Zukunft des ÖPNV in Sachsen-Anhalt: Verkehrsverband VDV fordert Milliarden-Investitionen für bessere Mobilität bis 2040
Sachsen-Anhalts öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) steht an einem Wendepunkt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat mit dem neuen Leistungskostengutachten erstmals eine detaillierte Prognose zum Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis zum Jahr 2040 vorgelegt – und dabei auch das Land Sachsen-Anhalt genau in den Blick genommen. Die Ergebnisse zeichnen ein klares Bild: Die anstehenden Aufgaben sind gewaltig, doch der Nutzen für die Bevölkerung, das Klima und die Erreichbarkeit in der Region ist ebenso groß.
Das Gutachten stellt zwei Szenarien vor, mit denen sich die künftige Entwicklung des ÖPNV in Sachsen-Anhalt beschreiben lässt: „Modernisierung 2040“ und „Deutschlandangebot 2040“. Beide zeigen deutlich, dass Investitionen nicht nur notwendig sind, sondern auch zu spürbaren Verbesserungen für die Menschen führen können. Halles Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt war eins auch mehrere jahre beim VDV tätig.
Szenario 1: Sanieren, modernisieren, erneuern
Im Szenario „Modernisierung 2040“ steht die umfassende Erneuerung des bestehenden ÖPNV-Systems im Mittelpunkt. Der Sanierungsstau, der sich über Jahre hinweg aufgebaut hat, soll gezielt abgebaut werden. Gleichzeitig ist geplant, die Bus- und Bahnflotten vollständig auf emissionsfreie Antriebe umzustellen, wodurch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann. Die bestehende Infrastruktur – darunter Betriebshöfe, Werkstätten und digitale Steuerungssysteme – soll umfassend modernisiert werden, um den Betrieb effizienter und zukunftsfähiger zu gestalten.
Ergänzt wird dieses Modernisierungsprogramm durch punktuelle Angebotsausweitungen, etwa bei der Stadtbahn Halle oder der Straßenbahn Magdeburg. Auf diese Weise soll nicht nur das derzeitige Angebot gesichert, sondern in seiner Qualität spürbar verbessert werden – ein wichtiger Schritt, um den ÖPNV für mehr Menschen attraktiver zu machen.
Szenario 2: Ausbau für Stadt und Land
Deutlich weiter geht das Szenario „Deutschlandangebot 2040“, das eine grundlegend neue Angebotsstruktur vorsieht. Insbesondere in den ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts soll das Busangebot deutlich verdichtet werden. Flexible Kleinbusse auf Abruf – sogenannte On-Demand-Angebote – sollen dort eingesetzt werden, wo Linienverkehre bisher nicht wirtschaftlich oder praktikabel sind. Damit wird eine passgenaue Ergänzung zum klassischen Linienverkehr geschaffen, die vor allem in dünn besiedelten Gebieten neue Mobilitätschancen eröffnet.
Auch in den Städten wird das Angebot erheblich ausgeweitet. In den Straßen- und Stadtbahnnetzen ist eine Leistungssteigerung um 40 Prozent vorgesehen. Durch beschleunigte Fahrpläne sollen zudem kürzere Wartezeiten und bessere Umstiege ermöglicht werden. Im Schienenverkehr wird der deutschlandweite Taktfahrplan – der sogenannte Deutschlandtakt – vollständig umgesetzt. Dazu gehört auch der gezielte Ausbau wichtiger Knotenpunkte im Land, etwa in Dessau und Magdeburg. Ziel ist es, die Fahrzeiten zu verkürzen und verlässliche Anschlüsse zu schaffen – ein Quantensprung für ein Flächenland wie Sachsen-Anhalt.
Der Preis der Zukunft
Beide Szenarien zeigen klar: Die angestrebten Verbesserungen lassen sich nur mit einem deutlich höheren Mitteleinsatz realisieren. Der jährliche Finanzierungsbedarf für den ÖPNV in Sachsen-Anhalt wird – je nach Szenario – bis zum Jahr 2040 auf eine Summe zwischen 1,46 und 2,02 Milliarden Euro steigen. Damit würde sich der heutige Finanzierungsaufwand mehr als verdoppeln. Ein Teil dieses Anstiegs ist allerdings unvermeidlich, da allein die Inflation bis 2040 zu einem Mehrbedarf von rund 300 Millionen Euro führen wird.
Besonders deutlich wird das Ungleichgewicht bei der Finanzierung: Im Jahr 2025 liegt der landeseigene Anteil an den ÖPNV-Ausgaben in Sachsen-Anhalt bei lediglich rund sechs Prozent. Der überwiegende Teil der Finanzierung stammt aus den sogenannten Regionalisierungsmitteln des Bundes. Sollte das Land nicht deutlich mehr eigene, zweckgebundene Mittel bereitstellen, drohen nicht nur Rückschritte beim Ausbau – sondern im schlimmsten Fall auch ein Rückgang bei der Nachfrage. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel wäre das ein fatales Signal.
Reale Verbesserungen für die Menschen im Land
Die Bevölkerung profitiert laut Gutachten in hohem Maße von den geplanten Ausbauschritten. Im Szenario „Deutschlandangebot“ verbessert sich die ÖPNV-Erschließung für rund ein Drittel der Menschen in Sachsen-Anhalt gleich um zwei Güteklassen – für fast die Hälfte immerhin um eine. Damit wird nicht nur die Mobilität in städtischen Räumen gestärkt, sondern vor allem auch die Erreichbarkeit im ländlichen Raum verbessert. Insgesamt steigt die durchschnittliche Angebotsqualität von der Schulnote 4,1 auf 2,9. Das entspricht einer völlig neuen Qualität des öffentlichen Verkehrs – und bedeutet einen großen Schritt in Richtung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Die VDV-Landesgruppe Ost zeigt sich entschlossen. „Unsere Verkehrsunternehmen sind bereit, diese Transformation mit aller Kraft mitzugestalten“, erklärt Birgit Münster-Rendel, Vorsitzende der Landesgruppe. „Aber dafür braucht es einen klaren politischen Willen und Mut. Sachsen-Anhalt muss beim ÖPNV jetzt die Weichen richtig stellen – für mehr Lebensqualität, Klimaschutz und gleichwertige Lebensverhältnisse.“
Auch Alexander Möller, Geschäftsführer des VDV, sieht im Deutschlandangebot einen Meilenstein. „Wir können damit einen ÖPNV schaffen, der alle Menschen in allen Teilen des Landes bestmöglich versorgt“, so Möller. Es gehe um bessere Qualität, mehr Verbindungen und mehr Flexibilität – und damit um die Zukunft der Mobilität in der Region.
VDV fordert: Finanzierungspakt jetzt!
Aus Sicht des VDV ist klar: Nur durch gemeinsames Handeln von Bund, Ländern und Kommunen kann der ÖPNV zukunftssicher aufgestellt werden. Das Gutachten zeigt deutlich, dass das Land Sachsen-Anhalt diese Herausforderung nicht allein stemmen kann – aber auch nicht aus der Verantwortung entlassen werden darf. Der Verband fordert deshalb die schnelle Umsetzung des im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigten Modernisierungspakts für den ÖPNV. Dieser soll klare Zuständigkeiten, langfristige Zusagen und eine verbindliche Finanzierung regeln.
Nur so lässt sich sicherstellen, dass der ÖPNV in Sachsen-Anhalt mehr sein kann als ein Grundangebot – nämlich ein echter Mehrwert für alle: für Pendlerinnen und Pendler, für Schülerinnen und Schüler, für Seniorinnen und Senioren, für die Umwelt und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land.













Man kann es aber auch anders herum betrachten. Wenn man das Angebot des ÖPNV praktisch auf Null fährt, spart das immense Kosten. Diese Milliarden können dann in gute Straßen und bessere Infrastruktur für PKW und LKW gesteckt werden. Das wäre zum Vorteil der Pendler und der Wirtschaft. Und sorgt dann wieder für Mehreinnahmen beim Staat.
Falsch gerechnet. Sie vergessen das dann jeder Mensch ein Auto braucht, entsprechend werden die Straßen wesentlich öfter saniert werden müssen, mehr Stau, und auch mehr Straßen. Zweispurige Straßen in der Stadt gibt es dann nicht mehr. dann braucht es 4 oder 6 weswegen Hauser abgerissen erden müssen etc. Das wird zum Verkehrskollabs führen, gerade in den Städten.
Wo bringen Straßen Steuereinnahmen?? Die Steuern die Pendler bezahlen reichen bei weitem nicht aus um das Straßennetz zu finanzieren. Sowohl ÖPNV als auch Straßen sind ein fetten Minusgeschäft für den Staat. Ihr Vorschlag führt ins absolute Chaos und ist völlig unüberlegt. Dort wo sie als Autofahrer jetzt schon im Stau stehen, stehen sie noch mehr im Stau. Da ist es sinnvoller einen Bus oder Tram langfahren zu lassen, damit weniger Menschen mit ihnen im Stau stehen, damit sie schneller voran kommen. Sie als Pendler müssten jedem Menschen danken der ÖPNV nutzt, weil dadurch sparen sie als Autofahrer nerven und jede menge Geld
@Alternative: Könnte man machen, klar. Dann hätte man allerdings einen enormen wirtschaftlichen Schaden, weil viele Menschen nicht mehr auf Arbeit kämen und auch nicht wüssten, wo sie ihre Kinder lassen sollen (die kämen dann nämlich vielfach nicht in die Schule).
Für Pendler würde das auch nur bedingt besser, denn auf den Straßen hätte man mit mehr Stau zu rechnen (das ist auch nicht sonderlich wirtschaftlich, im Gegenteil).
Zudem ist es viel effizienter und nachhaltiger das Geld in den Ausbau des ÖPNV zu investieren als in Straßen. Zumal die durch den Umstieg auf nachhaltige Formen der Mobilität auh weniger stark strapaziert werden dürften.
Berlin hat gerad eine weitere Ausbaustufe der Stadtautobahn bekommen.
Ich lade Dich ein, wir beide an der Elsenbrücke auf ein Kaltgetränk.
Da siehst und schmeckst Du, was der so wichtige Individualverkehr kann.
Stimmt, sieht man ja in den nordamerikanischen Großstädten, wie gut das funktioniert. Lebenswerte Städte sind auf ÖPNV angewiesen. Wir brauchen nicht mehr Individualverkehr. Vorreiter haben gezeigt: weniger Autos in den Innenstädte = mehr Fussgänger und mehr Einnahmen für lokale Geschäfte.
Genau, man kann es auch andersrum betrachten, muss aber feststellen, dass dieses Szenario für alle schlecht wäre: Bürger, die im urbanen Raum heute noch auf die Nutzung des Autos ganz oder mindestens teilweise verzichten können, müssten dann komplett auf das Auto umsteigen. Täglich sind das allein in Halle etwa 150.000 Fahrten (!), die unsere Straßen dann MEHR belasten würden. In Sachsen Anhalt gesamt sogar 400.000 Fahrten täglich. Und Bürger, die auf die Nutzung des ÖPNV angewiesen sind (Ältere, Menschen mit Handicap, Kinder, Leute ohne FS, etc.) bleiben dann mit Taxi mobil, oder wie hast du dir das vorgestellt?