Flucht vor den Nazis nach Amerika: Stolpersteine in der Mozartstraße und der Kirchnerstraße für Familie Marcus verlegt
“Ermordet im Konzentrationslager” – oft berichten die Stolpersteine über ein dramatisches Schicksal. Insofern war die Verlegung von 9 Stolpersteinen in Halle (Saale) am Dienstag etwas Besonders. Denn alle 9 haben den Holocaust überlebt, ihre Familien flüchteten vor dem Nazi-Terror nach Uruguay und in die USA. Zur Verlegung der Stolpersteine waren sie eigens nach Halle gekommen.
In der Mozartstraße lebten der Arzt Paul Marcus, seine Frau Hertha Marcus und deren Tochter Marion Beate Marcus. Die Patenschaften werden übernommen vom Giebichenstein-Gymnasium, Familie Cyranka und der Hausärztin Frau Dr. Baum, deren Praxis sich in den früheren Wohnräumen von Familie Marcus befindet. “Wir wussten wenig über unsere Familie”, sagte Enkelin Anna. Die offizielle Geschichte war nur, dass die Familie vor dem Krieg geflohen ist. Bei einem Umzug der mittlerweile verstorbenen Großmutter Hertha kamen plötzlich hebräische Bücher und religiöse Gegenstände zum Vorschein. Mit Hilfe eines Onkels konnte sie dann tiefer in die Geschichte eintauchen, so Anna. Ein neuerlicher Umzug brachte dann weitere Dokumente zum Vorschein. Viel musste die Familie in Halle zurücklassen. Aber das Klavier aus der Wohnstube wurde in das südamerikanische Land verschifft. Paul war später dort wieder als Arzt tätig. “Er musste aber vorher sein ganzes Studium wiederholen.”
Im Anschluss wurden in der Kirchnerstraße Stolpersteine für Rechtsanwalt Siegfried Marcus, den Kaufmann Erich Marcus, beides Brüder von Paul Marcus aus der Mozartstraße, Siegfrieds Frau Emma und deren drei Söhne Erich, Dieter und Peter Marcus verlegt. Die Patenschaften übernehmen die Schule des Lebens „Helen Keller“, die August Hermann Francke-Schule, das Hans-Dietrich Genscher-Gymnasium sowie Dr. Marcus Riemer und Georg Prick. Die Schüler haben sich mit der Lebensgeschichte der Familie Marcus befasst. Nicht Live vor Ort sein konnte Dieter Marcus. Gesundheitliche Gründe zwangen den 92-Jährigen, in den USA zu bleiben. Er war aber per Videotelefonie die komplette Zeremonie über dabei. “Wir fühlen uns sehr geehrt”, sagte Dieter in einem halleschen Dialekt, den er all die Jahre nicht abgelegt hat. Das Engagement sei für ihn rührend. Und es gibt auch noch eine Verbindung zum heutigen Genscher-Gymnasium. Die hieß früher Nietzsche-Schule, Erich besuchte die Oberschule für Jungen und war dort mit dem gleichaltrigen Hans-Dietrich Genscher befreundet.
Neben ihrem Haus in der Kirchnerstraße (heute steht dort ein Plattenbau) stand eine prächtige Kastanie. Den Baum von damals gibt es zwar nicht mehr, aber eine andere Kastanie, gewachsen aus den Früchten des Altbaums. Anne Kupke vom Zeitgeschichten e.V. hat einige Kastanien gesammelt und schickt sie in den USA zu Dieter.
Mehr über die Lebensgeschichten der Familie auf der Homepage des Zeitgeschichte(n) e.V.:
Die großartigen gratismutigen Stolpersteinverleger könnten ja vielleicht mal zur Abwechslung den lebenden Juden zu Hilfe eilen, die vom muslimischen Mob bedroht und gejagt werden.
Danke für deinen Gratismut hier zu schreiben, passt gut!
Schön, zu sehen, wie Geschichte rekonstruiert wird. Aber traurig auch, zu sehen, was aus der Kirchnerstraße seit dem geworden ist.