Hunderte Syrerinnen und Syrer in Halle (Saale) feiern den ersten Jahrestag vom Ende des Assad-Regimes: Das Wichtigste für uns Menschen ist, dass wir miteinander kommunizieren
In der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 2024 zerfiel das Regime der Familie Assad in Syrien, nach jahrelangem Bürgerkrieg, der Despot floh nach Russland. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien, im Frühjahr 2011, kamen viele syrische Staatsangehörige nach Deutschland und beantragten hier Asyl. Inzwischen leben rund eine Million von ihnen in Deutschland, so auch in Halle (Saale) und der Region. Heute feierten hunderte von Ihnen den ersten Jahrestag des Sturzes des Assad-Regimes. Wir haben mit einem der Mitorganisatoren, Dr. med. Mohamed Cheikh Alfraj, gesprochen. Der 50-jährige kam 1997 nach Deutschland, studierte hier Medizin und betreibt in Berlin zwei Praxen für Plastische und Ästhetische Chirurgie.
dubisthalle.de: Wer feiert hier heute in der Lagerhalle von Orienta Foods im Industriegebiet Halle-Neustadt?
Dr. Alfraj: Die meisten sind Syrer, aus Halle und aus Leipzig primär, aber auch aus der weiteren Umgebung. Ich komme zum Beispiel aus Berlin.
dubisthalle.de: Gibt es einen Verein, der das Fest organisiert hat oder haben sich einfach nur Syrer zusammengefunden, um zu feiern, dass Assad inzwischen ein Jahr weg ist?
Dr. Alfraj: Nein, wir sind einfach nur Syrer, die sich freuen. Natürlich haben auch wir mehrere Vereine, über die wir zusammenarbeiten und dann solche und ähnliche Feste organisieren, so zum Beispiel die Syrische Gemeinde in Deutschland und der Deutsch Syrische Verein. Der Hauptorganisator heute ist aber der Geschäftsführer der Orienta Foods GmbH hier in Halle, Mustafa Hamida. Den Großteil hat er organisiert und das Fest auch bei der Stadt angemeldet, dass wir heute hier feiern.
dubisthalle.de: Warum feiert ihr genau?
Dr. Alfraj: Wir haben unter der Familie Assad, Hafis al Assad und danach sein Sohn Baschar al Assad, über 50 Jahre gelitten. Und wir feiern, dass wir diese Familie nicht mehr sehen und dass wir ein neues Syrien haben, ein freies Syrien, das offen für die Welt ist. Wir waren ein richtig verschlossenes Land. Ich bin in Syrien geboren und ich habe es so in meiner Schulzeit erlebt. Alles, was außerhalb unserer Grenze ist, ist Imperialismus und nicht gut, wurde uns erzählt. Alles Böse. Aber die Familie der Assads war im Westen, ihre Kinder zum Beispiel. Diesen Widerspruch haben wir nie verstanden.
Und wir feiern jetzt, dass wir uns langsam wieder der Welt öffnen und dass wir mit der Welt in Kommunikation treten. Denn ich denke, das Wichtigste für uns Menschen ist, dass wir miteinander kommunizieren. Und genau das war fast verboten oder zumindest sehr stark eingeschränkt für normale Menschen. Erlaubt war es nur für die Anhänger von Assad.
dubisthalle.de: Auch innerhalb von Syrien war es schwer, miteinander zu kommunizieren?
Dr. Alfraj: Über verschiedene Themen gab es keine Diskussion, man konnte gar nicht diskutieren. Ein sehr wichtiger Satz, den schon die kleinen Kinder schnell gelernt haben, war: Die Wände haben Ohren. Und selbst hier in Deutschland hatten wir noch Angst, solange Assad an der Macht war. Hätten wir uns vor zwölf Jahren getroffen und Sie hätten mir Fragen gestellt, ich hätte kein Wort gesagt. Weil ich Angst hatte, obwohl ich in Deutschland bin.
Ich habe es selbst erlebt hier in Deutschland. Ich war auf einer Feier und dann hat ein Syrer Assad kritisiert. Der Kollege neben mir, ich bin Arzt und er war ein Arzt, hat gesagt, er darf nicht über Assad reden. Ich erwiderte: Es ist seine Freiheit, er darf Assad kritisieren. Mein Kollege warnte dann aber, dass seine Familie Probleme in Syrien bekommt. Das heißt, du kannst nichts sagen, auch wenn du denkst, du kannst was sagen. Deine Familie kriegt sofort Stress in Syrien.
dubisthalle.de: Irgendwer hört das hier und trägt es weiter?
Dr. Alfraj: Du hattest überall Leute, die für Assad gearbeitet haben. Und das war das Hauptproblem für uns Syrer: Es war ein kontrollierter Staat. Ich glaube die Menschen hier sind sich nicht hundertprozentig bewusst, was da war… Das war schlimmer als diese Stasi-Methoden. Das war noch viel schlimmer. Die Strafen, die Leute wurden einfach verhaftet und sind für immer verschwunden. Viele, viele tausende. Und keiner hat sich getraut danach zu fragen. So war Syrien.
Nach außen wurde alles versucht, um sich besser darzustellen. Man bezahlte Büros und Mitarbeiter für ein positives Image von Assad und der Familie im Ausland. Das heißt, das Land Syrien und die Syrerinnen und Syrer waren Nebensache. Es ging nur um Assad. In meiner Schule hingen überall Bilder von ihm, es hieß „Es gibt nichts außer Assad“. Bis ans Ende Deines Lebens, alles hat sich nur um Assad gedreht.
Ich bin froh, dass ich die jetzige Zeit erlebe, damit wir einfach auch von Syrien reden und nicht mehr von Assad.
dubisthalle.de: Viele Menschen sagen jetzt natürlich, da Assad weg ist, warum bleiben dann so viele Syrer noch hier und sagen nicht: Die Gefahr ist weg, jetzt gehen wir wieder zurück?
Dr. Alfraj: Die Sache ist kompliziert. Syrien hat jetzt rund 54 Jahre unter dieser Diktatur gelitten. Die letzten 14 Jahre war Bürgerkrieg und die Zerstörung in viele Teilen des Landes fast vollständig. Die ganze Erde wurde verbrannt in vielen Orten. Das heißt, es gibt keine Lebensgrundlagen für die Menschen. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher: Wenn die Zeiten und die Bedingungen für das Leben besser werden, gehen viele Menschen freiwillig zurück.











Großartig. Über eine Million syrische Flüchtlinge sind seit Assads Sturz wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Leider kaum welche aus Deutschland. Dabei wird in Syrien jede Hand gebraucht!
Hier lebt sich’s bequem vom deutschen Wohlfahrtsstaat, in der Türkei und in Jordanien nicht.
Es gibt da halt auch Probleme mit dem Stadtbild. Da einfach so ohne Plan zurückzufahren, bringt halt einfach mal gar nichts.
Die neuen Machthaber in Syrien sind genau und waren genau was?
„Ich bin mir zu 100 Prozent sicher: Wenn die Zeiten und die Bedingungen für das Leben besser werden, gehen viele Menschen freiwillig zurück.“
Aha, und wer genau sorgt dafür, dass die Zeiten und Bedingungen besser werden, wer baut das Land wieder auf? Man wartet also lieber im gemachten Nest Deutschland darauf, dass in Syrien das Nest gemacht wird und erst dann geht’s zurück dorthin? Also nie, das weiß eh jeder, nur keiner spricht es aus. Der sonst so eifrig gelebte Zusammenhalt und Nationalstolz scheint an dieser Schwelle seine Grenze zu finden, schon erheiternd.
Na was ist denn dein Beitrag zum Wohlstand in Deutschland?