Sachsen-Anhaltische Krebsgesellschaft feierte 25-jähriges Bestehen mit Festakt in der Leopoldina
Wenn ein Jubiläum nicht nur ein Datum markiert, sondern eine Geschichte erzählt, dann ist es dieses: 25 Jahre Sachsen-Anhaltische Krebsgesellschaft e.V. – ein Vierteljahrhundert Engagement, Beratung, Aufklärung und Begleitung. Ein Netzwerk, das gewachsen ist, weil Menschen Verantwortung übernehmen. Und ein Anlass, der am vergangenen Samstag in der traditionsreichen Leopoldina in Halle festlich gewürdigt wurde. Bereits beim Betreten des Veranstaltungsortes zeigte sich die besondere Stimmung dieses Abends. Die monumentale Fassade der Nationalen Akademie der Wissenschaften war in ein intensives Grün getaucht – der Farbe der Hoffnung, des Lebens, und für viele Gäste ein bewusst gewähltes Symbol. Erst vor wenigen Tagen war sie, anlässlich des Weltpankreastages, in Lila angestrahlt worden. Zwei Farbtöne, zwei Botschaften – beide verweisen auf das Ziel, Krebs sichtbar zu machen, ohne Menschen damit allein zu lassen.
Ein Festakt, der Zusammenhalt lebendig macht
Im Inneren der Leopoldina erwartete die Gäste eine feierliche Atmosphäre. Das Salontrio Halle sorgte für musikalische Umrahmung und griff dabei auch Werke von Georg Friedrich Händel auf – ein Komponist mit Hallenser Wurzeln, dessen Musik an diesem Abend warm und getragen durch den Saal klang. Der neue Vorstandsvorsitzende der Sachsen-Anhaltischen Krebsgesellschaft, Prof. Dr. Dirk Vordermark, begrüßte die Gäste und blickte auf das Erreichte zurück. Er dankte den zahlreichen Partnern, die das Netzwerk der Krebsgesellschaft prägen – darunter Krankenhäuser im ganzen Land, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure wie die Freiwilligenagentur Halle-Saalekreis, die Arbeiterwohlfahrt oder das Netzwerk Gesundheit Mitteldeutschland. Dabei hob Vordermark hervor, was das Wirken der Krebsgesellschaft im Kern ausmacht: Sie sei „mehr als eine Organisation oder eine bürokratische Struktur. Sie ist ein Netzwerk aus Menschen, die Verantwortung übernehmen, die Mut machen und die Hoffnung weitergeben.“ Ein Satz, der im Publikum spürbar Resonanz fand. Denn viele der Anwesenden arbeiten seit Jahren, teils Jahrzehnten, im Bereich Onkologie, Prävention, Pflege oder in der Selbsthilfearbeit. Für sie ist die Krebsgesellschaft kein abstraktes Gebilde – sondern ein Teil ihrer beruflichen und persönlichen Biografie.
Die Stimme, die fehlte – und dennoch gehört wurde
Ein Programmpunkt des Abends konnte nicht wie geplant stattfinden. Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne, deren Arbeit eng mit der Krebsgesellschaft verknüpft ist, war erkrankt und konnte ihr Grußwort nicht persönlich überbringen. Ihre Stimme hatte sie buchstäblich verloren. Stattdessen wurde eine bereits zuvor aufgezeichnete Videobotschaft eingespielt – eine Botschaft, die dennoch ihren Platz fand und die Dankbarkeit der Landesregierung deutlich zum Ausdruck brachte. Sie würdigte das Engagement der Krebsgesellschaft: „Sie stehen seit einem Vierteljahrhundert fest an der Seite der Betroffenen, geben ihnen Orientierung, Halt und Hoffnung.“ Grimm-Benne erinnerte außerdem an eine Bodypainting-Ausstellung brustkrebsbetroffener Frauen, die im Gesundheitsministerium gezeigt worden war. Eine Aktion, die sie als „bewegend“ beschrieben hatte – und die auch in ihrer Videoansprache nachwirkte. Den Frauen, sagte sie, sei es gelungen, „anderen Betroffenen und ihren Angehörigen Mut im Kampf gegen den Krebs“ zu geben. Ihr Appell: „Machen Sie weiter so.“
Netzwerke, die tragen – und warum sie so wichtig sind
Ein Höhepunkt des Abends war die Rede von Dr. Johannes Bruns, dem Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Seine Worte führten die Zuhörenden zurück zu den Wurzeln der Landesgesellschaften – und machten zugleich sichtbar, wie essenziell vernetztes Denken in der modernen Krebsversorgung ist. Er erinnerte daran, dass die Gründung nicht nur Ärztinnen und Ärzten zu verdanken sei: „Es war ein ganzes Netzwerk unterschiedlicher Professionen.“ Man habe in den vergangenen Jahren gelernt, „dass Krebspatienten besser behandelt werden, wenn Menschen aus unterschiedlichen Fachrichtungen sich miteinander verbinden, miteinander sprechen.“ Diese Einsicht sei heute selbstverständlich, sagt Bruns – doch sie war es nicht immer. Ebenso ging er darauf ein, wie sich die Bedürfnisse von Betroffenen nach der akuten medizinischen Behandlung verändern. Sie brauchen nicht den ständigen Rückbezug auf Chemotherapie oder Operationen, sondern Wege zurück in ihren Alltag: „Denn jeder Krebspatient, wenn er die Diagnose bekommt, hat das Gefühl, er steigt aus seinem Leben.“ Die psychosoziale Beratung, so Bruns, sei genau aus diesem Gedanken entstanden. Sie gebe Orientierung in einer Phase, in der vieles ins Wanken geraten kann. Der Generalsekretär sprach auch offen über das Thema Finanzierung. Die Mischung aus öffentlicher Förderung, privaten Spenden und Engagement sei unverzichtbar – auch wenn sie politisch nicht immer leicht zu vermitteln sei. Schließlich, so Bruns, wolle er persönlich „lieber beraten, als mich darum kümmern, Geld zu besorgen.“
Eine schockierende Episode – und ein Appell, der nachhallt
Die Schirmherrin der Krebsgesellschaft, Renate Höppner, fand emotionale Worte. Sie griff eine kürzlich publik gewordene Beleidigung gegenüber der erkrankten Politikerin Tabea Rößner in einer Erfurter Straßenbahn auf – eine Episode, die sie tief bewegt habe. Eine Passantin hatte Rößner, die aufgrund ihrer Krebstherapie keine Haare trägt, mit dem Satz konfrontiert, sie solle „mal zum Frisör gehen“. Die Antwort auf ihren Hinweis, krebskrank zu sein, sei gewesen: „ist mir scheißegal“. Höppner sprach von Entsetzen – nicht nur über die Beleidigung, sondern über das Schweigen der Umstehenden. Ihr Appell: Wir müssen laut sein. „Damit wir gehört werden. Dass wir eine Stimme sind, die solidarisch, die hilfreich ist und sich unüberhörbar einsetzt für die Menschen, die der Hilfe, der Begleitung, der Solidarität und des Engagements vieler Fachkräfte bedürfen.“ Höppner zeichnete anschließend die Entwicklung der Krebsgesellschaft nach: von einem kleinen Team mit vier engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern hin zu einer Institution mit landesweiter Bedeutung. Vieles sei damals improvisiert gewesen – Räume, Strukturen, Abläufe. Aber getragen von einer großen Vision: flächendeckende Beratungsstellen in einem weitläufigen Bundesland wie Sachsen-Anhalt. Ihr Blick nach vorn macht klar, dass Prävention immer stärker in den Mittelpunkt rückt – etwa bei Hautkrebs, einem der häufigsten Tumoren. Die Krebsgesellschaft war hier früh aktiv und entwickelte ein Programm, das bereits im Kindergartenalter ansetzt. Auch beim Mammographie-Screening und der Darmkrebsfrüherkennung wird kontinuierlich gearbeitet und ausgebaut.
Festvortrag: Eine Krankheit, die in alle Dimensionen des Lebens eingreift
Der Festvortrag, gehalten von Prof. Dr. Giovanni Maio von der Universität Freiburg, setzte einen eindringlichen, philosophisch und ethisch durchdrungenen Akzent. Er sprach über das Thema „Auch der autonome Patient braucht Fürsorge – Ethische Grundreflexionen für die Krebsversorgung von morgen“. Maio beschrieb die Diagnose Krebs als existenzielle Erfahrung, „die den ganzen Menschen betrifft, den ganzen Menschen verändert.“ Sie sei ein Bruch – ein plötzlicher Sturz aus der Normalität. Seine Worte trafen einen Nerv: Man wechsle das „Lager“, vom Gesunden zum Kranken, verliere den Boden unter den Füßen. Die Zukunft werde ungewiss – nicht mehr planbar, sondern ein Raum, in dem man hoffen müsse. Maio machte deutlich, dass Krebs immer auch eine soziale Krankheit ist. Viele Betroffene fühlten sich ausgegrenzt oder zögen sich zurück. Gerade deshalb seien Selbsthilfegruppen so wichtig – Orte der Begegnung, der Verbundenheit, der gegenseitigen Stärkung. Zentral war sein Begriff der Sorge. Sorge bedeute nicht nur Versorgung, sondern eine Haltung: das Anliegen, sich zu kümmern. Diese Haltung sei das Fundament aller Heilberufe. Und sie sei auch das Fundament der Krebsgesellschaft, die es nur gebe, weil viele Menschen diese Haltung leben. Wo Sorge erfahrbar werde, so Maio, entstehe Trost – und die klare Botschaft: Auch ein Mensch mit Krebs hat Bedeutung.















Ein weiterer Moment des Festakts würdigte die Arbeit eines Mannes, der die Sachsen-Anhaltsche Krebsgesellschaft über viele Jahre geprägt hat: Hans-Joachim Schmoll, ihr langjähriger Vorsitzender, wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Mehr dazu im gesonderten Artikel.









Diese Gesellschaft so in der aktiven Form nicht unbedingt erforderlich, sagt einer, dem ein Gehirntumor erfolgreich entfernt wurde und der selbst handeln musste, weil ein Medizinmann versagte.