Trotz leichtem Rückgang: Krankenstand in Sachsen-Anhalt weiter auf Rekordniveau – Hauptursache sind Atemwegserkrankungen

Die Fehlzeiten in Betrieben in Sachsen-Anhalt bleiben 2024 auf einem hohen Niveau. Beschäftigte, die bei der AOK versichert sind, waren im vergangenen Jahr durchschnittlich 2,4 Mal krankheitsbedingt nicht im Betrieb. Der Krankenstand lag damit bei 7,7 Prozent, 2023 waren es 7,9 Prozent. Atemwegserkrankungen waren dabei erneut der wichtigste Faktor: jeder dritte Krankheitsfall (33 Prozent) ging auf eine solche Erkrankung zurück.
Zwischen September 2024 und März 2025 kam es zu besonders vielen Krankmeldungen. In dieser Zeit war der Einfluss von Atemwegserkrankungen deutlich spürbar. „Hier gibt es in der Forschung Hinweise darauf, dass eine verstärkte Viruszirkulation und eine höhere Anfälligkeit für Infektionen nach der COVID-19-Pandemie eine Rolle gespielt haben könnten“, sagt Rene Bethke, Leiter des Gesundheitsmanagements bei der AOK Sachsen-Anhalt. Allerdings habe es auch in früheren Jahren immer wieder starke Erkältungswellen gegeben – und auch COVID-19-Fälle treten weiterhin auf.
Elektronische Krankmeldung sorgt für vollständigere Erfassung
Die Daten der AOK zeigen auch, dass die Krankmeldungen von 2021 auf 2022 sprunghaft gestiegen sind und seitdem auf hohem Niveau bleiben: 2021 lag der Krankenstand in Sachsen-Anhalt bei 6,3 Prozent, 2022 war er bei 7,7 Prozent.
Ein Grund für die gestiegene Zahl der Krankmeldungen dürfte laut Bethke mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) sein. Seit 2022 sind die Ärzte verpflichtet, die Krankmeldungen elektronisch an die Krankenkassen zu übermitteln. „Diese sorgt dafür, dass Krankmeldungen vollständiger erfasst werden. Früher wurden vor allem kurze Erkrankungen oft nicht an die Krankenkassen gemeldet. Jetzt ergibt sich ein realistischeres Bild der tatsächlichen Fehlzeiten“, sagt Bethke.
Der Missbrauch der telefonischen Krankmeldung spielt dagegen kaum eine Rolle. Eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt: 2024 gab es bundesweit 26,4 Millionen Krankheitsfälle wegen Atemwegserkrankungen, aber nur 145.000 davon wurden telefonisch ausgestellt. Das entspricht 1,5 Prozent – zu wenig, um den starken Anstieg zu erklären.
Psychische Erkrankungen: Weniger häufig, aber mit langen Ausfallzeiten
Psychische Erkrankungen sind zwar deutlich seltener als Atemwegserkrankungen, führen aber zu besonders langen Fehlzeiten. 2024 dauerte in Sachsen-Anhalt ein Krankheitsfall im Durchschnitt 11,7 Tage, bei psychischen Erkrankungen hingegen 26,9 Tage.
In den letzten zehn Jahren sind in Sachsen-Anhalt die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen um 70 Prozent gestiegen. Gründe dafür werden unterschiedlich diskutiert. Neben zunehmenden Belastungen am Arbeitsplatz spielen auch eine höhere Sensibilität der Ärztinnen und Ärzte sowie eine größere gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Krankheiten eine Rolle. Zudem wird vermutet, dass Diagnosen heute häufiger als psychisch eingeordnet werden, während früher körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen im Vordergrund standen.
Betriebliche Gesundheitsförderung stärker nutzen
„Eine wichtige Rolle spielen aber auch die großen Trends der letzten Jahrzehnte“, so Bethke. Langfristige Entwicklungen wie die Transformation zur Dienstleistungsgesellschaft, die Digitalisierung der Arbeitswelt, steigende Arbeitsgeschwindigkeit und wachsende Unsicherheit in Berufslaufbahnen würden den psychischen Druck zusätzlich erhöhen. „Hier kann betriebliche Gesundheitsförderung Ansätze bieten, um die Widerstandsfähigkeit und psychische Belastbarkeit der Belegschaft von Betrieben zu stärken. Eine gute Unternehmenskultur und Führung sind zentrale Stellschrauben, um Mitarbeitende gesund zu erhalten und langfristig an die Unternehmen zu binden“, so Bethke.
Hier sollte man unbedingt ansetzen und an die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall rangehen. Die Abschaffung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall würde zu einem schlagartigen Rückgang des Krankenstandes führen und für Wirtschaftswachstum sorgen.