Still und leise zum Kita-Kahlschlag? Halle (Saale) bereitet umfassende Umstrukturierungen im Betreuungswesen vor – 1.400 Plätze zuviel in den nächsten drei Jahren

Das Wort „Kahlschlag“ nimmt in der Stadtverwaltung nach außen hin niemand in den Mund. Und doch lässt sich nicht leugnen, dass die geplanten Maßnahmen in der Kindertagesbetreuung auf eine ähnliche Entwicklung hinauslaufen werden. In einer Sitzung des Kita-Betriebsausschusses informierte die Stadtverwaltung nun ausführlich über die aktuelle Lage – und die ist aus städtischer Sicht besorgniserregend. Sinkende Geburtenzahlen, ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen Bedarf und Angebot sowie ein wachsender wirtschaftlicher Druck führen dazu, dass die Stadt Halle ihre gesamte Kita-Landschaft auf den Prüfstand stellt. Auch wenn von offizieller Seite betont wird, dass die Versorgung wohnortnah und bedarfsgerecht bleiben soll, zeichnen sich weitreichende Veränderungen ab, die viele Einrichtungen und Träger in ihrer Existenz betreffen könnten. Von „Kapazitätsanpassung“ ist die Rede.

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Platzüberschuss trotz Rechtsanspruch: Das Kita-System gerät unter Druck

Derzeit gibt es in Halle (Saale) rund 11.000 Kita-Plätze, verteilt auf insgesamt 117 Einrichtungen. Diese Kapazitäten wurden in den vergangenen Jahren sogar noch ausgebaut – unter anderem deshalb, weil für jedes in Halle lebende Kind ein gesetzlicher Anspruch auf einen Kita-Platz besteht. Die Stadt kam damit auch einer steigenden Nachfrage nach. Nun allerdings kippt die Entwicklung. Erstmals seit Jahren kündigt sich ein strukturelles Überangebot an. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Bereits in den kommenden drei Jahren könnten rund 1.400 Plätze dauerhaft unbesetzt bleiben. Langfristig wird sich die Lage noch weiter zuspitzen – für das Jahr 2030 rechnet die Stadtverwaltung mit einem Überhang von etwa 2.500 Plätzen. Diese Prognose basiert auf der Annahme, dass 65 Prozent aller Kinder eine Kita besuchen werden. Doch aktuell liegt die tatsächliche Betreuungsquote lediglich bei 54 Prozent. Das bedeutet: Selbst wenn sich die Betreuungsquote erhöhen sollte, werden immer noch deutlich mehr Plätze angeboten als benötigt.

Ein grundlegender Wandel vollzieht sich auch bei der Platzvergabe. Während Eltern bisher oftmals Plätze zugewiesen bekamen – unabhängig vom Wohnort oder der Wunschkita –, wird künftig ein stärkerer Fokus auf die Erfüllung individueller Elternwünsche gelegt. Familien sollen künftig gezielt Einrichtungen in der Nähe ihres Wohnortes oder persönliche Wunsch-Kitas auswählen können. Dieser Schritt kommt dem Bedürfnis vieler Eltern entgegen, die sich kürzere Wege und mehr Mitspracherecht bei der Wahl der Betreuungseinrichtung wünschen.

Und weniger Kinder bedeuten auch weniger Erzieher.

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Freie und städtische Träger unter Zugzwang

Doch der Wandel bringt auch Belastungen mit sich – und zwar für alle Beteiligten im System. Besonders betroffen sind nicht nur die städtischen Einrichtungen, die etwa die Hälfte aller Kita-Plätze vorhalten, sondern auch die freien Träger. „Die freien Träger trifft es genauso“, betonte Bildungsdezernentin Katharina Brederlow im Ausschuss. Die Herausforderung besteht nun darin, eine gesamtstädtische Lösung zu finden, die dem Rückgang an Kindern ebenso gerecht wird wie dem Anspruch auf wohnortnahe Betreuung.

Dazu hat die Stadtverwaltung bereits erste Schritte eingeleitet. Alle Kita-Betreiber – sowohl städtische als auch freie Träger – sollen ihre bestehenden Räumlichkeiten überprüfen und Einsparpotenziale identifizieren. Konkret geht es darum zu prüfen, ob Einrichtungen in angemieteten Gebäuden untergebracht sind, die sich möglicherweise einsparen oder aufgeben lassen. Darüber hinaus gibt es Einrichtungen, die baulich nicht mehr zeitgemäß sind und sich nur mit großem Aufwand an heutige pädagogische Standards anpassen lassen. Auch hier sieht die Stadt Handlungsbedarf. Denkbar seien, so Brederlow, alternative Nutzungsformen, etwa die Umwandlung in Mehrgenerationenhäuser oder andere soziale Projekte.

Besonders stark von den bevorstehenden Einschnitten betroffen dürften die Kitas in den nördlichen und östlichen Stadtteilen sein. Dort gibt es schon heute einen spürbaren Überhang an Betreuungsplätzen. Im Gegensatz dazu besteht in Stadtteilen wie Neustadt, Silberhöhe und Südstadt weiterhin ein erhöhter Bedarf. Diese Ungleichverteilung wird sich durch den allgemeinen Geburtenrückgang vorerst nicht ausgleichen – vielmehr droht eine strukturelle Schieflage im Kita-Angebot, die dringend korrigiert werden muss.

Mit System zur Entscheidung: Der Kriterienkatalog der Stadt

Um diese komplexe Gemengelage besser beurteilen zu können, hat die Stadt einen detaillierten Kriterienkatalog entwickelt, anhand dessen alle bestehenden Einrichtungen systematisch bewertet werden sollen. Dieser Katalog berücksichtigt eine Vielzahl von Faktoren: Dazu zählen unter anderem die geografische Lage und der Versorgungsgrad der Einrichtung, die Verfügbarkeit von Alternativangeboten im Umkreis sowie die durchschnittliche Auslastung in den vergangenen Jahren. Auch die Anzahl integrativ betreuter Kinder, besondere Öffnungszeiten sowie wirtschaftliche Kriterien wie die einrichtungsbezogenen Platzkosten pro Kind und mögliche Refinanzierungszusagen durch Fördermittel fließen in die Bewertung mit ein.

Darüber hinaus spielen auch qualitative und soziale Aspekte eine zentrale Rolle: Die Bedeutung der Kita im jeweiligen Sozialraum, die Anzahl weiterer Angebote der Daseinsvorsorge (wie Hilfen zur Erziehung oder Jugendhilfe), der Vernetzungsgrad der Einrichtung mit anderen Akteuren im Stadtteil, die Vielfalt zusätzlicher Angebote (z. B. Elterncafés, Nachbarschaftsprojekte oder ehrenamtliche Initiativen) sowie die bauliche Eignung und der Sanierungsbedarf der Gebäude werden ebenfalls berücksichtigt. Ziel ist es, auf dieser Basis eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, welche Einrichtungen langfristig erhalten bleiben können und wo es mittelfristig zu Anpassungen kommen muss.

Erste Varianten im August – Entscheidung noch in diesem Jahr

Noch steht keine endgültige Entscheidung fest. Doch die Planungen sind bereits weit fortgeschritten. Schon im August 2025 will die Stadt erste Varianten möglicher Umstrukturierungen präsentieren. Gegen Ende des Jahres soll dann der Stadtrat über die neue Bedarfs- und Entwicklungsplanung für die Kindertagesbetreuung entscheiden. Der Zeitplan ist eng, die Tragweite der bevorstehenden Entscheidungen jedoch enorm. Es geht nicht nur um Gebäude oder Betriebskosten – es geht um die Zukunft der frühkindlichen Bildung in Halle, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und um die soziale Infrastruktur der Stadtteile.

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19 Antworten

  1. Wennemann sagt:

    Sparen bei Kinderbetreuung, Bildung, Infrastruktur. Gleichzeitig weiter Geld verplempern für Nichtstuer aus Halle, Deutschland und der Welt. Soll so Zukunft gestaltet werden? Weniger Kinder pro Betreuer sind zu begrüßen und kein Problem. Weniger Buerokraten und Bevormunder pro Steuerzahler wären eine Wohltat.

    • Sonnenrad sagt:

      Du brauchst vielleicht Betreuung, hast aber (zum Glück) keine Kinder und Bildung ist auch Fremdwort für dich.

      Also schön die Füße still hallten.

    • Maxim sagt:

      @Wennemann, wahre Worte!!!👍@ Paulus…, ist das dein Anspruch, Fachkräfte zu halten?? Wozu braucht es dann andere aus fremden Kulturen? Wollte man nicht auch Schlecker-Mitarbeiter zu Kita-Betreuer verpflichten?? Ist schon ne Weile her,aber nicht vergessen!!!

  2. Erzieher sagt:

    Wäre eigentlich eine gute Möglichkeit für das Land Sachsen-Anhalt, den Betreungsschlüssel zu verbessern. Damit wären einige (nicht alle) Probleme gelöst.

  3. PaulusHallenser sagt:

    „Langfristig wird sich die Lage noch weiter zuspitzen – für das Jahr 2030 rechnet die Stadtverwaltung mit einem Überhang von etwa 2.500 Plätzen.“

    Na da ist der Stellenabbau im Kitabereich aber völlig gerechtfertigt. Auch die Zahl der Kitabeschäftigten muss sich dem Prinzip von Angebot und Nachfrage unterordnen.

    Außerdem gibt es bundesweit eine große Nachfrage nach Kitamitarbeitern. Wer in Halle und Sachsen-Anhalt keine Anstellung findet, kann auch in anderen Teilen Deutschlands arbeiten.

    • Einwohner sagt:

      Anscheinend will Dich außerhalb Sachsen-Anhalt niemand haben….

    • Tino sagt:

      PaulusHallenser, du bist schon ein richtiger dummschwätzer.
      Alle Mitarbeiter der Kita sind Menschen und keine Gegenstände.
      Die Stadt oder sogar das Bundesland wechseln, weil zu „wenig“ Kinder da sind ist Schwachsinn.
      Fast alle Mitarbeiter haben selbst Familien, Kinder und Freunde in der Gegend wo sie leben.
      Vielleicht hat der Partner auch noch Arbeit in der selben Stadt, was ein Umzug nicht undenkbar macht.

      PaulusHallenser man merkt du hast entweder keine Kinder oder deine Kinder sind dir egal, sonst wüsstest du, wie groß jetzt schon der Personalmangel in der Kita ist.
      Weniger Kinder wäre würde zumindest die Mitarbeiter entlasten und mehr Zeit bzw. Betreuungsmöglichkeiten ermöglichen.

      • PaulusHallenser sagt:

        „du bist schon ein richtiger dummschwätzer.“

        Tino,

        ich denke eher, ich bin anpassungsfähig und flexibel.

        „Die Stadt oder sogar das Bundesland wechseln, weil zu „wenig“ Kinder da sind ist Schwachsinn.“

        Nein, das ist kein Schwachsinn, das ist eine logische Konsequenz.

        „Fast alle Mitarbeiter haben selbst Familien, Kinder und Freunde in der Gegend wo sie leben.“

        Das habe ich auch nie bestritten. Nur gibt es zum Glück keinen automatischen Rechtsanspruch darauf, in Halle als Erzieher angestellt und bezahlt zu werden, auch wenn nicht genug Kinder gibt.

        „man merkt du hast entweder keine Kinder“

        Ich bin selbst Vater dreier Kinder, die aber inzwischen die Schule besuchen. Während ihrer Kita-Zeit haben sie allerdings eine Einrichtung in freier Trägerschaft besucht, da mir öffentliche Einrichtungen nicht so zusagen.

    • Diana sagt:

      @PaulusHallenser. Sie schreiben absoluten Unsinn, wahrscheinlich ohne wirklich Kenntnis von den Problemen im Kita Alltag zu haben. Der Betreuungsschlüssel ist in Sachsen-Anhalt zum einen höher als in den alten Bundesländern. Zum anderen geht man bei den Zahlen immer von einer 100 % Anwesenheit der Mitarbeiter aus. Durch Krankheit, Urlaub und Aushilfe in anderen Kitas ist diese Zahl nur Theorie. Im übrigen würde es Ihnen sicher auch nicht gefallen, wenn Sie Ihr Paulusviertel verlassen und in den Ruhrpott ziehen müssten Daher sollten Sie Ihre Phrasen einfach für sich behalten.

      • PaulusHallenser sagt:

        „wahrscheinlich ohne wirklich Kenntnis von den Problemen im Kita Alltag zu haben.“
        Diana,

        ich habe selbst drei Kinder, die besuchen allerdings inzwischen eine Schule in freier Trägerschaft.

        Meine Kinder haben in der Vergangenheit eine Kita in freier Trägerschaft besucht, für deren Leistungen ich auch entsprechend bezahlt habe.

        „Der Betreuungsschlüssel ist in Sachsen-Anhalt zum einen höher als in den alten Bundesländern.“

        Mal grundsätzlich: Öffentliche Kitas in Halle sind nicht das Hotel Adlon in Berlin. Wer der Meinung ist, öffentliche Kitas böten den eigenen Kindern zu wenig, dem steht es absolut frei, seine Kinder in einer freien Kita oder bei einer Tagesmutter anzumelden. Das Angebot ist diesbezüglich auch in Halle hervorragend.

  4. Rob sagt:

    Komisch, wir bekommen fast wöchentlich E-Mails das auf Grund von Krankheit bzw Personal Mangels die Kinder wenn möglich Zuhause bleiben sollen um die Notversogung zu entlasten…… Mehr möchte ich dazu nicht sagen

  5. Sandra sagt:

    Ekelhaft…. Es wird in der Bildung gespart… In der frühkindlichen Entwicklung! Andere Länder werden weiter unterstützt und in Deutschland soll gespart werden ohne Ende! Man kann sich für dieses Land nur noch schämen!

    • Spare in der Not sagt:

      Es soll Eltern geben, die die frühkindliche Entwicklung begleiten… Machen die anderen Länder ähnlich.

    • PaulusHallenser sagt:

      Sandra,

      gehen Sie doch in die Politik und verändern die Dinge zum Positiven statt nur zu fordern.

  6. Isolde Mal sagt:

    Grundsätzlich klingt das insgesamt gar nicht verkehrt. Besonders die bedarfsgerechte Anpassung und wohnortnahe Betreuung. Dann müssten Eltern nicht quer durch die Stadt tingeln – auch wenn einige das freiwillig tun und Kitas in anderen Stadtteilen wählen, weil zB „eine Anmeldung vor Geburt“ möglich ist(aufgrund Wartezeit von bis 3Jahren in dieser südlichen Kita). Auch der Fokus auf Qualität statt Quantität ist bei Bildung und Kindern kein unwichtiger Faktor. Mehrgenerationenhäuser sollte es in jedem Stadtteil geben- unabhängig der Entwicklung der Kitas. Bisher gibt es nur ein MGH in Halle-Neustadt – in einer ehemaligen Kita. Diese bieten Junior bis Senior Freizeit, Bildung uvm. Aber eben nur in Halle Neustadt. Bissl sehr sehr wenig.

  7. Anastasia sagt:

    Der eigentliche Skandal ist, dass 46% der Kinder keine Kita besuchen und davon ein Großteil auf Bürgergeld und in fremder Sprache sich selbst überlassen wird.

  8. lederjacke sagt:

    Die 46% ergeben sich aus dem Anspruch von 0 bis 14 Jahren. Faktisch besuchen über 90% aller Kinder über 3 Jahren eine Kita, bei den 2 jährigen sicherlich 80%. Und bei den Kindrrn der 1.-3.Klasse auch ca. 80 %. Aus den weiterführenden Schulen dann eher niemand. D.h., die obige Zahl ist statistisch richtig aber wenig aussagekräftig.