Kommentar zur Bewerbung von Halle (Saale) um die DB-Konzernzentrale: Ein Signal, das längst überfällig ist
Die Entscheidung der Stadt Halle (Saale), sich gemeinsam mit Partnern um die Konzernzentrale der Deutschen Bahn zu bewerben, ist nicht nur mutig – sie ist ein überfälliges, kraftvolles Signal aus dem Osten. Ein Signal, das zeigt: Mitteldeutschland hat längst die Reife, die Infrastruktur und das Selbstbewusstsein, Verantwortung auf nationaler Ebene zu übernehmen. Oberbürgermeister Alexander Vogt trifft den Punkt, wenn er sagt, 35 Jahre nach der Wiedervereinigung sei es „allerhöchste Zeit, ein Zeichen zu setzen“. Wie kann es sein, dass von den 50 größten deutschen Unternehmen gerade einmal zwei ihren Sitz in Ostdeutschland haben? Das ist nicht nur ein Statistikproblem. Es ist ein Symptom verfehlter Industriepolitik, die seit Jahrzehnten am Osten vorbeiplant – und damit auch an seinen Menschen.
Halle wagt den notwendigen Schritt: Die Stadt beruft sich zu Recht auf ihre lange Eisenbahngeschichte, auf den modernsten Rangierbahnhof Europas, auf die zentrale Lage im Herzen Deutschlands. Am Riebeckplatz stehen Entwicklungsflächen bereit, unmittelbar neben einem der wichtigsten Bahnknoten des Landes. Dazu der Flughafen Leipzig/Halle – ein Standortfaktor, der in der Bundesinfrastruktur kaum zu übertreffen ist. Diese Argumente sind nicht nur valide, sie sind stark. Und ja: Auch Erfurt mischt mit – freundschaftlich, fair und ebenso berechtigt. Wenn der Hallenser OB Vogt und sein Erfurter Kollege Horn die Bahn-Zentrale nach Mitteldeutschland holen wollen, dann ist das kein Konkurrenzkampf, sondern ein Schulterschluss zweier Städte, die längst verstanden haben, wie viel im Osten möglich wäre, wenn Politik und Wirtschaft ihn endlich ernst nehmen würden.
Die Bundespolitik hingegen ist gefordert – und zwar jetzt. CDU-Landtagsabgeordneter Marco Tullner bringt es auf den Punkt: „Wir müssen auf den Schreibtisch vom Kanzler.“ Bundeskanzler Merz hat jüngst selbst eingeräumt, dass Versprechen gebrochen wurden, den Osten wirtschaftlich zu stärken. Wenn man es ernst meint, ist die Bahn-Bewerbung von Halle und Erfurt die perfekte Gelegenheit, es zu beweisen. Natürlich wiegelt die Deutsche Bahn ab: „Die Standortfrage stellt sich nicht“, heißt es. Doch genau das stimmt nicht. Ein Mietvertrag, der 2033 ausläuft – und eine Kostenstruktur in Berlin-Mitte, die mit Halle oder Erfurt niemals mithalten kann. Es wäre fahrlässig, diese Weichenstellung nicht zumindest gründlich zu prüfen.
Hier geht es längst nicht mehr nur um 3.000 Arbeitsplätze, Gewerbesteuer oder regionale Ehre. Es geht darum, ob der Osten endlich den Platz bekommt, der ihm zusteht. Die Initiative aus Halle ist daher nicht einfach ein Bewerbungsprozess – sie ist ein Weckruf. Ein Moment, in dem eine Region zeigt, dass sie nicht länger Bittsteller sein will, sondern Gestalter. Die Bundespolitik wäre gut beraten, diesen Ruf zu hören. Denn wer in Berlin immer wieder über die Stärkung des Ostens spricht, der darf nicht überrascht sein, wenn der Osten irgendwann selbstbewusst sagt: Dann lasst uns doch endlich anfangen.









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