Mit Muskelkraft zur Poesie: Loop-Installation eröffnet Silbersalz-Festival der Wissenschaft und Medien

Die Stadt Halle (Saale) wird in diesen Tagen zur Bühne eines besonderen Erlebnisses: Bereits eine Woche vor der offiziellen Eröffnung des Silbersalz Science & Media Festivals am 29. Oktober 2025 verwandelt sich der Marktplatz in ein faszinierendes Spiel aus Licht, Bewegung und Literatur. Seit Dienstag stehen dort sechs überdimensionale, leuchtende Riesenräder, die zur Ausstellung Loop gehören – eine Outdoor-Installation, die Wissenschaft, Kunst und Literatur auf ungewöhnliche Weise verbindet. Vom 22. Oktober bis zum 2. November lädt die Installation zum Mitmachen und Staunen ein.
Energie erzeugen – mit den eigenen Füßen
Die Idee hinter Loop ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Besucherinnen und Besucher können sich in die begehbaren Räder setzen und sie durch Tretbewegungen in Gang setzen – ähnlich wie bei einem Fahrrad. Dabei erzeugen sie Strom, der die Räder nicht nur beleuchtet, sondern gleichzeitig Geschichten zum Leben erweckt. Denn im Inneren der Konstruktionen werden kurze animierte Filme gezeigt, die auf literarischen Werken aus Québec basieren. So wird aus einem rein physischen Kraftakt ein audiovisuelles Erlebnis, das Literatur in Bewegung übersetzt – wortwörtlich.
Dass Québec in diesem Jahr im Zentrum steht, ist kein Zufall. Die französischsprachige Provinz Kanadas ist bekannt für ihre lebendige Literaturszene, ihre Experimentierfreude und ihre kulturelle Vielfalt. Die Installation präsentiert sechs Werke quebecischer Autorinnen und Autoren – von humorvollen Jugendbüchern über bildgewaltige Comics bis hin zu anspruchsvollen Romanen und Thrillern. Vier dieser Titel sind mittlerweile auch in deutscher Sprache erschienen, was das Erlebnis für das hiesige Publikum noch zugänglicher macht.
Vielfalt zwischen Buchdeckeln – Québecs Stimmen auf dem Marktplatz
Eines der präsentierten Werke ist Das Jahr, in dem mein Herz verrückt spielte von Stéphanie Lapointe. In Tagebuchform erzählt der Jugendroman von der jungen Fanny Cloutier, die sich mit Freundschaft, Familie und dem Erwachsenwerden auseinandersetzt – warmherzig, ehrlich und mit einer guten Portion Humor. Ein anderes Beispiel ist Der Weltraumpostbote von Guillaume Perreault, eine farbenfrohe Graphic Novel über einen Postboten, der quer durchs All reist und dabei allerlei skurrile Abenteuer erlebt.
Auch düstere Töne fehlen nicht: Die Vermissten aus Boundary Pond von Andrée A. Michaud ist ein dichter, atmosphärischer Kriminalroman über eine rätselhafte Mordserie an der kanadisch-amerikanischen Grenze – ein literarisches Spiel mit Licht und Schatten, das besonders gut zur visuell opulenten Inszenierung der Installation passt. In Dany Laferrières Ich bin ein japanischer Schriftsteller geht es derweil um Identität, Sprache und kulturelle Aneignung – ein kluges, ironisches Werk, das tiefgründige Fragen aufwirft, ohne belehrend zu wirken.
Komplettiert wird die Auswahl durch Anaïs Barbeau-Lavalettes So nah den glücklichen Stunden, ein poetischer Roman über Selbstbestimmung und Freiheit, sowie durch Gabrielle Roys The Tin Flute, einen Klassiker der kanadischen Literatur, der das Leben einer jungen Frau im Montreal der 1940er-Jahre schildert – voller Träume, aber auch geprägt von Armut und gesellschaftlichen Zwängen.
Ein Festival für alle Sinne – und mit Haltung
Das Silbersalz-Festival hat sich seit seiner Gründung zu einer festen Größe im kulturellen Kalender von Halle entwickelt. Es verbindet wissenschaftliche Fragestellungen mit künstlerischen Mitteln und richtet sich bewusst an ein breites Publikum. In Vorträgen, Filmvorführungen, Ausstellungen und Performances geht es um drängende Zukunftsthemen: Nachhaltigkeit, Technologie, Klimawandel, Gerechtigkeit – aber auch um die Frage, wie Wissen vermittelt werden kann, ohne zu belehren.
Die Installation Loop ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Sie bringt Menschen buchstäblich in Bewegung, macht Inhalte greifbar und zeigt, dass Literatur, Wissenschaft und Partizipation kein Widerspruch sein müssen. Dass dieser Ansatz mitten im öffentlichen Raum stattfindet – auf dem zentralen Marktplatz von Halle – ist dabei mehr als nur eine hübsche Kulisse. Es ist ein Statement für Zugänglichkeit, Offenheit und Neugier.
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