Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen verschärft sich bundesweit – Grüne in Sachsen-Anhalt fordern Entkriminalisierung und Bundesratsinitiative

Die finalen Ergebnisse der vom Bundesgesundheitsministerium beauftragten ELSA-Studie („Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer“) zeigen alarmierende Defizite in der medizinischen Versorgung ungewollt Schwangerer in Deutschland – insbesondere bei der Erreichbarkeit von Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Besonders betroffen sind Regionen im Süden und Westen der Bundesrepublik. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Anzeichen für eine Verschlechterung der Versorgungslage, wie aktuelle Zahlen belegen.
Die Studie, an der über 4.500 Frauen mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren teilnahmen, wurde durch weitere Datensätze des Statistischen Bundesamts und vorherige Erhebungen ergänzt. Ihr zentrales Ergebnis: In 85 von 400 deutschen Landkreisen ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen eingeschränkt – dort müssen Betroffene mehr als 40 Minuten zu einer geeigneten Einrichtung fahren. Die betroffenen Regionen liegen mehrheitlich in Bayern (43 Landkreise), aber auch in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gibt es jeweils acht betroffene Gebiete.
Insgesamt leben 4,5 Millionen Menschen – das entspricht 5,4 Prozent der Gesamtbevölkerung – in Regionen mit schlechter Versorgung. Besonders gravierend ist die Situation in Bayern, wo fast ein Fünftel der Bevölkerung (19,2 Prozent) betroffen ist.
Sachsen-Anhalt aktuell noch gut versorgt – aber mit rückläufigem Trend
Sachsen-Anhalt gehört laut Studie derzeit zu den Regionen mit vergleichsweise guter Versorgungslage. Dennoch mahnt die gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Susan Sziborra-Seidlitz, zur Vorsicht: Auch in Sachsen-Anhalt zeige sich ein rückläufiger Trend bei der ärztlichen Versorgung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Zwischen 2017 und 2024 ist die Zahl der Frauenärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, von 40 auf nur noch 30 gesunken. Diese Entwicklung sei besorgniserregend, betont Sziborra-Seidlitz, zumal damit absehbar sei, dass auch gut versorgte Regionen wie Sachsen-Anhalt langfristig in die Versorgungslücke rutschen könnten.
Zentrale Ursachen: Kriminalisierung und strukturelle Barrieren
Ein zentrales Ergebnis der ELSA-Studie betrifft die gesetzliche Rahmenlage für Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland. Die Forschenden machen deutlich, dass die Einordnung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch eine der Hauptursachen für die lückenhafte Versorgung ist. Die damit verbundene Stigmatisierung erschwert es nicht nur den betroffenen Frauen, sondern auch den Ärzt*innen, die solche Eingriffe durchführen – etwa bei Ausbildung, Abrechnung und öffentlicher Kommunikation.
Die Studie empfiehlt daher ausdrücklich, die rechtlichen Grundlagen zu reformieren, um eine flächendeckende, diskriminierungsfreie Versorgung zu gewährleisten. Der Fokus liege dabei auf einer rechtlichen Neuregelung außerhalb des Strafgesetzbuchs.
Grüne fordern: Sachsen-Anhalt soll Bundesratsinitiative starten
Vor diesem Hintergrund fordert die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt politische Konsequenzen. Zwar sei die Versorgungslage im Land derzeit noch stabil, dennoch dürfe sich die Landesregierung darauf nicht ausruhen. Die Grünen sehen Sachsen-Anhalt in der Verantwortung, sich im Bundesrat für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs einzusetzen.
Die Fraktion verweist dabei auch auf die gescheiterte Gesetzesinitiative im Bundestag während der letzten Legislaturperiode, mit der der Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden sollte. Ohne eine solche Entkriminalisierung bleibe die medizinische Versorgung von ungewollt Schwangeren fragil, so die Grünen. Zudem sei der Rückgang an durchführenden Ärzt*innen auch Ausdruck der Unsicherheit, die durch die derzeitige rechtliche Lage verstärkt werde.
Ausblick: Länder sollen handeln, wenn der Bund zögert
Die Grünen in Sachsen-Anhalt drängen nun auf ein klares Signal aus dem Land. Wenn die Bundesregierung keine entschlossenen Schritte zur Umsetzung der Studienempfehlungen gehe, müsse der Impuls aus den Ländern kommen. Eine Bundesratsinitiative zur Entkriminalisierung könne ein solcher Impuls sein – und ein Schritt hin zu einer rechtlich und medizinisch verlässlichen Versorgungslage für ungewollt Schwangere.
Die ELSA-Studie hat der Debatte neuen Schwung gegeben. Mit fundierten Daten und klaren Empfehlungen liegt es nun an der Politik, auf Bundes- wie Landesebene, die notwendigen Reformen anzustoßen. Der Handlungsdruck ist da – nicht nur in Bayern, sondern auch in vermeintlich gut versorgten Regionen wie Sachsen-Anhalt.
Mir scheint, die Grünen reden sich da was ein, was so nicht existiert. Hier werden Meinungen als Fakten hingestellt (das fängt schonmal damit an, dass Reformen als „notwendig“ behauptet werden – sind sie das nach allgemeinem Konsens überhaupt?) und diese Studie erzielte natürlich genau die Ergebnisse, die man als Argumentationshilfe für seine eigene Agenda braucht.
Diese Debatte wird ja nun schon seit Jahren geführt, ohne dass es wirklich große Veränderungen gab. Wenn man merkt, dass man ein totes Pferd reitet, sollte man vielleicht mal absteigen.
@10010110: Sie meinen also, politischer Handlungsdruck, der aus den Ergebnissen einer breit und längerfristig angelegten Studie abgeleitet wird (der Abschlussbericht umfasst immerhin 999 Seiten: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/ELSA_Abschlussbericht.pdf), seien eine bloße Meinung. Respekt für diese Chuzpe.
Jede Partei, parteinahe Stiftung oder sonstige Lobbygruppe lässt Studien in Auftrag geben, die dann selbstverständlich genau die bereits vorgefertigten Meinungen belegen. Das ist nicht neu und das ist kein reines Phänomen nur der Grünen oder Linken oder Linksgrünen. Und die Anzahl der Seiten sagt nichts über die Qualität des Inhalts aus.
Oder habe ich da was übersehen und die Studie wurde von der CDU oder AfD in Auftrag gegeben? 😮
Sorry, ich muss mich selber korrigieren, denn ich habe tatsächlich überlesen, dass die Studie vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben wurde. 😳
Nichts desto trotz interpretieren Parteien oder Lobbygruppen die Ergebnisse jeder nach seinem eigenen Gusto, so wie es halt in die Agenda passt. Ich wette, CDU und AfD kommen zu ganz anderen Ergebnissen. Und schon wird weitere hundert Jahre auf dem toten Pferd geritten.
Deine Lösung? Jammern im Internet.
Die „Lösung“ von Nina Warken war, die Studie so lange wie möglich unter Verschluss zu halten und dann still und leise, ohne den geringsten Hinweis, irgendwo in der Textsammlung des BMG zu veröffentlichen. Weil die Ergebnisse nun mal nicht so richtig ihren Behauptungen entsprachen.
Und, Entschuldigung, „Ergebnisse“ bei den Afdern? Du beliebst zu scherzen, denen reichen doch Behauptungen.
Als Pro-Child-Life (und damit ggf. Anti-Woman-Life-Anhänger) ist mir das herzlich egal. Dann gibt es eben wieder mehr Familiendramen auf Grund ungewollter Schwangerschaften, weniger Abbrüche wegen schlechter Kindergesundheitsprognosen etc. Zusätzliche Arbeitskräfte für unsere Gesellschaft, egal was es kostet.
Sorry für den Sarkasmus. Die Studie kann man sich wirklich mal ansehen. Dort kommen nicht irgendwelche unbeteiligten Männer oder wohlsituierte Frauen in Talkshows zu Wort.
Kondome?
Hätten deine Erzeuger besser mal genutzt. Dann wäre uns dieser dämliche Kommentar erspart geblieben!
Und das ist dein Argument für Abtreibungen? „Hätten deine Erzeuger besser mal …“
Die Anti-Choice-Fraktion müsste mal mit nicht religiösen Argumenten kommen, damit es was zu diskutieren gäbe. Aber da scheitert’s ja. Und nach der Geburt wird das Kind dann sprachlich fallen gelassen…
Kondome sind ein religiöses Argument?
Ja, vor allem im christlich geprägten Abendland.
Die katholische Kirche ist auch von Verhütung nicht begeistert.
Was glaubst ist der Zweck von Kondomen? 🧐
„Mussten mehr als 40 Minuten fahren“ ist doch kein ernst zu nehmendes Kriterium. Das schaffen viele Pendler zur Schule oder zum Arbeitsplatz fünfmal die Woche.
Und treiben dabei jedesmal ab? Erstaunlich…
Genau mein Punkt. So oft lässt niemand abtreiben. Da muss man sich halt mal einen halben Tag freinehmen. Meine Güte, was für ein Anspruchsdenken.
Alles klar, und wenn aus dem StGB gestrichen, was dann?
Dann ist – was auch immer du meinst – keine Straftat mehr.
Zunächst einmal: Wer sind die Grünen in Sachsen-Anhalt eigentlich? 6 Abgeordnete im Landtag, Tendenz sinkend. 8,irgendwas Prozent in Halle bei der letzten Bundestagswahl, und das dürfte so ziemlich das beste Ergebnis in Sachsen-Anhalt gewesen sein. Insofern sprechen die Grünen natürlich für die überwältigende Bevölkerungsmehrheit…. Mir persönlich (übrigens kein AfD-Wähler, das muss man heutzutage leider extra betonen!) ist es dagegen schon vor über einem Jahr extrem sauer aufgestoßen, als eine Erhebung zu dem Ergebnis kam, dass die Versorgung mit Abtreibungskliniken/–praxen in Ostdeutschland überdurchschnittlich gut sei – im Vergleich zu den selbstverständlich bösen westdeutschen Bundesländern wie Bayern. Ich will hier keine Grundsatzdiskussion über Abtreibung lostreten, aber ich frage mich schon, was eigentlich die Prioritäten in der Gesundheitspolitik hierzulande sein sollen. Aus eigener Erfahrung weiß ich – und vermutlich ziemlich viele andere Patienten auch – wie erniedrigend es mittlerweile ist z.B einen Facharzttermin zu bekommen. Augenärztinnen in Halle, die einem glattweg sagen, dass sie keine Patienten behandeln, die nicht in den letzten 5 Jahren bei Ihnen waren. Kardiologen in Halle, die (in der dritten aufgesuchten Praxis) Termine nur mit 5 Monaten Vorlauf vergeben usw. Unter solchen Umständen frage ich mich, wie wichtig eigentlich die Bedürfnisse von Frauen sind, die offensichtlich zu dumm und/oder zu faul (selbst für die „Pille danach“) zum Verhüten waren. Aber wer solche Fragen zur Verwendung der knappen medizinischen Ressourcen auf Kosten der Allgemeinheit stellt, der gilt in den einschlägigen Kreisen sofort als unverbesserlicher Reaktionär und Fascho. Es ist für gewisse Leute ja so einfach….