Mini-Verdienst: Maulkorb für den Rettungsdienst
11.50 Euro verdient ein Verkäufer beim Discounter Lidl in der Stunde. Hallenser, die Tag für Tag das Leben anderer Menschen retten, können davon nur träumen.
Schon seit Monaten gehen die Mitarbeiter des halleschen Rettungsdienstes auf die Barrikaden. „Es kann ja wohl nicht angehen, dass ein Verkäufer bei Lidl mehr verdient als ein langjähriger Mitarbeiter im Rettungsdienst“, schrieben die Mitarbeiter in einem offenen Brief an die Stadträte. „Keiner will die Arbeit des Lidl-Mitarbeiters schmälern, jedoch dürfte mehr Verantwortung, Eigeninitiative, Sicherheit und Qualität beim Rettungsdienstmitarbeiter liegen. WIR RETTEN MENSCHENLEBEN.“ Der Grund für diese harten Zeilen liegt auch daran, dass sich seit Jahren an der Bezahlung nichts bessert. Seit 2005 hat es so gut wie keine Lohnerhöhungen für Halles Retter gegeben, die bei DRK, Ambulance oder ASB angestellt sind. Nicht zuletzt ist das auch auf den Ausschreibungsdruck zurückzuführen. Der billigste gewinnt eben.
Weil die Stadt zum 1. August zwei weitere Rettungswagen in Betrieb genommen hat und zudem weiterhin die Neuausschreibung des Rettungsdienstes als Konzessionsmodell forciert wird, ist das zwischenzeitlich schlummernde Thema wieder akut geworden. Journalisten haben zu Rettungsdienst-Mitarbeitern Kontakt aufgenommen, um über die aktuelle Situation zu reden. Schließlich ist unter der Hand von Arbeitsüberlastung die Rede, kommen Mitarbeiter teilweise auf 60 Wochenstunden bei Stundenlöhnen um die 10 Euro.
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), immerhin für ein Viertel aller Rettungsdienstleistungen in Halle zuständig, hat offenbar kalte Füße bekommen. Per Dienstanweisung wurde den Beschäftigten diese Woche ein Maulkorb auferlegt. Eiligst wurde an die Mitarbeiter nach Bekanntwerden der Reporteranfragen eine Dienstanweisung an die Beschäftigten herausgegeben. Und dort teil das DRK seinen Mitarbeitern mit, dass zu dienstlichen Belangen nur die Kreisgeschäftsführerin und von ihr beauftragte Mitarbeiter dazu befugt sind, mit der Presse zu reden. Andernfalls werden arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht. Fraglich aber ist, ob das DRK jene Konsequenzen hart durchziehen kann. Schon jetzt findet der Sozialverband kaum neue Mitarbeiter. Für Rettungsdienstmitarbeiter sind andere Städte und Landkreise mit besserer Bezahlung wesentlich attraktiver. Das zeigt sich auch darin, dass in der Vergangenheit immer wieder gut qualifizierte Mitarbeiter die Stadt zum Beispiel in Richtung Leipzig oder Mansfeld-Südharz verlassen haben.
Gefahr ist im Verzug! Bitte handeln!
Steht in so ziemliche jedem Arbeitsvertrag, dass über Einzelheiten wie Arbeitszeit und Vergütung Stillschweigen zu bewahren ist?
Das muss doch dann erst recht gegenüber der Presse gelten.
Und mit dem „hart durchziehen“ wäre ich mir da nicht so sicher. Eine fristlose Kündigung kann deutlich billiger sein. Unwiderstehlich billig. Da wurden im Laufe der Geschichte schon sehr viele (bekannt gewordene) Gelegenheiten beim Schopfe gepackt…
Ja, das steht in so ziemlich jedem Arbeitsvertrag. Und ist in so ziemlich jedem Arbeitsvertrag unzulässig.
Kann man also ignorieren.
Nun sind die diesbezüglichen Grundsatzurteile ja auch schon ein paar Tage alt. Es ist also anzunehmen, dass auch der ein oder andere Arbeitgeber darauf reagiert und etwaige „unzulässige“ Floskeln in Neuverträgen bzw. Vertragsänderungen angepasst oder ganz gestrichen hat.
Verschwiegenheit gilt aber trotzdem. Ich bin zwar kein Fachanwalt für Arbeitsrecht, aber solche gibt es ja. Einer führt zum Beispiel aus:
http://www.arbeitsrecht-informationen.de/index.php?id=12&title=Verschwiegenheitspflicht
„Auch ohne eine besondere Vereinbarung sind Sie verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren.“
Natürlich ist fraglich, ob die Entlohnung beim DRK ein Betriebs- oder gar ein Geschäftsgeheimnis ist.
Die Frage, ob es erlaubt sei, über das (eigene) Gehalt zu sprechen, kommt immer wieder auf. Auch dazu finden sich vielerlei Ausführungen. Zum Beispiel:
http://www.zeit.de/karriere/beruf/2014-03/arbeitsrecht-ueber-gehalt-reden
„für Sie als Arbeitnehmer gilt zunächst eine allgemeine Geheimhaltungs- bzw. Verschwiegenheitspflicht“
und
„Auch Lohn- und Gehaltsinformationen können von dieser allgemeinen Geheimhaltungspflicht betroffen sein – allerdings nur dann, wenn die Gehaltsdaten eine Wettbewerbsrelevanz haben. “
Somit wäre zu klären, ob die Arbeitszeiten und daraus (rechnerisch) resultierende Stundenlöhne wettbewerbsrelevant sind.
Daneben ist fraglich, ob das mehr oder weniger unverbietbare kollegiale miteinander Reden über die eigene Löhne übertragbar ist auf das Reden mit der Presse. Whistleblowing ist zwar total angesagt, aber deswegen noch lange nicht ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen. Frag mal Edward S. 🙂
Noch dazu, wo es doch etliche Erfahrungsberichte gibt, wie wohlgesonnen deutsche Arbeitsgerichte dem gemeinen Arbeitnehmer sind.
Gibt es also Tarifverstöße, unzulässige Übertretungen der Arbeitszeit oder Lohnvorenthaltungen ist der logische Schritt (evtl. über eine vorhandene Arbeitnehmervertretung) zum Arbeitsgericht.
Nicht zur Presse. Jedenfalls nicht zuerst. Macht das Arbeitsklima nicht besser. Wer darauf keinen Wert legt, kann auch kündigen.
Da sollte man da schon gut organisiert sein; Gewerkschaft hilft mit dem Rechtsschutz immer, gegen fristlose ungerechtfertigte Kündigung, im Tarifkampf etc.
Und nein, eine fristlose Kündigung kommt da nicht billiger. Denn vor gericht geht es anders zu, Richter am Arbeitsgericht interessieren nur die knallharten fakten und nicht solch Pillepalle von geschäftsführern. Und auf Kündigungsschutz und Wiedereinstellung geklagt hilft schon den meisten, weil das geld weiter kommt. Und selbst wenn man dort dann nicht weiterarbeiten will oder kann, gibt es den Vergleich auf Abfindung.
Und diese ist niemals billiger als Kündigung, denn die Verfahrenskosten bleiben da beim Beklagten hängen, der obendrein noch dür Arbeitkraftersatz sorgen muß. Da kann man jedem Betroffenen raten, sich unbedingt zu wehren.
Das ist nicht nur im Halleschen drk so. Ich habe jetzt schon ein paar Bereiche von diesen Anbieter durch und es ist über all das selbe gewesen.
Mmg: Ich finde es sozialpolitisch notwendig, dass die Mitarbeiter über Ihre Einkommensverhätnisse berichten. Rettungsdienst ist systemrelevant. Nur wenn die Misstände klar benannt werden in der Öffentlichkeit kann eine Korrektur vorgenommen werden.
Ich bin entsetzt darüber, dass der Rettungsdienst deratig schlecht bezahlt wird. Selbst 12€ stehen im krassen Missverhältnis zu Dienstzeiten, Fertigkeiten und Notwendigkeit.
Deshalb an dieser Stelle:
Danke an jede/n Einzelnen von Euch!