Innehalten zu Jom haScho’a: Kerzen brennen in der halleschen Synagoge am Wasserturm zum Holocaust-Gedenken

Am 27. Nisan, nach dem jüdischen Kalender, steht das Leben in Israel still. Sirenen heulen, Menschen halten inne – in Bussen, auf Autobahnen, in Schulen und Wohnungen. Nichts bewegt sich. Auch in Halle (Saale) war es am Donnerstag ein Tag des Gedenkens, ein Tag der Stille, der Trauer – und der Verantwortung. Am Jom haScho’a wurde der sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden gedacht, deren Leben die Nationalsozialisten auf grausamste Weise ausgelöscht haben.
„Für Euch, ermordet ohne Schuld“
In der Synagoge der Stadt versammelten sich Mitglieder der jüdischen Gemeinde, Vertreter der Stadt, und Menschen, die gekommen waren, um zu erinnern. Gestaltet wurde die Gedenkstunde von den Kindern und Jugendlichen der jüdischen Gemeinde – mit Worten, Liedern, Tränen.
Sie rezitierten Gedichte, sangen, hielten inne. Und sie sprachen Namen: Anna. Berta. Elsa. Günther. Max. Paul. Namen, die stehen für Menschen, für Leben – ausgelöscht in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Allein aus dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt fielen 2.092 jüdische Bürger dem Nazi-Terror zum Opfer.
„Jeder Mensch hat einen Namen“
Die Gedenkstunde begann mit einem Zitat aus dem Gedicht „Le chol isch jesch schem“ der israelischen Dichterin Zelda Schneerson Mishkovsky:
„Jeder Mensch hat einen Namen, den ihm Gott gegeben, den ihm Vater und Mutter geschenkt.“
Dieser Satz wurde zum Leitmotiv des Abends. Eine Jugendliche sprach mit bebender Stimme:
„Für euer Leben, eure Wünsche, die Träume, Hoffnung, Lebenslust, für eure unbeschriebenen Bücher und nie gespielten Melodien.“
Eine andere ergänzte: „Für eure Herzen, eure Liebe, und euren ungelebten Traum.“
Das Licht der Erinnerung
Ein zentrales Element der Gedenkfeier war das Entzünden der Kerzen. Sechs Lichter für sechs Millionen.
- Die erste Kerze: für die jüdischen Partisanen, die im Widerstand starben.
- Die zweite Kerze: für die unschuldigen Kinder, deren Leben nicht beginnen durfte.
- Die dritte Kerze: für die ausgelöschten Gemeinden, für Heimat, die nicht mehr existiert.
- Die vierte Kerze: für die Gerechten unter den Völkern – jene, die halfen, trotz Todesgefahr.
- Die fünfte Kerze: für Israel, das Land des jüdischen Neubeginns.
- Die sechste Kerze: für alle sechs Millionen, die keine Stimme mehr haben.
Ergänzt wurden diese durch sechs weitere Kerzen – eine schmerzliche Aktualität: Sie gedachten den Opfern des Terroranschlags der Hamas am 7. Oktober 2023.
Zum Abschluss erklangen die haTikwa (Hymne Israels) und die deutsche Nationalhymne.
Ein Vermächtnis, das uns verpflichtet
Jom haScho’a ist kein Tag, der irgendwann Geschichte wird. Er ist Gegenwart – und er fordert uns auf, hinzusehen, zu erinnern, zu handeln. Das Grauen des Holocausts begann mit Worten, mit Schweigen, mit Wegsehen. Dass in Halle (Saale) junge Menschen sprechen, erinnern und das Licht der Namen weitertragen, ist ein leiser, aber machtvoller Akt der Hoffnung.
Denn wer sich erinnert, sagt: Nie wieder. Und wer es sagt, muss auch handeln.














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