Kommentar: drohender Kahlschlag der Jugendhilfe in Halle (Saale) – eine Stadt spielt mit der Zukunft ihrer Kinder
In Halle droht ein politisches Versagen, dessen Folgen nicht nur Verwaltungstabellen betreffen, sondern das Leben realer junger Menschen. Während Stadtrat und Verwaltung sich im Haushaltsstreit verkeilen, stehen die freien Träger der Jugendhilfe vor einem Abgrund. Und mit ihnen Dutzende Einrichtungen, hunderte Fachkräfte – und Tausende Kinder und Jugendliche, die auf diese Angebote angewiesen sind.
Dass die Jugendhilfeplanung für 2026 noch immer im OB-Büro liegt und nicht einmal den Weg auf die Tagesordnung des Jugendhilfeausschusses gefunden hat, ist ein Vorgang, der fassungslos macht. 7,6 Millionen Euro stehen auf der Kippe, weil eine Liste nicht rechtzeitig in die Gremien gegeben wurde. Und währenddessen mahnt der Finanzdezernent im Hauptausschuss, eine Ablehnung des Haushalts führe in die gesetzliche Haushaltssperre. Was hier wie ein technischer Verwaltungsfehler klingt, ist in Wahrheit ein fatales Signal: Die Stadt verspielt Vertrauen – und nimmt in Kauf, dass die soziale Infrastruktur kollabiert.
Die freien Träger bringen es in ihrem offenen Brief auf den Punkt: Es geht nicht um Institutionen, es geht um Kinder. Um Jugendclubs, die sicheren Raum bieten. Um Beratungsstellen, die Krisen abfedern. Um Projekte, die verhindern, dass Jugendliche abgehängt werden, in der Schule scheitern oder in schwierige Lebenslagen abrutschen. Diese Angebote sind kein Luxus, sie sind Grundversorgung einer Stadtgesellschaft.
Was bedeutet ein kahler Januar? Geschlossene Jugendclubs. Verstummte Bauspielplätze. Beratungsstellen, in denen niemand mehr die Tür öffnet. Jugendliche, die mitten im Schuljahr ihr Bildungsprojekt verlieren und damit jede Chance auf einen Abschluss. Familien, die ohne Unterstützung dastehen. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die gehen müssen – und deren Beziehungen zu den jungen Menschen unwiederbringlich verloren sind. Jede Fachkraft, die jetzt kündigt, hinterlässt eine Lücke, die über Jahre nicht zu schließen sein wird.
Die Stadt Halle spielt hier ein gefährliches Spiel: kurzfristige Verzögerung, langfristige Verwüstung. Jugendhilfe, das zeigen alle Erfahrungen bundesweit, spart keine Kosten ein – sie verhindert sie. Fällt Prävention weg, steigen die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung unweigerlich. Wer heute spart, zahlt morgen doppelt. Und zwar nicht nur in Euro, sondern in sozialen Krisen, die sich hätten verhindern lassen.
Die Träger arbeiten nicht gewinnorientiert, sie arbeiten im Auftrag der Gesellschaft. Sie sind diejenigen, die auffangen, wo Schule, Elternhaus oder soziale Strukturen an Grenzen stoßen. Dass sie nun gezwungen sind, rechtssicher Kündigungen auszusprechen, ist ein Armutszeugnis – nicht für die Träger, sondern für die Politik dieser Stadt.
Halle braucht keine Sondersitzung – Halle braucht Verantwortungsübernahme. Jetzt. Diese Woche. Nicht irgendwann. Die Entscheidung über die Jugendhilfe ist keine haushalterische Fußnote, sondern eine Frage, wie wir als Stadt mit unseren jüngsten Bewohnern umgehen. Es geht um Zukunft. Um Chancen. Um Halt. Und darum, ob Halle bereit ist, diesen Halt einfach fallen zu lassen.









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