12 Kilogramm Weihnachtskekse für den guten Zweck: Behindertenbeirat bäckt für die Bahnhofsmission
Freitagvormittag im Micheel Küchenstudio am Hansering: Noch bevor die ersten Bleche in die Öfen geschoben werden, liegt ein Duft von Butter, Vanille und Vorfreude in der Luft. An mehreren Arbeitsinseln kneten Hände konzentriert Teig, Nudelholz rollt über frisch bestäubte Arbeitsflächen, Ausstechformen klirren, und immer wieder bricht fröhliches Gelächter aus. Die jährliche Backaktion des Behindertenbeirats der Stadt Halle hat begonnen –es war die dritte Auflage und soll zu Tradition werden, die inzwischen nicht nur wichtige soziale Arbeit leistet, sondern auch ein starkes Zeichen setzt. Denn die Plätzchen, die an diesem Tag entstehen, sind nicht einfach nur süße Naschereien. Sie stehen für Engagement, für Teilhabe und für eine klare Botschaft: Menschen mit Behinderung sind ein aktiver, tatkräftiger Teil dieser Stadtgesellschaft.
Eine Backstube voller Energie
Schon früh am Morgen herrscht im Küchenstudio ein geschäftiges Treiben. Mehrere Mitglieder des städtischen Behindertenbeirats, Unterstützerinnen und Unterstützer sowie ehrenamtliche Helfer verteilen sich auf die Stationen. Die Arbeitswege sind kurz, die Abläufe eingespielt, und schnell verwandelt sich der vorbereitete Teig in bunte Vielfalt: Sterne, Tannenbäume, Herzen, Monde, kleine Schneemänner und klassische Plätzchenkreise. Zwölf Kilogramm Teig wurden vorbereitet – eine Menge, die nach viel Arbeit klingt, sich aber erstaunlich harmonisch verteilt. Immer wieder wandert eine neue Fuhre auf die Bleche. Kaum ist ein Backgang vorbei, wird schon wieder verziert: mit Zuckerguss, Schokolade, farbigen Streuseln und Nüssen. Währenddessen werden gefüllte Papiertüten sorgfältig zur Seite gestellt. 121 Stück werden es am Ende sein – liebevoll befüllt, verschlossen und mit Schleifen dekoriert. Diese Tüten gehen an die Bahnhofsmission, die sie an Menschen weitergibt, die gerade in der Adventszeit oft besonders dringend eine kleine Aufmerksamkeit brauchen.
Politische Unterstützung am Backtisch
Die Aktion lebt nicht nur vom Engagement des Behindertenbeirats selbst. Auch politische Vertreterinnen und Vertreter sind gekommen, um mit anzupacken. Unter ihnen die Landtagsabgeordneten Katja Pähle (SPD) und Wolfgang Aldag (Bündnis 90/Die Grünen). Beide krempeln die Ärmel hoch und greifen zu Teigschaber und Ausstechform. Ebenfalls vor Ort: Halles Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt. Er gibt freimütig zu, dass er noch nie Weihnachtsplätzchen gebacken hat. Doch wer ihn an diesem Vormittag beobachtet, merkt schnell: Der Mann hat dennoch Talent. Vogt kocht leidenschaftlich gern und bereitet zuhause regelmäßig Teig für Pizza oder Quiche selbst zu – Routine also, die auch beim Plätzchenbacken hilft. Zwischen Teigschüsseln und Backblechen entsteht so eine besondere Atmosphäre. Politik und Ehrenamt begegnen sich auf Augenhöhe, die Rollen vermischen sich, man arbeitet zusammen und lacht miteinander. Es ist spürbar, dass hier mehr passiert als nur das Herstellen von Gebäck. Der Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen der Stadt Halle, Dr. Toralf Fischer, bringt an diesem Tag auf den Punkt, was vielen Anwesenden wichtig ist. „Mit der Aktion wollen wir zeigen, dass auch behinderte Menschen etwas für die Gesellschaft machen können“, sagt er – und deutet damit auf ein Thema hin, das weit über das Backen hinausreicht. Denn trotz vieler positiver Entwicklungen bleibt die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung in Deutschland und besonders in Sachsen-Anhalt ein schwieriges Feld. Fischer weist darauf hin, dass das Land im bundesweiten Vergleich bei der Beschäftigung behinderter Menschen trauriges Schlusslicht ist. Besonders kritisiert er, dass selbst die Landesverwaltung hier kein Vorbild sei und Menschen mit Behinderung zu selten beschäftige. Seine Worte fallen nicht ins Leere. Zwischen den Arbeitsschritten wird darüber gesprochen, wie solche Aktionen dazu beitragen können, Vorurteile abzubauen – und wie wichtig es ist, auch politisch dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen faire Chancen erhalten.
Im ersten Jahr ging der Erlös in Form von Plätzchen und Spenden an den Bus „Vierjahreszeiten“, ein Projekt, das insbesondere obdachlose Menschen unterstützt. Im vergangenen Jahr wurden die Plätzchen für ein Kinderheim gebacken – zusätzlich wurde Geld gesammelt, von dem Spielzeuge für die Kinder gekauft wurden. Jedes Jahr wählt der Behindertenbeirat ein neues soziales Ziel aus, das sich aus aktuellem Bedarf, Anregungen von Mitgliedern oder persönlichen Kontakten ergibt. In diesem Jahr fiel die Wahl auf die Bahnhofsmission, eine Einrichtung, die gerade zur Adventszeit stark frequentiert ist und Menschen in schwierigen Lebenslagen niedrigschwellig unterstützt. Die Bahnhofsmission wird die Tüten in den kommenden Tagen an Menschen weitergeben, die häufig wenig Grund zur Freude haben – an Menschen ohne festen Wohnsitz, an Reisende in Not, an Alleinstehende. Für sie sind die Plätzchen mehr als eine Aufmerksamkeit: Sie sind ein Zeichen, dass sie nicht vergessen sind.
Die Sache mit der Förderung
Bei aller Freude über das gelungene Ergebnis gibt es allerdings auch Kritik – und die wird ebenfalls ausgesprochen. Simone Pareigis, die stellvertretende Vorsitzende des Behindertenbeirats, erinnert an ein nicht unerhebliches strukturelles Problem: Der Behindertenbeirat der Stadt erhält keinen einzigen Cent Förderung. Nicht für Veranstaltungen, nicht für Flyer, nicht einmal für Informationsmaterial. Pareigis bringt es klar zur Sprache und wendet sich dabei direkt an den Oberbürgermeister. Sie wolle ihm das Thema „ans Herz legen“ und sagt: „Und vielleicht finden Sie irgendeine Möglichkeit.“ Die Worte hallen nach. Denn während an diesem Tag alle zusammen anpacken, wird auch deutlich, wie sehr der Beirat auf ehrenamtliches Engagement angewiesen ist. Viele Aktionen könnten größer, sichtbarer oder nachhaltiger sein – wenn die nötigen Mittel zur Verfügung stünden.
Die Mitglieder des Behindertenbeirats werden nach der erfolgreichen Aktion sicher bald überlegen, welches soziale Projekt im kommenden Jahr unterstützt werden soll. Die Resonanz der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass ihre Aktionen wertgeschätzt werden – sowohl von denjenigen, die helfen, als auch von denen, die am Ende beschenkt werden. Und der Termin für das kommende Jahr steht schon fest: am 11.12.2026 wird wieder gebacken.































Herzlichen Dank an den Behindertenverband und die Vertreter der Selbshilfegruppen Krebserkrankter, nicht für die Trittbrettfahrer .
Es ist mal wieder Wahlkampfzeit. Woran kann man das merken? Katja Pähle tritt öffentlich in Halle auf. Offenbar wird das alte „Erfolgsmodell“ aus dem Jahr 2021 wieder aus der Versenkung geholt, als sie in Halle großsprecherisch verkündete, die nächste Ministerpräsidentin des LSA zu werden, woraus bekanntlich nichts wurde. Flankiert wird die Genossin von einem jungen dynamischen Herrn, der im Schweiße seines Angesichts als selbstständiger Unternehmer und selbsternannter Retter des Südstadtcenters noch Zeit hat, für andere Menschen Weihnachtskekse zu backen.
Mal grundsätzlich: Ich finde es sehr ehrenwert, wenn sich Menschen für Menschen mit Behinderungen einsetzen. Nur sollten Aktionen wie das Keksebacken nicht für den Wahlkampf instrumentalisiert werden. Denn so etwas ist einfach nur unwürdig und nicht in Ordnung gegenüber Menschen mit Behinderungen.