Analog statt digital: wegen rechtlicher und technischer Sorgen lehnt der Hauptausschuss hybride Stadtratssitzungen ab

Zu Sitzungen der Stadtrats und seiner Ausschüsse in Halle (Saale) sollten sich Abgeordnete auch per Video zuschalten können: das Kommunalverfassungsgesetz in Sachsen-Anhalt bietet bereits die Möglichkeit, hybride Sitzungen abzuhalten. Und die Saalestadt sollte das auch umsetzen, schlägt die Fraktion MitBürger / Volt vor. Zunächst sollte mal mit den Sitzungen der beratenden Ausschüsse gestartet werden. Allerdings hat der Hauptausschuss den Antrag abgelehnt. Bis auf Volt-Stadtrat Friedemann Raabe (Ja) und FDP-Stadtrat Andreas Silbersack (Enthaltung) stimmten alle Räte im Hauptausschuss mit Nein.
“Wenn man es nicht ausprobiert, kann man es nicht lernen”, meinte Friedemann Raabe. Ziel solle es sein, die Mandatsausübung zu erleichtern. Carsten Heym (AfD) findet zwar die Idee grundsätzlich gut, es würde die tägliche Arbeit erleichtern. “Aber Stand heute können wir das nicht guten Gewissens durchführen.” Das liege daran, dass es in Halle immer noch Stadtgebiete gibt, in denen die Internetverbindung nicht optimal ist.
Für etwas Gelächter sorgte Katja Müller (Linke). Denn sie sei bei diesem Thema konservativ. Sie wolle nicht irgendwann neben Avataren sitzen. Das persönliche Gespräch sei ihr wichtig, diese Erfahrung habe sie auch in Thüringen gemacht, wo Müller in einem Ministerium tätig ist. Durch die dort eingeführte E-Akte gehe zwischenmenschliche Kommunikation verloren. Zudem finde sie es auch für die repräsentative Demokratie wichtig, persönlich anwesend zu sein habe auch etwas mit der Würde des Stadtparlaments zu tun. Doch auch Erfahrungen aus der Corona-Pandemie lassen sie zweifeln. Dort gab es eine digitale Sitzung, die letzten Ende abgebrochen und analog wiederholt werden müssen. Zwei Stadträte hatten technische Störungen gemeldet. Niemand weiß, ob es diese Störungen wirklich gab, oder ob diese vorgegaukelt waren, um die Sitzung zu stören.
“Genau das ist der Punkt, an dem wir nicht vorbeikommen”, meinte Marco Schreyer vom Rechtsamt. Die Stabilität der Internetverbindung oder technische Probleme können dazu führen, dass gefasste Beschlüsse ungültig sind.
Im Rahmen der Debatte ging es auch darum, dass sich dann möglicherweise Stadträte vom Strand aus ihrem Urlaub zuschalten. “So ist das nicht gedacht”, meinte Friedemann Raabe. Die Stadt könnte ja Hürden einbauen, ab wann eine digitale Teilnahme möglich ist.
Na klar dann können sie im Bett bleiben
Jepp, aber dann gibt es kein Sitzungsgeld…
„Für etwas Gelächter sorgte Katja Müller“
Immer schön hinterwäldlerisch bleiben. Ein Zukunftszentrum bauen wollen und in der Vergangenheit abgehängt werden. Typisch für den Stadtrat.
Ja das muss zur Pflicht werden dass alle physisch anwesend sind
Ist es doch…
„Das liege daran, dass es in Halle immer noch Stadtgebiete gibt, in denen die Internetverbindung nicht optimal ist.“
Dann sollte man dafür sorgen, dass sich das ändert. Die Anwohner würden sich bedanken.
Dafür gibt es Zuständigkeiten, die nicht stadtaffin sind. Oder sollte die Stadt selbst als bauausführender auftreten? Dann gibt es gleich einen Steuerverschwenderanschiss…
Ich verstehe nicht, warum Frau Müller für ihre Anmerkungen Gelächter bekommt, denn ihre Einwände sind durchaus berechtigt. Je mehr unseres Lebens ins Netz verlagert wird, umso weniger persönlicher wird der Umgang miteinander. Ein Videobild von jemandem ist nicht das gleiche wie einer Person persönlich gegenüber zu sitzen. Und den zunehmenden Trend der Entfremdung voneinander sollte man nicht weglachen, das ist eine ernste Sache. Die vermeintliche Bequemlichkeit sollte nicht mit sozialen Kompetenzen bezahlt werden.
Gelächter gab es für ihre Selbsteinstufung als „konservativ“. Wenn diese Sozialistin eines nicht ist dann das. Das Thema selbst wurde durchaus differenziert betrachtet.
Völlig richtig dieser Kommentar. Persönlicher Umgang ist für soziale Kompetenz ist entscheidend. Ich halte hybride Stadtratssitzung für sehr bedenklich.
Zustimmung!
Ist der Stadtrat eine Veranstaltung, in der die Parteien sich gegenseitig nur Argumente um die Ohren hauen, kann dies sehr gut digital erledigt werden.
Sieht sich der Stadtrat als Gremium, das Argumente austauscht und nach Kompromissen sucht, geht das nicht ohne persönliches Gespräch beim Pausenkaffee.
ich mag die müller so gar nicht, zu deinen beiträgen hab ich oft nur ein müdes lächeln übrig….hier allerdings muss ich leider euch beiden zustimmen.
Sofern sich ein Stadtrat auf eine Sitzung vorbereitet, ist es mir gleich, ob sie/er aus einem Bett, vom Strand oder vom Mond aus teilnimmt …..Die Ablehnungsgründe sind doch alle vorgeschoben, um sich nur nicht mit der Technik und den Problemen zu beschäftigen.
Was viele hier nicht wirklich lesen, es ging um hybride Sitzungen!
Bedeutet, grundsätzlich vorort aber wenn jemand sowohl technisch als auch satzungsgemäß in der Lage ist, kann diese Person sich zuschalten.
Ich denke da auch an die Mitarbeiter, welche Arbeitszeit absitzen im Zuschauerraum, um ggf. eine Frage gestellt zu bekommen.
Man kann bitte schön auch mal vorwärts denken.
Wer im Stadtrat nichts zu verbergen hat lebt in der digitalen Welt.
Ich finde es bedenklich, dass man es nicht versucht, in den beratenden Ausschüssen eine bessere Vereinbarkeit von Mandat und Arbeit oder Mandat und Familie zu ermöglichen.
Dabei ist es unerheblich, ob der Mandatsträger (m/w/d) im Erholungsurlaub, zur Kur oder „Kindkrank“ ist, oder wegen dringender beruflicher Termine verhindert ist (z.B. Dienstreisen, wenn man sowieso am Abend im Hotel ist oder im Zug sitzt)
Auch könnte man so bedarfsgerecht Sachbearbeiter (m/w/d) spontan hinzuziehen, falls es eine spezielle Frage zu erörtern gäbe, die die anwesenden Vorgesetzten sonst nur mitnehmen könnten.
Solche Vorgänge sind in der Wirtschaft nicht unüblich.
Man kann doch die hybriden Sitzungen folgendermaßen „beschränken“:
– Videokonferenz nur für den öffentlichen Teil der Tagesordnung (es könnten ja andere Personen im Raum sein)
– Abstimmung nur unter den Mandatsträgern, die vor Ort sind (man weiß nicht, ob und wie direkter Zwang ausgeübt werden könnte)
– ggf. ein reduziertes Sitzungsgeld
– ggf. Einschränkungen bei der Übertragung der Einwohnerfragestunde
Durch diese Einschränkungen ist weiterhin gewährleistet, dass ausreichend Mandatsträger (m/w/d) in Präsenz teilnehmen.
Das Team Ratsangelegenheiten müsste dann aber ggf. eine Assistenz stellen, die die Redewünsche der zugeschalteten Mandatsträger im Blick behält.
Das Problem ist, dass es nicht bei solchen hypothetischen Ausnahmen bleiben wird, sondern es absehbar die Sitzungen zu reinen Onlineveranstaltungen degradieren wird, wo jeder nur noch macht, was er will. Es ist einfach eine Unkultur, wenn es normal wird, dass Räte im Schlafanzug nur mit einem Bruchteil an Aufmerksamkeit von sonstwo her an irgendwelchen „Sitzungen“ teilnehmen. Dann muss man auch gleich überhaupt keine gesellschaftlichen Normen mehr pflegen, wenn man solche Unsitten einreißen lässt.
Das gleiche sieht man ja schon an der allgemeinen Kommunikation miteinander. Statt persönlicher Gespräche wird immer mehr nur noch mal zwischendurch z. B. an der Kaufhallenkasse oder auf dem Spielplatz per Textnachricht oder dummer Bilder und Animationen irgendwie belanglos kommuniziert. Es entwertet einfach die Kommunikationskultur, sowas sollte man nicht normal werden lassen.
Wie machst du es denn mit der allgemeinen Kommunikation miteinander?
@Stadtratsbeobacher: Wenn ich ein Ehrenamt annehme, dann muss ich damit rechnen, weniger Zeit für die Familie, Freunde, die Kegelbrüder, den Kaninchenzuchtverein oder was auch immer habe. Man braucht kein Ehrenamt annehmen und später jammern das man weniger Zeit für die zuvor genannten Dinge hat. Ich möchte auch weiterhin an der Einwohnerfragestunde teilhaben können und ich möchte auch in deren Gesichter sehen können. Wenn das hybrid laufen sollte, kann es durchaus sein, das die Antifa oder wer auch immer bei dem einen oder anderen mit im Wohnzimmer beteiligt ist und dessen Stimme entsprechend frisiert. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die ab und an „Rede und Antwort“ stehen müssen, gehen dann sofort danach nach Hause, es ist deren Aufgabe den Bürgern die Fragen zu beantworten ebenso die der Stadträte. Wie die freie Wirtschaft agiert, ist mir wurscht, hier geht es um die Interessen der Bürger von Halle (Saale).
Ne mir ist sag nicht egal ob sie im Bett anwesend sind, die sind jetzt schon faul und spielen am Handy rum