“To Go” soll teurer werden: Wirtschaftsausschuss debattiert über die Einführung einer Verpackungssteuer für Halle (Saale)

Die Stadt Halle könnte als eine der ersten Städte in Sachsen-Anhalt eine kommunale Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen einführen. Doch der Weg dahin ist steinig: Ein entsprechender Antrag der Linken wurde am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss mehrheitlich abgelehnt. Die Entscheidung darüber liegt zwar letztlich beim Stadtrat – doch die ablehnenden Stimmen aus der politischen Mitte und der Wirtschaft wiegen schwer.
Antrag orientiert sich an Tübingen
Der Vorstoß der Linken ist nicht neu: Bereits vor zwei Jahren wurde der Antrag eingebracht, damals jedoch vertagt. Grund war ein noch laufender Rechtsstreit rund um die Rechtmäßigkeit der Tübinger Verpackungssteuer. Diese wurde von der Stadt Tübingen als erste ihrer Art 2022 eingeführt – mit dem Ziel, den Müll im öffentlichen Raum zu verringern, die Stadtkasse zu entlasten und einen Anreiz für den Einsatz von Mehrwegverpackungen zu schaffen. Zahlreiche Fast-Food-Anbieter und Gastronomen hatten gegen die Steuer geklagt. Im Mai 2023 entschied das Bundesverwaltungsgericht: Die Steuer sei rechtens, da sie nicht mit der bundesrechtlichen Verpackungsverordnung kollidiere. Damit wurde der Weg frei für weitere Kommunen.
Genau darauf beruft sich nun der Antrag der Linken in Halle: Die Verwaltung soll auf Basis des Tübinger Modells eine rechtssichere Verpackungssteuersatzung entwerfen. Diese würde auf Einwegverpackungen, -besteck und -geschirr für Speisen und Getränke zum Mitnehmen erhoben werden. Ziel: Müllvermeidung, Steuermehreinnahmen und Förderung von Mehrwegmodellen.
„Wir wollen Müll vermeiden und die Einwohner animieren, auf Mehrwegverpackungen zu setzen“, erklärte die Linken-Stadträtin Patricia Fromme. Unterstützung kam auch von Grünen und Volt. Annette Kreutzfeldt (Grüne) betonte, es sei höchste Zeit, sorgsamer mit Ressourcen umzugehen. Sie verwies auf den Weihnachtsmarkt in Halle, wo ein Mehrwegbechersystem bereits erfolgreich eingeführt wurde. „Das ist der Weg der Zukunft, es bleibt uns nichts anderes übrig“, so Kreutzfeldt.
Wirtschaft fürchtet neue Belastungen
Deutlich kritisch äußerte sich der Rest des Ausschusses. Tim Kehrwieder (FDP) warnte vor einem „Verwaltungsmonster“, das wenig bringe, aber viel koste. Die Bürger würden zusätzlich belastet, obwohl viele Mehrwegsysteme noch unausgereift seien. Man solle die Menschen nicht durch Mehrbelastungen geißeln. Kehrwieder, selbst Student, schilderte seine Erfahrungen mit dem Mehrwegangebot an der Universität Halle: „verdammt kompliziert“. Kunden hätten oft kein Mehrweggeschirr dabei – der Alltag sei einfach nicht auf solche Systeme ausgelegt. Zudem zweifelte er, ob der Stadt überhaupt ein finanzieller Vorteil entstehe. „Ein Nullsummenspiel“, so Kehrwieder. Er erinnerte auch an Zeiten, als Mehrwegangebote verpönt waren – nämlich zu Corona.
Ähnlich skeptisch äußerten sich SPD und AfD. Torsten Schiedung (SPD) betonte zwar: „Ja, es gibt zu viel Verpackungsmüll, die Einwegverpackungen müssen abnehmen.“ Doch eine Steuer sei nicht der richtige Weg. Stattdessen solle man auf Alternativen setzen, etwa über Förderprogramme oder verbindlichere Mehrwegangebote. Die AfD sprach gar von Doppelbesteuerung, da Gastronomiebetriebe bereits Müllgebühren und Beiträge zum Dualen System zahlten. „Es wird neue Bürokratie geschaffen“, kritisierte Jirka Schuppe.
Gastronomie schlägt Alarm
Besonders betroffen sieht sich die Gastronomie. Maria Gringer, Inhaberin mehrerer Lokale in Halle (u.a. „Palette“, „Bewaffel Dich“), sitzt als sachkundige Einwohnerin im Ausschuss und äußerte massive Bedenken. Schon jetzt seien die Kosten für Verpackungen – besonders seit Corona – massiv gestiegen. Auch alternative Angebote hätten sich nicht bewährt. „Das Angebot von Mehrwegbechern beim Coffee to go wurde von den Kunden nicht angenommen – wir mussten das wieder einstellen“, so Gringer. Zudem gebe es für viele Verpackungen wie Pizzakartons oder Dönerboxen keine funktionierenden Mehrwegalternativen. Für Dipps sei die getestete Pappvariante durchlässig gewesen – nicht praxistauglich.
Auch Sabine Odparlik, Fachbereichsleiterin Wirtschaft der Stadt Halle, berichtete von zahlreichen Anrufen verunsicherter Gastronomen. Man fürchte nicht nur höhere Kosten, sondern auch einen Attraktivitätsverlust für die Innenstadt.
Einnahmen geringer als erhofft
Ein weiterer Dämpfer: Die Hoffnung auf nennenswerte Steuermehreinnahmen könnte sich als trügerisch erweisen. Während Tübingen anfangs mit einer Million Euro jährlich kalkulierte, brachte die Steuer laut Jahresabschluss 2023 tatsächlich nur rund 253.000 Euro ein. Vier Kontrolleure wurden eingestellt – ihre Gehälter dürften die Einnahmen weitgehend aufzehren. „Vielleicht war das ein frommer Wunsch“, kommentierte eine Vertreterin der Kämmerei im Ausschuss.
Bayern geht anderen Weg – mit Verbot
Parallel zur Debatte in Halle sorgt eine neue Regelung in Bayern für Schlagzeilen: Die bayerische Staatsregierung hat am Dienstag beschlossen, eine kommunale Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen und -geschirr zu verbieten. Der Kabinettsbeschluss sieht vor, entsprechende Anträge von Städten und Gemeinden abzulehnen. Bayerns Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann erklärte in der Presse, dass eine solche Steuer zusätzliche Belastungen für Bürger und Betriebe mit sich bringe und im Widerspruch zum Ziel stehe, Bürokratie abzubauen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger betonte, dass die Betriebe keine neuen Belastungen benötigten, sondern freie Hand, um das Geschäft in Schwung zu halten. Innenminister Joachim Herrmann kündigte an, schnellstmöglich einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Einführung eines Verbots für Verpackungssteuern im Bayerischen Kommunalabgabengesetz vorzulegen. Die Grünen im Landtag kritisierten das Vorgehen als unnötigen Eingriff in die Eigenständigkeit der Kommunen und warfen der Staatsregierung vor, Einnahmequellen zu verbieten, ohne höhere finanzielle Unterstützung zu gewähren.
Wie geht es weiter?
Auch wenn der Antrag im Wirtschaftsausschuss keine Mehrheit fand, ist die Diskussion in Halle noch nicht abgeschlossen. Als nächstes beschäftigt sich der Umweltausschuss mit dem Thema. Danach muss der Stadtrat abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Debatte ist jedoch absehbar, dass der Antrag der Linken auch dort schwer durchzusetzen sein wird. Viele Fraktionen zeigen sich skeptisch – insbesondere angesichts der offenen Fragen zur finanziellen Tragfähigkeit, zur Praxistauglichkeit und zur Akzeptanz bei Bürgern und Betrieben.
Wenn Verpackungen teurer gewrden sind so ist doch logisch sie weg zu lassen, oder? Wirtschaftlich und öko-logisch.
Vlt solltet ihr mal berichten was billiger wird.
Und genau solche Maßnahmen machen die Wirtschaft kaputt. Die Leute wollen und kaufen to Go Produkte wenn es schnell gehen muss…
Aber nicht alles, was die Leute wollen ist auch gut.
Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet Linke und Volt meinen Döner teurer machen wollen. Dass die Grünen das wollen, verwundert dagegen nicht.
Übrigens Verwaltungsaufwand und Nutzen dieser Steuer stehen in keinem Verhältnis. Darüber hinaus gibt es auch keinen Bedarf, da die HWS den Müll generell mit ihren System der Stadtreinigung wirtschaftlich entfernen kann.
Es geht nicht darum, ob sie den Müll entfernen können, sondern darum, dass er gar nicht erst entstehen muss. Es geht auch um eine Frage der (Wegwerf-)Mentalität und wieviel Wert uns unser Umfeld ist, bzw. was für eine Lebensweise man als „normal“ empfinden soll – Ignoranz oder Achtsamkeit.
Bleibt alles wie es ist. Nichts wird teurer wegen 2 Parteien.
Es ist doch ein Jammer, dass sich so viele Menschen keine Zeit mehr nehmen und zu Hause frühstücken oder in Ruhe Kaffee trinken. Oder auf der Straße irgendwas in sich reinzumampfen … so groß kann der Hunger doch nur in seltenen Fällen sein. Macht Übergewicht und nicht wirklich zufrieden. Mache ich zum Glück schon lange nicht mehr, (nachdem ich mich mal furchtbar bekleckert habe 😉)
Noch so ein Belehrer, wie man zu leben hat.
Es gibt Menschen, die möchten einfach nicht in diesen Strukturen leben, sondern eben anders. Dies ist zu respektieren und nicht das Thema hier. Zudem, seit wann macht Kaffee im Pappbecher dick? Es geht hier nicht um den Inhalt des Geschirrs!
Thema verfehlt, setzen.
Nicht der Kaffee im Pappbecher macht dick, sondern die Angewohnheit, sich schnell mal unterwegs irgendwas qualitativ minderwertiges reinzupfeifen. Und die Wegwerfmentalität steht für genau sowas.
Thema verfehlt, es geht nicht um um Angewohnheiten, sondern um eine Erziehungssteuer, mit Kaffee oder Pommes ist hier erstmal egal.
Man kann auch qualitativ Hochwertiges in Pappe hüllen.
Noch so ein Belehrer! Wenn Klare leben möchte, wie sie es möchte, bist Du, gerade nach Deiner Ansage, der Letzte, der ihr etwas vorschreiben darf! Nicht wahr?
„Oder auf der Straße irgendwas in sich reinzumampfen … so groß kann der Hunger doch nur in seltenen Fällen sein.“
Klara,
wollen Sie jetzt anderen Menschen auch noch vorschreiben, wann sie Hunger haben dürfen und wann nicht?
Nunja. Wollen Sie jetzt Klara vorschreiben, was sie zu denken hat und was nicht?
Der gewünschte Effekt, die Müllmenge zu reduzieren, hat sich in Tübingen jedenfalls nicht ergeben. Das hat eine Studie der Uni Tübingen ergeben. Und nun merkt Tübingen, dass die Einnahmen ebenfalls nicht sprudeln, sondern von den Kosten aufgefressen werden. Halle sollte deshalb klüger sein und damit gar nicht erst anfangen. Mehrweg kann man auch auf andere Weise fördern. Es gibt zudem schon Gesetze, die dafür sorgen sollten.
Genau! Und wie will man denn z.B. bei McDonald’s jede einzele Verpackung erfassen? Was soll das kosten?
Gerade in der Systemgastronomie sind Verpackungsprozesse standardisiert. Man kann jedem verkauften Produkt die entsprechenden Verpackungen zuordnen.
Wenn man wollte, könnte man auf Bundesebene zum Thema Müllvermeidung viel effizienter agieren. Aber bevor man an die Industrie geht, lässt sich doch der kleine Mann viel einfacher schröpfen! Wie wärs denn mit einer festgelegten Mindestverpackunggrösse bei Lebensmitteln, sodas nicht ständig Inhalte in Verpackungen abnehmen aber die Grösse der Verpackung nicht. Irgendwann hat mal noch z.b. eine Wurstfolie 40g Inhalt?
Und wieviel Verpackungen werden auf Grund dessen mehr gekauft.
Wieder diese Verbotspartei aus Bayern!🤦♀️
Lustig wird es wenn die Eiswaffel unter Verpackung fällt. Wird dann die Eiskugel auf die Hand gegeben?