Kulturhauptstadt-Bewerbung: noch keine Einigung auf Arbeitsgruppe

Am Mitttwoch haben sich Kultur- und Hauptausschuss in einer gemeinsamen Sitzung mit einer möglichen Bewerbung der Stadt Halle als Europäische Kulturhauptstadt 2025 befasst. Ein konkreter Beschluss wurde noch nicht gefasst. Noch in diesem Jahr soll eine weitere gemeinsame Sitzung stattfinden. Dabei soll über die Zusammensetzung einer gut 20-köpfigen Arbeitsgruppe beschlossen werden, die sich mit der Erarbeitung der Bewerbung befassen soll. Im Juni kommenden Jahres soll diese Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse unterbreiten.
Die Stadtverwaltung hatte zuvor Namensvorschläge präsentiert. Auf Dringlichkeitsantrag alle Fraktionen wurde allerdings die Vorlage der Verwaltung vertagt. Noch im Dezember soll sich die Arbeitsgruppe konstituieren. Sie soll den Zustand der Kultur evaluieren, Chancen einer Bewerbung ausloten und bei einem positiven Votum ein Bekenntnis zur Bewerbung abgeben.
Geleitet werden sollte dem Vorschlag zufolge die Arbeitsgruppe von Oberbürgermeister Bernd Wiegand, Stellvertreterin wäre Kulturdezernentin Judith Marquardt. Ebenfalls Mitglied sein sollen Schwimmstar Paul Biedermann, Ex-Sozialminister Norbert Bischof, nt-Intendant Matthias Brenner, Freiraum-Galerie-Initiator Hendryk von Busse, Maler Moritz Götze, Burg-Professor Ulrich Klieber, Theater der Welt-Kurator Torsten Maß, Opern-Intendant Florian Lutz, Schiftsteller André Schinkel, Verena Schneider von der Medienanstalt, Leopoldina-Generalsekretärin Jutta Schnitzer-Ungefug sowie Vertreter der Stadtratsfraktionen.
Anderthalb Stunden wurde diskutiert. Ein Ergebnis gab es jedoch nicht. Und so gingen die Besucher genauso wissen heraus, wie sich in die Sitzung gegangen sind.
Oberbürgermeister Bernd Wiegand wies auf die 2010 erfolgte Bewerbung hin. Diese sei eindeutig nicht ausreichend gewesen. Denn die Bewerbung müsse beispielsweise einen Beitrag der Stadt zur europäischen Kunst und Geistesgeschichte leisten und das kulturelle Angebot der Stadt vergrößern. „Für uns als Stadt ist es wichtig zu positionieren“, so Wiegand. „Wenn wir kein geeignetes Thema finden, sollten wir uns auch nicht bewerben.“ Es gehe um das selbstbewusste Auftreten einer Bewerberstadt.
Gudrun Haefke vom Figurentheater „Anna Sophia“ sagte, sie habe ein zwiespältiges, wenn nicht gar ablehnendes Verhältnis. „Kinder sind in dieser Stadt nicht gut aufgehoben.“ Einrichtungen hätten kaum Spielzeug und Betreuung, Eltern hätten sogar Mobilar besorgt. Besonders dramatisch sei der Zustand vom Landesbildungszentrum. „Die das vorgeschlagen haben, seht euch in der Stadt um, geht in die Schulen und Kindergärten. Was ist mit den Theatern und der Uni passiert?“
Jutta Schnitzer-Ungefug von der Leopoldina erklärte, „jeder der sich nicht bewirbt, verpasst eine Chance.“ Man sollte die Potentiale ausloten und schauen, wer Hilfestellung geben kann. Halle solle sich Rat holen von Städten, die bereits eine positive Bewerbung abgegeben haben. „Wer sich nicht bewirbt, hat sowieso keine Chance.“
Ex-Sozialminister Norbert Bischof, seit zwei Monaten Hallenser, sagte , Halle habe die meisten Potentiale sich zu bewerben. Es gebe nicht nur Hochkultur in der Stadt. „Halle ist sowieso Kulturstadt. Das wissen alle sowieso.“ Wichtig sei auch, die Menschen in die Bewerbung mit einzubeziehen. „Ich bin überzeugt davon, dass wir es angehen sollten.“ Selbst wenn es zu keiner Bewerbung kommen sollte, sei der angestoßene Prozess schon ein Gewinn. „Es nicht zu tun, halte ich für eine vertane Chance.“
Steffen Kohlert von den Halloren meinte, er würde eine Diskussion zur Bewerbung begrüßen. Halle sei zwar zufrieden mit seiner Kultur, das reiche aber bei Weitem nicht aus. Es müsse auch um Verbesserungen gehen.
Christine Bergmann vom Berufsverband Bildender Künstler meinte, Magdeburg bewerbe sich mit dem Bewusstsein, ein Defizit zu haben, was es zu verbessern gelte. Sie wies daraufhin, dass Sachsen die Verbände finanziell fördere. Sachsen-Anhalt zahle nichts, im kommenden Jahr drohe deshalb sogar die Schließung des VBK.
Wolfgang Hirschmann von der Händel-Gesellschaft meinte, auch mit Händel müsse man sich mehr befassen. Hier könne man ein Paket daraus schnüren, was Eindruck mache. Geklärt werden müsse, ob Halle auf eine Hochkulturschiene fahre. Man habe Kontakte bis nach Amerika, hier könne man sich Unterstützung einholen.
Katja Müller (Linke) wies daraufhin, dass jetzt schon die Diskussion starte, die erst das Gremium beraten soll. „Wir müssen uns erst über das Gremium, die Zusammensetzung verständigen.“
Jürgen Seidewitz vom Halleschen Brettchen erklärte, wenn man sich bewerben wolle, dann sollte man erst einmal die Einrichtungen richtig benennen. Immer sei von den Franckeschen Stiftungen die Rede, dabei stehe über dem Portal „Franckens Stiftungen“. „Und so heißendie auch.“
Behrens vom Chorverband Giebichenstein sagte, sein Verband betreue 37 Chöre. Man sei für die Bewerbung und wolle sich einbringen.
Im Moment wisse man noch gar nicht um die Chancen einer Bewerbung, sagte Johannes Krause (SPD). „Wir wollen wissen, wie tragfähig kann so etwas sein.“ Man wolle die Argumente erfahren. Nicht zu vergessen sei auch, dass die Bewerbung mit enormen finanziellen Mitteln verbunden sei, deshalb müsse man genau abwägen.
Theaterpädagogin Julia Raab als Freie Theatermacherin erklärte, sie verdiene das meiste Geld außerhalb Halles, weil es in Halle für freie Theater keine Spielstätten gebe.
Grafiker Christoph Rackwitz sagte, er sei ebenfalls zwiespältig, kenne die Potentiale.
Ein Vertreter vom Landesmusikrat und Halleschen Musikrat sagte, es sei wichtig, den Zustand der Kultur auszuloten. Diese Aufgabe sei seit Jahren dringend nötig. „Damit sie wissen, worüber sie reden und worüber sie entscheiden.“ Eine Bewerbung könne er empfehlen. Man würde sich in der Arbeitsgruppe gern engagieren.
Christian Feigl (Grüne) sagte, der Beschluss, eine Bestandsaufnahme der Kultur vorzunehmen, sei bereits gefasst. In Richtung der Kultureinrichtungen sagte er, welche Möglichkeiten diese sehen, sich zu engagieren. Ähnlich äußerte sich Detlef Wend (SPD). Es sei wichtig zu klären, wer in der Arbeitsgruppe mitarbeitet.
Erhard Preuk sagte, mit einer Bewerbung setze man einen Prozess in Gang, der für die Kultur nur positiv sei. „Man kann kein Theater schließen und sich gleichzeitig bewerben“, sagte er. Mit Christian Wolff als „Erfinder der Vernunft“ habe die Stadt einen berühmten Sohn, der fast in Vergessenheit geraten sei.
Marktkirchenpfarrer Harald Bartl (CDU) will wissen, nach welchem Prozedere die Berufung der Arbeitsgruppenmitglieder erfolgen solle.
Künstlerin Ruth Heftrig sagte, ob man sich engagiere hänge davon ab, welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen und welche Kapazitäten die Stadt bereit stelle. Laut OB Wiegand sollen im kommenden Jahr 300.000 bis 500.000 Euro im Haushalt zur Verfügung stehen für bildende Künstler.
Thomas Bauer-Friedrich vom Kunstmuseum Moritzburg wies auf das kürzlich gegründete Museumsnetzwerk hin. Neun Kultureinrichtungen seien hier vereint. Dort habe man schon über die Bewerbung gesprochen und biete die Mitwirkung an der Arbeitsgruppe an.
Annegret Bergner (CDU) wunderte sich, weshalb in der Arbeitsgruppe nur Personen mitarbeiten sollen, die der Bewerbung positiv gegenüberstehen. Dabei solle es doch um eine kritische Durchleuchtung gehen. OB Wiegand meinte, man müsse für die Kultur brennen.
„Man kann auch für die Stadt brennen und durchaus der Meinung sein, es ist besser sich nicht zu bewerben“, sagte Katja Müller (Linke). In der Arbeitsgruppe müsse alles dabei sein. Sie verbitte sich solche Aussagen, wer nicht für die Bewerbung sei brenne nicht für die Stadt.
„Magdeburg hat das Vakuum, und wir haben die Aufklärung“, sagte Erhard Preuk. Er vermisst in der Arbeitsgruppe die Universität und die Franckeschen Stiftungen.
Ulrike Rühlmann (Bürgerstiftung) sagte, kritische Stimmen seien wichtig. Wer mit wehenden Fahnen und blinden Augen vorangehe, könne stolpern. Doch bevor man sich bewerbe sei eine gesamte Positionierung der Kultur nötig.
Stefan Rosinski von der TOOH sagte, der Wege müsse das Ziel sei. Doch hier im Ausschuss gebe es schon Verständigungsschwierigkeiten zum Weg. Er glaube nicht, dass die Stadt durch die Evaluierung einen Weg zur Bewerbung habe, sondern nur eine Auflistung und kein Thema. „Warum machen Sie keinen Ideenwettbewerb?“ So könne man ein Preisgeld ausloben.
Johannes Krause (SPD) wies daraufhin, dass die Bewerbung nicht billig sei und sich die Landesregierung im Koalitionsvertrag bereits auf Magdeburg geeinigt habe. „Wir haben schon eine Verantwortung beim Einsatz öffentlicher Gelder zu entscheiden, wofür wir sie einsetzen.“
Tom Wolter (MitBürger) sagte, man müsse klären, ob der Zeitpunkt richtig sei und Halle konkurrenzfähig sei im europäischen Kontext. Es sei wichtig, schnellstmöglich einen fundierten Beschluss zu fassen. Selbst eine Partnerschaft mit Magdeburg wäre möglich.
Harald Bartl regte an, in die Diskussion auch die kulturpolitischen Leitlinien einzubeziehen.
Opern-Intendant Florian Lutz sagte, er finde es sehr sinnvoll, über eine solche Bewerbung zu diskutieren.
OB Wiegand, die Metropolregion Mitteldeutschland unterstütze eine Bewerbung. Die Chance auf den Prozess dürfe man sich nicht entgehen lassen.
Hans-Dieter Wöllenweber (FDP) meinte, die Bewerbung für 2010 sei gar nicht so schlecht gewesen, man sei nur der Bewerbung des Ruhrgebiets unterlegen. Im vergangenen Jahr habe er in Breslau als Kulturhauptstadt geweilt. Dort sei jeden Tag etwas losgewesen. „Es war ein riesen Erlebnis, das hautnah wahrnehmen zu können.“
Da sitzen sie alle am Tisch und gieren nach Fördergeldern.
Schlapphut, du kannst dich auch unter noch so vielen Namen tarnen. Erkannt wirst du doch.
quod erat demonstrandum
Das scheint mir der einzige vernünftige Beitrag zu sein:“ Nicht zu vergessen sei auch, dass die Bewerbung mit enormen finanziellen Mitteln verbunden sei, deshalb müsse man genau abwägen.“
Wozu bedarf es einer Arbeitsgruppe? Der Stadtrat kann die Kosten für die Kulturhauptstadt von 20 – 30 Mio (zusätzlich zu den jährlichen 30 Mio für Kultur) diskutieren und in namentlicher Abstimmung beschließen. Auf Kostenschätzungen muss man nicht warten, die sind in dieser Stadt eh alle falsch. Die HWG-Mieter, EVH-Kunden, Eltern, … können dann entscheiden, ob sie bei der nächsten Wahl den Stadträten wieder ihr Vertrauen schenken oder das Kreuz besser bei der AfD aufgehoben ist. Populismus pur: Geld für das Volk und nicht für Eliten.