Mehr Lehrstellen als Bewerber – Sachsen-Anhalts Betriebe suchen dringend junge Fachkräfte – noch tausend Stellen frei, Bauer Elektroanlagen als Vorbild
„Wir haben noch einen Bewerbermarkt“, sagt Simone Meißner, Chefin der Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt Süd. Damit bringt sie auf den Punkt, was viele Betriebe derzeit spüren: Es gibt mehr freie Ausbildungsplätze als junge Menschen, die sich darauf bewerben. In ganz Sachsen-Anhalt sind aktuell rund tausend Ausbildungsstellen unbesetzt, während etwa 500 Jugendliche noch auf der Suche nach einem Platz sind.
Ein Blick in die Statistik zeigt: Von Oktober 2024 bis September 2025 meldeten Unternehmen im Land etwa 10.700 betriebliche Ausbildungsstellen – 400 weniger als im Vorjahr und rund 1.300 weniger als 2023. Ende September waren noch 900 davon unbesetzt. Auf der Bewerberseite registrierten sich 9.400 Jugendliche, 300 mehr als im Jahr zuvor. Darunter sind rund 1.000 junge Menschen mit ausländischer Herkunft – ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs.
Unterschiedliche Interessen – gleiche Chancen
Die Berufswünsche junger Menschen zeigen ein vertrautes Muster: Bei den Mädchen dominieren kaufmännische Berufe, während sich Jungen häufig für handwerklich-technische Bereiche wie Mechatronik interessieren.
„Rund tausend Auszubildende mit ausländischer Staatsangehörigkeit haben in diesem Jahr eine Ausbildung begonnen“, betont Markus Behrens, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit. Viele von ihnen stammen aus Syrien oder der Ukraine. Sie tragen dazu bei, dass die duale Ausbildung auch in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel stabil bleibt.
Die Unternehmen reagieren unterschiedlich auf die Situation. Einige reduzieren ihre Ausbildungsangebote, weil sie keine passenden Bewerber erwarten. Andere setzen auf gezielte Nachwuchsarbeit – mit Erfolg.

Vorbildliche Ausbildung bei Bauer Elektroanlagen
Ein Beispiel für gelungene Nachwuchsarbeit ist das Unternehmen Bauer Elektroanlagen, das seine Zentrale in Halle hat. Hier fand am Donnerstag auch die Präsentation der Ausbildungszahlen statt. Staatssekretärin Susi Möbbeck lobte das Engagement des Betriebs: „Der Betrieb ist vorbildlich unterwegs.“
Bauer beschäftigt bundesweit 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 37 davon sind derzeit Auszubildende am Standort Halle. 70 Prozent der ehemaligen Azubis arbeiten auch nach ihrer Lehre weiter im Unternehmen – eine Quote, auf die man stolz sein kann.
„Man muss viel investieren, um gute Leute zu finden“, sagt Sebastian Buhe, Geschäftsbereichsleiter bei Bauer. Sein Unternehmen leistet sich einen eigenen Vollzeitausbilder – ein Alleinstellungsmerkmal, das zeigt, wie wichtig Ausbildung hier genommen wird. Buhe weiß, wovon er spricht: Er selbst begann einst als Azubi im Betrieb und arbeitete sich bis in die Unternehmensleitung hoch.
„Wir brauchen nicht nur Master, sondern auch Meister“
Für Susi Möbbeck ist klar: „Sachsen-Anhalt ist das Land der Ausbildung.“ Rund 42 Prozent eines Jahrgangs beginnen hier eine Berufsausbildung – bundesweit sind es nur 37 Prozent.
Dennoch stehen die Betriebe vor Herausforderungen: Fast zwei Drittel der Unternehmen finden nicht genug geeignete Bewerber, und nur etwa ein Viertel aller Betriebe bildet überhaupt aus. „Wer sich heute auf eine Ausbildung einlässt, hat beste Chancen“, betont Möbbeck. Die Übernahmequote liegt bei beachtlichen 83 Prozent.
Doch der Fachkräftemangel ist spürbar: Auf zwei Beschäftigte, die in Rente gehen, kommt derzeit nur ein junger Mensch nach. Umso wichtiger ist es, dass Jugendliche frühzeitig an die berufliche Praxis herangeführt werden.
Praktikum als Schlüssel zur passenden Ausbildung
Für Ausbildungsleiter Buhe ist eines besonders wichtig: „Junge Leute sollten vor einer Ausbildung ein Praktikum machen.“ Wer frühzeitig in den Betrieb hineinschnuppert, kann besser entscheiden, ob der Beruf wirklich passt. Das zahlt sich aus – in Halle liegt die Abbruchquote deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. In anderen Regionen, etwa Frankfurt, wo es kaum Praktikumsangebote gibt, brechen laut Buhe bis zu 50 Prozent der Azubis im ersten Lehrjahr ab.
Buhe sieht jedoch auch Handlungsbedarf im System: Zu wenig Lehrkräfte an Berufsschulen, Unterrichtsausfälle und fehlende Attraktivität des Lehrerberufs erschweren die duale Ausbildung. „Der Beruf des Berufsschullehrers muss wieder interessanter werden“, fordert er.

Charlotte – ein Beispiel für gelebte Vielfalt
Ein Blick in die Ausbildungswerkstatt von Bauer zeigt, dass sich die Zeiten ändern. Charlotte, 19 Jahre alt, hat vor zwei Monaten ihre Ausbildung begonnen. Sie ist das einzige Mädchen in der Truppe – und fühlt sich wohl. „Am Anfang schauen manche komisch, wenn ich sage, wo ich arbeite“, erzählt sie. „Aber dann finden es alle cool. Auf den Baustellen gibt es keine dummen Sprüche. Die Kollegen freuen sich eher, dass mal eine Frau dabei ist.“
Ihr Ausbilder betont: „Wir haben sie nicht genommen, weil sie ein Mädchen ist, sondern weil sie überzeugt hat.“ Buhe ergänzt: „Frauen bringen oft eine feinfühligere Arbeitsweise mit – Männer sind manchmal etwas grobmotorisch.“ Charlotte hofft, dass ihr Beispiel andere junge Frauen ermutigt, ebenfalls technische Berufe zu ergreifen.
Ausbildung als Zukunftsversicherung
Die Zahlen zeigen: Sachsen-Anhalt bleibt ein starkes Ausbildungsland, auch wenn die Herausforderungen zunehmen. Konjunkturelle Unsicherheiten, demografischer Wandel und ein veränderter Arbeitsmarkt verlangen Flexibilität – von Unternehmen wie von jungen Menschen.
Das Land unterstützt die Berufsorientierung intensiv: Rund 11.000 Schülerinnen und Schüler werden jährlich bei der Berufswahl begleitet. Die Arbeitsagentur setzt auf digitale Angebote und Präsenzveranstaltungen, etwa Messen und Schulkooperationen, um junge Menschen und Betriebe zusammenzubringen.
„In unseren Unternehmen, Kliniken und Restaurants wird jede Nachwuchskraft dringend gebraucht“, sagt Möbbeck. Die Ausbildung bleibe die „beste Eintrittskarte in ein erfolgreiches Berufsleben mit vielfältigen Karrierechancen“.
Oder, wie Buhe es formuliert: „Wir wollen, dass unsere Azubis bleiben. Denn sie sind die Fachkräfte von morgen.“













„Rund tausend Auszubildende mit ausländischer Staatsangehörigkeit haben in diesem Jahr eine Ausbildung begonnen“
Das ist eine sehr gute Nachricht, gerade für Sachsen-Anhalt, denn der demografische Wandel wird hier immer schlimmer.