Sachsen-Anhalts Landtag debattiert über Kinderarmut
In Halle (Saale) gilt fast jedes dritte Kind als arm. Und auch in anderen Regionen Sachsen-Anhalts wachsen viele Kinder unter schwierigen finanziellen Bedingungen auf. Am Donnerstag hat sich nun der Landtag mit dem Thema Kinderarmut befasst.
Die CDU setzt auf eine “erfolgreiche Wirtschaftspolitik”, um gutbezahlte und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Grünen, SPD und Linke setzen sich für eine Kindergrundsicherung ein. Eine bessere Tarifbindung und höhere Mindestlöhne sind für die Sozialdemokraten zudem ein Faktor. Und die Linken fordern, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
„Der CDU-Fraktion ist es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen die Chance auf einen guten Start in ein selbstbestimmtes Leben bekommen. Eines der effektivsten Mittel um Kinderarmut, die ja auch immer Familienarmut ist, zu bekämpfen, ist eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, die die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen unterstützt”, sagt der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Tobias Krull. “Diejenigen Familien und Kinder, die Hilfe vom Staat brauchen, sollen diese auch erhalten. Überproportional gehören Alleinerziehende zu diesem Kreis. Deren Belange müssen deshalb besonders in den Fokus genommen werden. Die staatlichen Hilfen müssen zielgesteuert bei den Kindern und Jugendlichen ankommen. Jedes Kind hat gute Rahmenbedingungen für den Start in sein Leben verdient.”
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle hob die Bedeutung einer eigenständigen Kindergrundsicherung hervor – „ein Ziel, für das sich meine Partei im Bundestagswahlkampf an vorderster Stelle stark machen wird. Ich will aber deutlich herausstellen: Kinderarmut entsteht aus Familienarmut. Wenn wir Kinder vor Armut bewahren wollen, müssen wir dafür sorgen, dass ihre Eltern von ihrer Arbeit gut leben können.” Deshalb müsse der Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde angehoben werden, faire Löhne und eine Tarifbindung seien ebenso wichtig. “Wieviel da im Argen liegt, sehen wir ganz praktisch an zwei Berufsgruppen, die unsere Gesellschaft in der Pandemie am Laufen halten”, so Pähle. So erhalten die Pflegekräfte keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag erhalten, weil die Caritas das blockiert hat, “wie ich finde, eine beschämende Entscheidung”, so sagt Pähle. Und auch bei den Paketzustellern ist viel zu tun. “Die Löhne und die Arbeitsbedingungen bei den Zustelldiensten sind nichts anderes als organisierte Armut durch Arbeit – und das bei übervollen Auftragsbüchern und großen Gewinnspannen der Versandunternehmen.”Fatal sei es auch, “dass es nicht gelungen ist, in dieser Legislaturperiode ein Tariftreue- und Vergabegesetz zu beschließen, weil das mit der CDU nicht möglich war – ein deutliches Zeichen, was trotz aller guten Erfolge der Regierung in dieser Koalition eben nicht geht.” Der Kampf gegen Armut bedeute auch, Menschen aus der Dauerarbeitslosigkeit herauszuholen. “Die Landesregierung hat das mit dem Ansatz von Teilhabe durch Arbeit erfolgreich getan, und sie zielt mit dem Programm ‚Familien stärken – Perspektiven eröffnen‘ darauf ab, jungen Menschen aus der fatalen Dauerschleife der sozialen Vererbung von Armut herauszuhelfen.”
Cornelia Lüddemann, Vorsitzende der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat erneut eine Kindergrundsicherung auf Bundesebene gefordert. „Armut, besonders wenn sie Kinder und Jugendliche betrifft, ist in unserem reichen Land ein Skandal. Armut schmälert die soziale Teilhabe, macht krank und verbaut Lebenschancen. Direkte materielle Armutsbekämpfung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und auf Bundesebene zu regeln: Die Kindergrundsicherung muss eingeführt werden. Jedes Kind braucht eine gesicherte Existenz als Rechtsanspruch, unabhängig vom Status der Eltern.“, fordert Lüddemann.„Auf Landesebene haben wir in dieser Legislatur Schutzfaktoren gegen Armut aufgebaut. Dazu zählen unter anderem die Sonderförderung für Kitas in besonderen Lagen, sogenannten ,Problemvierteln‘, die Abschaffung der Studiengebühren, das Azubi-Ticket für den ÖPNV und die Erhöhung des Taschengeldes für Kinder und Jugendliche in Wohngruppen. Damit haben wir punktuell Teilhabechancen auch in Armutslagen verbessert. Aber das reicht natürlich nicht. Wir wollen es in der nächsten Legislatur ausbauen“, so Lüddemann. So soll die Sonderförderung flächendeckend ausgebaut werden und ein Kinder- und Jugendticket eingeführt werden, um alle jungen Menschen im Land eine Mobilität zu ermöglichen. „Letztlich geht es auch darum, wie wir über Armut reden. Menschen leiden nicht nur an einem leeren Konto, sondern auch an sozialer Abwertung. Für die Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern ist das fatal. Wir müssen dem im Alltag entgegentreten, jede und jeder von uns.“
„Armut und insbesondere Armut von Kindern und Jugendlichen werde ich in unserem reichen Land nicht akzeptieren. Ich werde immer wieder darauf hinweisen, wie in unserem Land sehenden Auges Kindern nicht nur Zukunftschancen genommen, sondern sie im Hier und Jetzt keine glückliche Kindheit erleben dürfen. Es geht dabei nicht nur um Generationengerechtigkeit, sondern darum, wie wir mit den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft umgehen”, sagt die Fraktionsvorsitzende der Linken, Eva von Angern. “Insbesondere Kinder und Alleinerziehende sind von Armut betroffen. Die Armutsgefährdungsquote liegt in Sachsen-Anhalt bei 27,3 Prozent bei Kindern und Jugendlichen. Bei Alleinerziehenden sind es fast 60 Prozent. Nach wie vor gilt leider: Kinder machen arm.” Armut gehe auch einher mit dem Verlust von Würde. “Betroffene Kinder und Jugendliche spüren diese Ausgrenzung. Sie wissen, dass sie um ihre Chancen im Leben hart kämpfen müssen. Die bittere Wahrheit ist, dass Menschen, die in Armut aufwachsen, zehn Jahre eher sterben. Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie des Robert-Koch-Instituts.” Um Kinderarmut und ihre Folgen erfolgreich bekämpfen zu können, brauche es ein Zusammenwirken von Kommunen, Land und Bund. “In Deutschland muss endlich eine Kindergrundsicherung eingeführt werden. Die Tatsache, dass die Legislaturperiode im Bund ohne Einigung zwischen CDU/ CSU und SPD zu den Kinderrechten enden wird, ist armselig und zeigt den Stellenwert von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft.” Ein gutes Zeichen sei, dass Taschengeld und Geld aus Ferienjobs nicht mehr auf den Regelsatz angerechnet werden soll. “Doch die Landesregierung ist weiterhin aufgefordert, regelmäßig einen Kindergipfel zu veranstalten, um Kinder und Jugendliche zu Wort kommen zu lassen und ihre Interessen zu kennen. In Sachsen-Anhalt müssen Kita-Zugänge und gesundes Mittagessen kostenfrei sein”, so von Angern. “Wir kämpfen weiter für Mehrheiten im Parlament, beispielsweise für die Einführung einer Kindergrundsicherung und für Kinderrechte im Grundgesetz. Es ist unser Job, alles dafür zu tun, dass jedes Kind die Chance auf eine glückliche Kindheit und sichere Zukunft hat.”
Dank dieser „Debatte“ wird sich bestimmt viel ändern. Gut, dass unsere Politiker so schnell und energisch dieses erst kürzlich aufgetretene Problem so zielgerichtet angehen. *Ironie off*
Am besten für Land und Erde, die ganze Welt sind weniger Kinder ( sozusagen Kinderarmut anders interpretiert). Diejenigen, die dann unbedingt doch gezeugt werden, müssen ausreichend versorgt sein, vor allem was Bildungschancen angeht. Leider liegt das meist nicht am Staat oder Schulen etc., sondern an unfähigen Eltern. Da gibt es ein Dilemma, man kann ja nicht vorschreiben wer Kinder bekommt.
Schon schlimm, dass es Kinderarmut in Deutschland gibt!!! Und dann darüber noch diskutieren und debattieren 🙈 und es ändert sich nichts!!! Die Kinder,- und Altersarmut gibt es nicht erst seit heute… und dagegen gemacht wird nichts
blödsinn.
erstens bedeutet ein mittagessen keine glückliche kindheit. zweitens besteht diese essenförderung schon: die, die es nötig haben, bezahlen einen symbolischen Euro pro mittag. drittens: was soll diese flickschusterei, diese sekundärdauerpflege vorhandener mißstände? liebe frau Angern, es wäre mehr geholfen, den anfängen zu wehren. das heißt: macht bessere wohnpolitik! auf daß Ihre sog. „problemviertel“ keine mehr sind. auf daß es keine gut- und schlechtsituiertenviertel mehr, sondern gemischte wohngegenden gibt, die halbwegs einerphysiologisch gemischten gesellschaft entspricht.
weiter geht’s mit bildung, bildung, bildung. wissen ist macht, nicht bezahltes mittag. laßt nicht hrn tullner und die andern gymnasialschichtförderer ohne anweisung und kontrolle vor sich hinwurschteln ! der mensch ist ein soziales wesen. und wir trennen kinder ab der 4.klasse in gewinner- und verlierergruppen! diese grundgrundgrundlegende falsche ghettoisierung muß beendet werden, nicht der mittagseuro!
Keiner hat wirklich Unrecht in der Debatte, doch das Wichtigste ist vergessen worden. Wir brauchen eine enorme Kraftanstrengung an sozialer Arbeit, um Kinder aus dem hoffnungslosen Mix aus Bildungsferne, Armut und vorbestimmter Chancenlosigkeit heraus zu bekommen.
Natürlich ist es prima, wenn es der Wirtschaft gut geht und die Löhne steigen, auch der Mindestlohn ist (etwas spät von den Genossen bemerkt) steigerungsfähig, klar ist mehr Kindergeld oder eine Kindergrundsicherung gut. Aber was wirklich teuer wird ist eine intensive Betreuung und Förderung von Kindern aus sozial benachteiligten Millieu. Wie sagte ein Sozialarbeiter aus einer Wohngruppe für Kinder wo zuhause gar nichts mehr stimmt: Wir sorgen doch nur dafür, dass hier das Fass nicht überläuft. Für mehr reicht es doch nicht. Und das trifft den Nagel auf den Kopf. Wir bräuchten in den sozialen Brennpunkten unserer Stadt (zufällig stehen da viele Plattenbauten rum) deutlich mehr Personal in KiTas und Schulen. Zudem müssen wir früher und aktiver überforderte Familien (oder das was davon übrig ist) unterstützen. Welche Form vom Bildungsgerechtigkeit ist es wenn in Grundschulen 60-70% Migration auf 30-40% sozial schwache deutsche Kinder treffen? Wie kann es sein, dass integrationswillige Migrantenfamilien für ihre Kinder keinen kitaplatz finden. Und warum wird Kita andersherum für nicht deutschsprachige Kinder mindestens 3 Jahre vor Einschulung zur Pflicht, damit man in der ersten Klasse mit Lesen und Rechnen starten kann und nicht mit erlernen der deutschen Sprache?
Alles was ich hier beschreibe, ist mehr als bekannt. Im letzten Haushalt der Stadt Halle waren 4,5 Stellen für Sozialarbeiter geplant (aus Landesmitteln) wir haben per Beschluss im JHA auf 9 erhöht. Dank vorläufiger Haushaltsführung nicht umgesetzt.
Man redet in Magdeburg übers Wetter und bekommt hier nicht mal den Regenschirm aufgespannt!
Detlef Wend
Stadtrat
Vorsitzender des JHA
Je mehr deppatiert wird um so besser wird es den armen Kindern gehen…
Das hilft ungemein, ihr politischen Deppen. 🤮
War von den politischen Deppen schon jemals einer im sozialen Brennpunkt in einer Schule oder Kindergarten?
Wissen die überhaupt, wovon die sprechen???
Der Gettobau und das Bildungswesen tragen ebenfalls dazu bei dass Arme immer ärmer werden und Reiche immer Reicher…
Es ist schrecklich, zu erleben, wie die Marktwirtschaft hier alles bestimmt…
Wirtschaftsförderung ist toll, nur hier entstehen zumeist Arbeitsplätze in Callcentern und Logistigfirmen, die nachweislich keine hohen Löhne zahlen. Wie sollen dann diese Menschen aus der Armut kommen?