und Chief Operating Officer (COO) der AMG Lithium GmbH in Bitterfeld-Wolfen Stephan Junker, Chief Executive Officer (CEO) von Rock Tech Lithium, Dirk Harbecke, Michael Schmidt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), und Georgios Chryssos, Vorstand der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien, Chancen und Herausforderungen der Lithiumwirtschaft sowie die Frage, ob die Lithiumwirtschaft als Kreislaufwirtschaft gedacht werden kann, indem die Abfälle wieder recycelt werden.
Professor Wehrspohn begrüßte die Gäste des hybriden Formats. Für die Energiewende brauche es vor allem die anorganische Chemie, so der Physikprofessor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Gründungsgeschäftsführer des Deutschen Lithium Institut ITEL. Wehrspohn: „Deshalb freuen wir uns hier in Bitterfeld zu sein, da der Chemiepark in Bitterfeld-Wolfen traditionell ein anorganischer Chemiepark ist.“ Wehrspohn wies außerdem darauf hin, dass im Gegensatz zur Kohlenstoffwirtschaft die Lithiumwirtschaft von Beginn an zirkulär gedacht werde. Michael Schmidt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), erläuterte, dass die Wirtschaft nicht mehr von Angebot und Nachfrage bestimmt werde, sondern regulatorisch von „Push Faktoren“. Diese Regularien, wie beispielsweise, dass in der EU ab dem Jahr 2035 nur noch solche Neuwagen mit Verbrennermotor zugelassen werden, die beim Fahren CO2-emissionsfrei sind, bestimme den Rohstoffbedarf. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass für die Lithium-Ionen-Batterie nicht nur Lithium benötigt werde, sondern unter anderem auch Graphit, eine natürlich vorkommende Modifikation des Kohlenstoffs. Hier sei die Welt zu 98 Prozent importabhängig von China. „Ohne China keine Energiewende, in keinem Land dieser Welt“, so Schmidt. Der Critical Raw Materials Act (CRM Act), der von Europa in nur 18 Monaten auf die Beine gestellt wurde, sei sehr bemerkenswert. Zehn Prozent kritischer Rohstoffe sollen demnach in Europa abgebaut werden. Das sei bei Lithium machbar, aber bei Graphit schwierig und bei Kobalt und Seltenen Erden nicht machbar. 40 Prozent weiterverarbeitende Industrie in der EU anzusiedeln dagegen sei machbar, eine entsprechende Finanzierung vorausgesetzt. „Deswegen bin ich sehr stolz. Ich komme auch aus der Region“, sagte Schmidt, der in Wolfen aufgewachsen ist, dass es mit der AMG Lithium und Rock Tech Lithium zwei Unternehmen gebe, die dieses Thema angehen. „Ich habe noch keinen Rohstoffmarkt gesehen, der in dieser Geschwindigkeit gewachsen ist“, erläuterte Schmidt, der sich seit über 15 Jahren mit dem Lithiumrohstoffmarkt beschäftigt. Der Lithiumbergbau ist von 30.000 Tonnen im Jahr 2015 auf etwa 180.000 Tonnen im vergangenen Jahr gewachsen. Die Prognose, die ich heute abgebe, ist nächste Woche vermutlich überholt“, so Schmidt, weil der Lithium-Markt in seiner Dynamik eigentlich unübertroffen sei. „Ich habe noch nie so eine Volatilität erlebt“, sagte Schmidt. Und das bedeute im Umkehrschluss, dass eine Politik gebraucht werde, die Unternehmen darin unterstütze, diese Volatilität abzufangen. Die strategische Unabhängigkeit, die beabsichtigt werde, koste Geld. Es müsse ein Tool entwickelt werden, das auf der Weltbühne wirtschaftlich akzeptabel ist, und den Unternehmen in Europa Luft zum Atmen gebe, sonst funktioniere das gesamte Thema Energiewende nicht.
Dirk Harbecke berichtete, dass im Jahr 2019 mit den Planungen für die große Lithiumraffinerie, den so genannten Lithiumkonverter begonnen wurde. Das Rohmaterial werde importiert, beispielsweise aus Kanada, dann soll es weiterverarbeitet werden und in den Lithium-Batterie-Kreislauf in Europa gebracht werden. „Diese Anlagen sind kompliziert“, sagte Harbecke, Chief Executive Officer (CEO) von Rock Tech Lithium, einem Unternehmen, das in Kanada und Deutschland aktiv ist. In Europa seien schnell politische Richtlinien umgesetzt worden, aber die Gelder, die dahinter stehen sollten, gebe es noch nicht, da sie häufig aus nationalen Töpfen kommen müssten. Dabei sprach er unter anderem auch die Kürzung der Mittel des „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) an. Harbecke: „Das macht die Situation für Neuansiedlungen schwierig“. Sie hören, ich bin Deutscher. Ich habe deshalb alles dafür getan, dass wir auch in Deutschland so schnell wie möglich vorankommen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass unser Leben im Moment in Kanada deutlich leichter wäre und auch ist, als es im Moment in Deutschland der Fall ist.“ Grund dafür seien unter anderem die Energiepreise, die nach wie vor in Deutschland noch dreimal so hoch wie in Kanada sind. Auch Stephan Junker, Geschäftsführer und Chief Operating Officer (COO) der AMG Lithium GmbH in Bitterfeld-Wolfen, der die Entwicklung der ersten Lithiumraffinerie in Europa und damit außerhalb von China vorstellte, wies darauf hin, dass die Politik Rahmenbedingungen schaffen müsse, dass es einigermaßen gleich und gerecht zugehe. Wenn man die chemische Industrie verlieren würde, an wen auch immer, dann müsse man überlegen, ob das für den Staat oder für die Gesellschaft förderlich sei. Es wurden am Standort in Bitterfeld-Wolfen bereits etwa 80 hochwertige Industriearbeitsplätze geschaffen. „Unser Ziel ist es, in den nächsten Wochen wirklich unseren Produktionsstart hier hinzulegen“, so Junker.
Georgios Chryssos, Vorstand der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien, erläuterte, dass derzeit eine extrem hohe Abhängigkeit von China, das technologisch etwa zehn Jahre voraus ist, bestehe. Mit den neuen EU-Regularien versuche man nun, eine gewisse Unabhängigkeit auf den Rohstoffmärkten zu erreichen, unter anderem auch durch die Nutzung von Sekundärressourcen. In allen neu in den Verkehr gebrachten Batterien sollen ab dem Jahr 2031 sechs Prozent rezykliertes Lithium enthalten sein. Ab dem Jahr 2036 sollen es zwei Prozent sein. Da aber die Lebensdauer von Lithiumbatterien zehn bis 15 Jahre ist, müsse man davon ausgehen, dass in den nächsten zehn Jahren nicht genügend Rezyklat zur Verfügung stehe, um diese Vorgaben zu erfüllen. Es werde also entsprechendes „End-of-Life-Material“ aus dem EU-Ausland benötigt.
Aus dem Publikum kam die Frage, was eine alternative Maßnahme wäre, um den Markt politisch in Gang zu bringen. „Welche anderen Regulierungsvorschriften hätten Sie denn lieber als diese Quoten?“ Diese Vorgaben, diese Regulatorien, die eingeführt wurden, halte er für hoch wirksam, so Chryssos. Wenn man Circular Economy betreiben möchte, dann seien diese Rezyklatvorgaben ein sehr viel besseres Mittel als zum Beispiel Sammelquoten. Das Problem sei, dass in einem regional abgegrenzten Bereich, also Europa, eine eigene Circular Economy aufgebaut werde und völlig ausgeblendet werde, dass der weitaus größere Marktanteil außerhalb von Europa stattfinde. Chryssos: „Und daraus entstehen Konflikte, also auch Wettbewerbsnachteile.“ Es habe also nichts mit den Vorgaben zu tun. Aber er glaube, dass das Thema Circular Economy und im Übrigen auch das Thema Dekarbonisierung nur dann funktioniere, wenn es nicht auf den europäischen Raum begrenzt würde, sondern es müssten globale Ansätze gefunden werden.
Der nächste CarbonCycleCultureClub (C4) findet am Donnerstag, 30. Mai 2024, ab 18 Uhr zum Thema „Ist CO2 der Rohstoff der Zukunft?“ im Industrie- und Filmmuseum Wolfen statt.
Foto: Lilli Isabel Förster
Ist Lithium der neue Kohlenstoff?
Ist CO2 der Rohstoff der Zukunft?
Gibt es eine Zukunft für den C4?
Jedenfalls, so die Erkenntnis, ist „grün“ nicht „post-fossil“. Und verschwiegen wird: Eine Beschränkung auf Lithium bei gleichzeitiger Energieverschwendung (insnesondere durch schwere E-Autos) ist Teil des Raubbaus an der Natur und aufgrund der schädlichen Abbaumethoden ein Faktor für den begonnenen Umschlag in eine Umweltkatastrophe, auch wenn der Kohlenstoff beim Betrieb nicht in die Luft geblasen wird.