Hausärzte in Sachsen-Anhalt kritisieren Sparforderungen der Krankenkassen und fordern strukturelle Reformen im Gesundheitssystem
Mit deutlichen Worten hat sich Dr. med. Torsten Kudela, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Sachsen-Anhalt, in einem offenen Brief an den neuen Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt, gewandt. Anlass ist dessen jüngste Forderung nach einem „ernsthaften Sparbeitrag“ der Vertragsärzte zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). „Während Sie von den Vertragsärzten Sparmaßnahmen verlangen, bleiben eigene Ideen zur langfristigen Stabilisierung der GKV-Finanzen bislang aus“, schreibt Kudela. Er kritisiert scharf, dass die Krankenkassen weiterhin eine uneingeschränkte und schnelle Versorgung ihrer Versicherten fordern, gleichzeitig jedoch die ärztlichen Leistungen nicht vollständig vergüten. „Ihre Forderung nach einem ‚ernsthaften Sparbeitrag‘ erfüllen wir Ärzte bereits seit Jahrzehnten“, so der Verbandschef.
Ärzte leisten viel – und bekommen wenig
Nach Angaben des Hausärzteverbandes machen die Ausgaben der GKV für ambulante ärztliche Behandlungen nur rund 16 Prozent des Gesamtvolumens aus – dabei würden Vertragsärzte 97 Prozent aller Behandlungsfälle übernehmen. Die Verwaltungskosten der Krankenkassen hingegen beliefen sich allein 2023 auf 13 Milliarden Euro, was einem Anteil von 4,1 Prozent entspreche – Tendenz steigend. „Ein Ausgleich für die steigenden Kosten in den Praxen wurde uns bislang verweigert“, betont Kudela. Statt weitere Belastungen für die Ärzteschaft zu fordern, solle der GKV-Spitzenverband nach internen Sparpotenzialen suchen.
Kritik an Bürokratie und Krankenkassen-Struktur
Kudela fordert unter anderem eine Reduktion der aktuell mehr als 90 gesetzlichen Krankenkassen auf eine einzige Institution. Dadurch könnten nicht nur Verwaltungskosten, sondern auch Werbeausgaben in Höhe von jährlich mindestens 75 Millionen Euro eingespart werden. Zudem würde sich der Informationsfluss für Versicherte vereinfachen – ein Beitrag zum dringend notwendigen Bürokratieabbau. Auch den GKV-Spitzenverband selbst stellt der Hausärztevertreter in Frage: „Mit einer einheitlichen Krankenkasse wäre der Spitzenverband überflüssig – das würde sofort Gelder und Fachkräfte freisetzen.“
Appell an Eigenverantwortung und Prävention
Darüber hinaus fordert Kudela eine stärkere Einbindung der Versicherten in das Thema Gesundheitskosten. „Die Leistungsempfänger verursachen schlussendlich die Kosten“, heißt es im Schreiben. Ein Mangel an Gesundheitsbewusstsein und Prävention trage wesentlich zur Kostensteigerung bei. Als Lösungsansätze nennt der Hausärztechef unter anderem eine „Zuckersteuer“ nach britischem Vorbild sowie strengere Lebensmittelgesetze wie in Chile. Außerdem müsse der Staat versicherungsfremde Leistungen vollständig erstatten. Langfristig ließe sich so die Krankheitslast der Bevölkerung und damit die finanzielle Belastung der Kassen senken.
„Die Hausärzte sind das Rückgrat der Versorgung“
Zum Abschluss mahnt Kudela einen respektvolleren Umgang mit der Ärzteschaft an: „Die ambulante medizinische Versorgung ist ein Teil des sozialen Kitts unserer Gesellschaft – die Hausärzte sind ihr Rückgrat. Schätzen Sie das wert!“ Mit seinem offenen Brief trifft Kudela einen Nerv: Viele Hausärzte klagen derzeit über steigende Bürokratie, stagnierende Honorare und wachsende Arbeitsbelastung. Die Forderung nach weiteren Einsparungen empfinden viele als Affront – und als Gefahr für die flächendeckende medizinische Versorgung, besonders in ländlichen Regionen.











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