Die Stille im Lärm der Zeit: Ausstellung in der Moritzburg

Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) zeigt ab sofort bis zum 12. Mai die hochkarätigen Werke der Sammlung Ziegler, die zu den bedeutendsten Privatsammlungen zur Kunst des Expressionismus und der klassischen Moderne in Deutschland zählt. Die Schau wurde am Samstag offiziell eröffnet.
Die Sammlung umfasst Gemälde und Arbeiten auf Papier von Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Emil Nolde, aber auch Werke der Bauhaus-Meister Lyonel Feininger, Paul Klee und Oskar Schlemmer sowie Einzelpositionen von Max Beckmann, Karl Hofer oder Otto Dix.
Der Naturwissenschaftler und Nobelpreisträger Karl Ziegler und seine Frau Maria begannen 1958 mit dem Erwerb von Kunstwerken, dabei gänzlich ihren privaten Vorlieben folgend. Stillleben und Landschaften, Tier- und Menschendarstellungen bilden den recht intimen Charakter der Kunstsammlung. Im Jahr 1981 gelangte die Sammlung als Schenkung in das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr. Seither wurde die damals 44 Werke umfassende Sammlung durch die nachfolgende Generation mit weiteren Ankäufen ergänzt. Im Jahr 2002 erfolgte die Überführung der Sammlung in eine selbstständige Stiftung. Das Mülheimer Kunstmuseum ist aufgrund von Sanierungsarbeiten am denkmalgeschützten Gebäude „Alte Post“ vorübergehend geschlossen.
Während der Umbauarbeiten geht die Sammlung Ziegler auf Reisen und wird nun zuerst im Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) und anschließend in der Kunsthalle Emden gezeigt. Im Vorfeld der Ausleihe von 100 Werken hat die Stiftung Sammlung Ziegler umfangreiche restauratorische Maßnahmen an mehr als 35 Bildern vorzeitig durchführen lassen, sodass alle wichtigen Bilder auf die Reise geschickt werden konnten.
Karl Ziegler (1898–1973) wirkte von 1936 bis 1945 als Direktor des Chemischen Instituts der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und von 1943 bis 1969 als Leiter des Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Das erklärt die Verbindung der Familie zur Stadt Halle (Saale) und die Beheimatung der Sammlung in Mülheim an der Ruhr, stellt 74 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges aber auch zu beantwortende Fragen nach den Grenzen der Freiheit von Wissenschaft und Kunst in politischen und gesellschaftlichen Kontexten – Fragen, denen das Begleitprogramm für die Ausstellung nachgeht.
Den Nobelpreis erhielt Karl Ziegler 1963 gemeinsam mit dem italienischen Forscher Giulio Natta. Schon 10 Jahre zuvor hatte er das Patent zur Herstellung von hochmolekularem Polyethylen bei Normaldruck und Raumtemperatur mit Hilfe von metallorganischen Mischkatalysatoren angemeldet. Mit den Einnahmen aus den Patentrechten konnte er nicht nur das Mülheimer Max-Planck-Institut über Jahrzehnte hinweg finanziell unabhängig stellen, sondern auch eine Kunstsammlung von internationalem Rang aufbauen, die er später dann der Öffentlichkeit zugänglich machte.
Im Jahr 1967 erwarb Ziegler das Gemälde Roter Turm II (1930) von Lyonel Feininger, dessen Schicksal engstens mit der Stadt Halle (Saale) verbunden ist: Es ist Teil der zwischen 1929 und 1931 entstandenen Halle-Serie des Künstlers. Alle 11 Gemälde des Zyklus wurden von der Stadt für das Museum erworben, allerdings 1937 in der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt. Heute befinden sich wieder drei Gemälde im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Mit Roter Turm II kehrt somit ein viertes für die Zeit der Ausstellung in seinen ursprünglichen Entstehungs- und Sammlungskontext zurück
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